Wolfgang Reich darf als kämpferischer Typ gelten, als Fechter ist er früher sogar mal Vizeweltmeister mit der deutschen Degen-Mannschaft geworden. Inzwischen ficht Reich seine regelmäßigen Kämpfe auf den Hauptversammlungen seiner Aktiengesellschaften und in wechselnden Gerichtssälen aus, und das nicht immer mit feiner Klinge. Die Gegner des 42-jährigen Heidenheimers kommen dabei oft aus Mittenwald oder Garmisch-Partenkirchen, so wie aktuell vor dem Oberlandesgericht München. Das hat der von Reich dominierten Karwendelbahn AG am Dienstag per Urteil und einstweiliger Verfügung untersagt, den Lokaljournalisten Christof Schnürer vom Garmisch-Partenkirchner Tagblatt per Pressemitteilung in die Nähe des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels zu rücken. Der Prozess ist aber nur einer von Dutzenden, die sich schon um die Karwendelbahn rankten, seit Reich vor rund zehn Jahren im Zuge einer Firmenübernahme deren Mehrheitseigentümer wurde.
Neben Zivilkammern wie nun dem 18. Senat der Oberlandesgerichts haben auch die Verwaltungsjuristen viel mit Deutschlands zweithöchster Seilbahn zu tun. Die führt von Mittenwald bis auf 2244 Meter hinauf zur Karwendelgrube unterhalb der Westlichen Karwendelspitze. Dort oben in der Bergstation steht seit dem Sommer die kupferglänzende Destille der angeblich höchsten Schnapsbrennerei im Land, und für den Bau von Deutschlands höchster Bierbrauerei hat die Karwendelbahn bei Kleinanlegern im vergangenen Jahr laut den Angaben eines internetgestützten Crowdfunding-Portals schon etliche Hunderttausend Euro eingeworben.
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Doch wie bei so vielen Projekten der Karwendelbahn wurden die zuständigen Behörden für all das erst gar nicht nach einer Genehmigung gefragt, weshalb das Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen den Bau in aller Form eingestellt und die Nutzung des neuen Anbaus für die Brennerei untersagt hat. Ähnlich war die Behörde nach eigenen Angaben schon ein halbes Dutzend mal vorgegangen, bei verschiedenen An- und Ausbauten sowie ungenehmigten Nutzungsänderungen im Tal und am Berg.
Die Baukontrolleure müssten sich diesmal allerdings auf eine längere, durchaus anstrengende Bergtour machen, wenn sie das alles wirklich selber überprüfen wollten. Denn sämtliche Mitarbeiter des Landratsamts haben Hausverbot in der Karwendelbahn. Zutritt der Bergstation könnten sie sich kraft Amtes zwar verschaffen. Doch die Gondel dort hinauf dürfen sie nicht nehmen.
Da geht es ihnen nicht besser als dem Mittenwalder Bürgermeister Enrico Corongiu (SPD). Der hat nach der Kommunalwahl vor zwei Jahren seinen Vorgänger Adolf Hornsteiner von der CSU auch in dessen Rolle als Hauptgegner der Karwendelbahn-Vorstände beerbt. Auch ein Hausverbot hatte schon Hornsteiner erhalten, der dagegen seinerseits vor Gericht vorgegangen war und auch sonst wahrscheinlich deutlich öfter vor Gericht auftreten musste als in Mittenwalder Bürgerversammlungen. Denn die Marktgemeinde ist nach Reichs verzweigtem Firmengeflecht zwar die zweitgrößte Anteilseignerin der Bahn, scheiterte mit allen ihren Vorschlägen, Forderungen und Auskunftsansprüchen aber nahezu immer am Vorstand rund um Wolfgang Reich und dessen gleichnamigen Vater, der für seinen Sohn regelmäßig als Anwalt und Wirtschaftsprüfer fungiert. Allein Ort und Zeit der Hauptversammlungen empfindet man im Rathaus oft als schikanös, viele dieser Treffen enden in Streit und Chaos, ein Ergebnis, das unter den beiden Hauptaktionären nicht umstritten wäre, haben sie selten.
Über all das und über etliche Zivilprozesse, die ihn bisher nicht persönlich betrafen, berichtet der Lokaljournalist Christof Schnürer regelmäßig, was ihn aus Sicht der Bahn-Vorstände offenkundig zu ihrem Gegner gemacht hat. Im vergangenen Juni machte die Karwendelbahn AG in einer eigenen Veröffentlichung Schnürer und dessen Berichte für einen Vorfall mitverantwortlich, den sie selbst in der gleichen Pressemitteilung als versuchten und von einem beherzten Mitarbeiter vereitelten nächtlichen Messerangriff eines Unbekannten auf einen der Vorstände schilderte.
Das Landgericht München hatte die Goebbels-Vergleiche aus jener Mitteilung im vergangenen Jahr noch als zulässig angesehen, doch das Oberlandesgericht hat das entsprechende Urteil der Vorinstanz nun korrigiert. Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen, sodass zumindest dieser Strang der Streitigkeiten damit beendet sein könnte. Gleichwohl werden die Prozesse rund um die Karwendelbahn noch weitere Gerichte beschäftigen. Die Streitigkeiten drehen sich um Auskunftsrechte und Sonderprüfungen, was vonseiten des Vorstands regelmäßig der Gemeinde angelastet und als riesige Verschwendung und - etwa in der besagten Mitteilung - wörtlich als "Veruntreuung" von Steuergeld gegeißelt wird.
Dass es bei all dem zumindest anfangs vor allem ums Geld ging, ist allen Seiten klar. Schon vor einigen Jahren hatte der streitbare Mehrheitseigentümer versucht, Kleinanliegern deren Anteile an der Karwendelbahn abzukaufen und zugleich die eigenen Aktien für mehr als das Doppelte an die Gemeinde zu verkaufen. Dadurch wären die Mittenwalder zwar die ungeliebte Reich-Gruppe losgeworden und hätten die volle Kontrolle über die Karwendelbahn übernommen, dies allerdings in mehrfacher Hinsicht zu einem sehr hohen Preis. Denn die 1967 eröffnete Seilbahn ist zwar für den Tourismus im Ort von höchster Bedeutung, größere Gewinne hat sie über die Jahrzehnte aber kaum je eingefahren.