Franken:Treuchtlinger sorgen sich um ihr Trinkwasser

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Wasser ist nicht nur lebensnotwendig, sondern auch schon lange ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. (Foto: imago)
  • Eine Treuchtlinger Mineralwasserfirma will ihre Fördermenge mehr als verdoppeln.
  • Für das Grundwasser in der Region wären die Folgen ungewiss. Dennoch sieht es danach aus, als würden die Wünsche des Konzerns erfüllt.

Von Uwe Ritzer, Treuchtlingen

An den Termin im bayerischen Umweltministerium am 24. Juli 2013 kann sich Weißenburgs Oberbürgermeister Jürgen Schröppel allein deshalb noch gut erinnern, "weil wir dorthin kurzfristig einbestellt wurden wie dumme Schulbuben zum Direktor". Minister Marcel Huber persönlich leitete die Sitzung, bei der es um die Entnahme von Tiefengrundwasser im südlichen Mittelfranken durch einen der größten deutschen Mineralwasserkonzerne ging. Dass das Thema überhaupt an höchster Stelle landete und nicht einfach von den zuständigen Behörden vor Ort entschieden wurde, schreibt nicht nur Schröppel dem politischen Einfluss der Getränke-Unternehmerfamilie Schäff und einer fragwürdigen Willfährigkeit der damaligen Staatsregierung zu.

Fast sechs Jahre später sagt Gerhard Wägemann, die Schäffs hätten "nicht mehr die guten politischen Kontakte wie früher". Alles werde seinen gesetzlich korrekten Gang nehmen, versichert der Landrat des Kreises Weißenburg-Gunzenhausen. Wieder läuft beim dortigen Landratsamt ein Genehmigungsverfahren, wieder geht es um brisante Ansprüche des Unternehmens. Die zum Schäff-Imperium zählende Firma Altmühltaler Mineralbrunnen will in Treuchtlingen künftig mehr als das Doppelte an teilweise Jahrtausende altem Tiefengrundwasser fördern und zu Mineralwasser abfüllen wie bislang: 550 000 statt 250 000 Kubikmeter jährlich.

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Es ist nicht irgendein Grundwasserreservoir, das da angezapft wird. "Er ist Teil eines riesigen Grundwasserleiters, der sich über fast 10 000 Quadratkilometer erstreckt und größer ist als Mittelfranken", sagt Thomas Keller, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Ansbach. Noch dazu sind die Pläne der Firma ökologisch und politisch brisant. Warnte doch bereits beim Minister-Termin 2013 Kellers Vorgänger ausweislich der SZ vorliegenden Unterlagen, dass die Grundwasserspiegel im Raum Treuchtlingen bereits seit 2000 sinken.

Mehr Entnahme sei schädlich, warnen Wasserwirtschaftler und andere Experten seit Jahren. Dennoch sieht es danach aus, als würden die Wünsche des Mineralwasserkonzerns wieder einmal erfüllt.

Seit wenigen Tagen liegt im Landratsamt ein Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes vor. Basierend rein auf Modellrechnungen, aber offenbar ausreichend . "Demnach ist ein bis 2026 befristeter Probebetrieb mit einer stufenweisen Anhebung der Fördermenge auf die beantragten, zusätzlichen 300 000 Kubikmeter möglich", sagt Landrat Wägemann. Allerdings mit der Maßgabe, dass die Entnahme jederzeit begrenzt oder sogar gestoppt werden könnte, sollten die Pegel sinken. Zur Kontrolle sollen Messstellen eingerichtet werden.

Widerstand gegen die Pläne formt sich

Bevor ein entsprechender Genehmigungsbescheid erlassen wird, werden die umliegenden Wasserversorger und Kommunen gehört. Auch wenn Wägemann meint, das amtliche Gutachten "dürfte schwer zu entkräften sein", formiert sich Widerstand. Naturschützer, aber auch selbst wirtschaftsfeindlicher Umtriebe unverdächtige, führende CSU-Kommunalpolitiker der Region lehnen die Pläne ab. Weißenburgs OB Schröppel (SPD) kündigte an, "alles zu tun, dass unsere Wasserversorgung nicht von dritter Seite in Gefahr gebracht wird". Die Firma Altmühltaler ließ SZ-Anfragen unbeantwortet.

Auch juristische Schritte seien denkbar, sagt Schröppel. Denn die Stadt Weißenburg fördert aus denselben Grundwasserschichten einen Großteil ihres Trinkwasser. "Die öffentliche Versorgung muss vor Privatinteressen gehen", sagt Schröppel. "Ich wundere mich im Übrigen schon sehr, wenn jetzt auf einmal etwas als angeblich unproblematisch genehmigt werden soll, wovor die Experten seit Jahren warnen."

Das Misstrauen ist allein deshalb groß, weil das Genehmigungsverfahren seit Anfang 2018 unter Ausschluss der Öffentlichkeit betrieben wurde. Möglich machte dies der juristische Kniff, lediglich einen befristeten Probebetrieb zu beantragen. Anders als bei einem Antrag auf Dauerbetrieb wird die Öffentlichkeit da nur sehr eingeschränkt beteiligt. Kritiker fürchten aber, dass über den Umweg Probebetrieb langfristig Fakten geschaffen werden sollen. Auch der Treuchtlinger Stadtrat beteiligte sich an der Geheimniskrämerei und behandelte das Thema bevorzugt nichtöffentlich. Ab und an hieß es öffentlich nur unscharf, die Firma hätte gerne mehr Wasser, würde im Gegenzug aber ihre Abfüllanlage an den Stadtrand verlagern und 65 Millionen Euro investieren.

Die Stadt hofft, die durch den Umzug frei werdende Fläche - zwei Hektar mitten in Treuchtlingen - städtebaulich zu entwickeln. "Wir planen das gemeinsam mit der Firma", sagt Bürgermeister Werner Baum (SPD). Er räumt ein, dass unklar ist, wie viel die Kommune mitbestimmen kann. Die Flächen gehören der Firma, Verträge gibt es nicht; "das muss noch ausverhandelt werden", sagt Baum.

Die Kommune ist dem Mineralwasserkonzern generell sehr dienstbar; zum Teil auch grenzwertig. Kostenlos übernahm sie zigtausende Kubikmeter Erdaushub vom Bau des Altmühltaler Logistikzentrums 2018; die Firma sparte damit die teure Entsorgung. Ähnlich soll mit weiteren, mehreren Zehntausend Kubikmetern verfahren werden. "Aber nur wenn das Landratsamt zustimmt", sagt der Bürgermeister.

Der Brunnen, aus dem die 300 000 Kubikmeter entnommen werden sollen, gehört der Stadt. Informationen aus nichtöffentlicher Stadtratssitzung zufolge will die Kommune ihn an Altmühltaler verpachten, für zehn Cent pro Kubikmeter, also maximal 30 000 Euro pro Jahr. Baum will die Zahlen "nicht kommentieren", weist aber "den Vorwurf scharf zurück", man unterwerfe sich Firmeninteressen. "Jede Kommune würde so handeln wie wir", sagt er.

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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