Starnberger See:Luxusvilla wird zur Kulturstätte für Jugendliche

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Vom See aus betrachtet entfaltet die Villa Zitzmann ihre ganze Pracht. Sie gehört dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Bald soll sie von vielen jungen Menschen bevölkert sein, wenn es nach Gregor Wöltje und seinen Mitstreitern geht. (Foto: I. Berger)

Ursprünglich sollte die "Villa Z" ein Wellnesshotel werden, nun soll sie benachteiligten Kindern und jungen Aktivisten Platz für Kreativität bieten. Das haben die Betreiber des "Sugar Mountain" und "Lovelace" mit dem Seegrundstück bei Starnberg vor.

Von Susanne Hermanski, Starnberg

Diese Villa steht auf einem der schönsten Grundstücke am Starnberger See. Mit direktem Zugang zu Bayerns beliebtester Großbadewanne und zum Seglerparadies, an der Poleposition der Goldküste im reichsten Landkreis der Republik. Lange Zeit schien sicher, was mit dem denkmalgeschützten Anwesen geschehen soll: Investoren wollten es in ein elegantes Hotel umwandeln, mit großem Wellnessbereich, einer schick aufgemöbelten 400-Quadratmeter-Terrasse und jeder Menge Zimmer und Suiten mit Seeblick. Daraus wird jetzt nichts.

Das Münchner Trio Gregor Wöltje, Michi Kern und Lissie Kieser, bekannt durch Kunst- und Event-Projekte wie das "Lovelace" oder "Sugar Mountain", hat sich etwas anderes für die historische Villa und die sie umgebenden rund 5000 Quadratmeter Grund überlegt: Sie wollen daraus ein öffentliches Gästehaus machen für bedürftige Kinder und junge Aktivisten. Mit dem Besitzer des Grundstücks haben sie sich darauf bereits geeinigt, die Verträge sind unterzeichnet. Das Anwesen gehört dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und war lange dessen Bundesschule. Doch 2011 verlagerte der DGB seine Institution, und es begannen Verhandlungen mit verschiedenen Investoren. Diese verliefen jedoch 2018 im Sande. Das Haus steht schon seit vielen Jahren leer.

Junge Menschen ermutigen, Positives für die Zukunft beizutragen

Wöltje und seine Mitstreiter haben die Gunst der Stunde genutzt. Die drei, die in München auch die Utopia-Halle als Veranstaltungsort betreiben, verstehen dieses neue Projekt am See nun als "Social Business". "Im Fokus steht für uns die Förderung von Kindern und Jugendlichen, vor allem von solchen, die eben nicht aus der Gönn-Dir-was-Gesellschaft des Starnberger Sees stammen", sagt Gregor Wöltje. Werden soll daraus "ein Ort für die Künste und eine Mischung aus kreativem Seminarhaus, bezahlbarem Familienhotel und progressivem Abenteuerspielplatz". In dieser Villa und deren angegliederten Tagungsbauten sollen junge Menschen "ermutigt werden, selber etwas Positives zur Zukunft beizutragen", sagt Wöltje, "und das durch eine Umgebung, die künstlerisches Gestalten und Natur in sich vereint". Deshalb bildeten "zukunftsrelevante Themen" wie Kreativität, Nachhaltigkeit, Umwelt- und Tierschutz, Medienkompetenz, Inklusion, Gerechtigkeit und gesellschaftliches Engagement die Eckpfeiler des inhaltlichen Programms.

Bald sollen in der Villa Zitzmann und um sie herum Jugend und Kunst einziehen - so wie auf diesen Bildern stellen die neuen Pächter sich das vor. (Foto: Sasha Bikoff, Trinette Reed)

Ansatz sei, gezielt einen Kontrapunkt zur Umgebung zu setzen: "Dieses Juwel wird nicht für die elitäre Klientel geöffnet, sondern für genau die, die sonst keinen Zugang zu solchen Immobilien haben: sozial benachteiligte Kinder, alleinerziehende Eltern, junge Aktivisten, Ehrenamtliche jeden Alters", sagt Wöltje. Sein Geschäftspartner Michi Kern habe schon lange eine entsprechende Idee verfolgt. Dass man jetzt dieses unwirklich schöne Anwesen dafür gefunden habe, mache die drei so stolz wie glücklich. Die Pachtverträge sind unterzeichnet, es laufen bereits Gespräche mit Künstlern und Architekten zur inneren Ausgestaltung. Auch ein Name ist für das Kind schon gefunden: "Villa Z" soll es heißen, in Abkürzung von "Villa Zitzmann", dem bisherigen Hausnamen.

Ein Erlanger Unternehmer baute die Villa in den Zwanziger Jahren

Denn die DGB-Villa mit der Adresse Ferdinand-von-Miller-Straße 7 in Niederpöcking hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Ursprünglich stand auf dem Seegrundstück die Villa eines Zahnarztes aus München, die im Jahr 1919 von dem Erlanger Unternehmer und Kommerzienrat Karl Zitzmann erworben worden ist. Er ließ die Vorgänger-Villa abreißen und baute sich das herrschaftliche Landhaus mit Nebengebäuden wie einer Remise und einer Schifferhütte auf das Seegrundstück. Das war in den Jahren 1922 und 23.

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Für die klassizistischen Formen zeichneten die Architekten Otto Gruber und E. von Gutmann verantwortlich. Weil der Gebäudekomplex sich von den benachbarten Bauten deutlich unterschied, nannten die Einheimischen die Villa Zitzmann auch "Wannsee-Villa". Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Amerikanische Besatzungstruppen in der Villa einquartiert. In den Fünfzigerjahren wurde sie dann vom DGB übernommen.

Eine Einkehr für Aktivisten von Fridays for Future

Das "Z" in der neuen "Villa Z" soll aber auch für Zusammenarbeit stehen. "Denn wir entwickeln unsere Programme dort in Zusammenarbeit mit verschiedenen Sozialträgern und Vereinen", sagt Wöltje. Auch heilpädagogische Ansätze seien im Gespräch. Weil das Haus Übernachtungsmöglichkeiten bietet, streben die neuen Pächter unter der Woche und außerhalb der Ferien eine komplementäre Nutzung als Seminarhaus an. Auf dem Grundstück befindet sich neben der Villa auch ein Gästehaus mit 49 Zimmern. Die Sozialträger selbst hätten einen großen Bedarf für Mitarbeiterseminare, Fortbildungen, Supervisionen. Aber auch NGOs wie Fridays For Future oder Greenpeace suchten ständig nach Seminarhäusern.

Neu entstehen werden in dem Altbau Kunstateliers, Musikräume, Holz und Töpferwerkstätten. Die alte Orangerie soll in Zukunft das Bindeglied zum Außenbereich werden und auch bei schlechtem Wetter Platz für Bewegung und Spiel bieten. Zudem könne sie für Vorführungen und als Kino genutzt werden, glaubt Wöltje. Das Pächtertrio rechnet mit einem vergleichsweise bescheidenen Investitionsvolumen dafür, finanzielle Unterstützer werden gerade noch mit ins Boot geholt. Der Mietvertrag läuft nun für zehn Jahre mit einer weiteren Option für fünf Jahre. Die Eröffnung des ambitionierten Projekts ist für April 2022 anvisiert.

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