Memmingen:Fracht im Anflug

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Der Allgäu Airport Memmingen könnte auch ein Umschlagplatz für Luftfracht werden. Das stößt jedoch nicht nur auf Begeisterung. (Foto: Flughafen Memmingen GmbH)

Der Allgäu Airport will sein Geschäft ausbauen und eine Umschlaghalle errichten, in die Amazon einziehen soll. Das sorgt für Ärger.

Von Thomas Stöppler, Memmingen

Dieter Buchberger von der Bürgerinitiative Bürger gegen Fluglärm ist kein Freund des Allgäu Airports: "Spitzenwerte bis zu 90 Dezibel, und dann kommt ja auch noch die Anflugzeit dazu." 90 Dezibel - das kann man etwa mit einem Kammerkonzert vergleichen. Und mit dem Spitzenwert sei es nicht getan, das Flugzeug komme ja erst näher und fliege dann über einen hinweg - das ist zwar nicht ganz so laut, aber ein Gespräch im Garten lasse sich so nicht führen, sagt Buchberger.

Nach den Plänen des Memminger Flughafens könnte es in Zukunft für die Anlieger allerdings noch lauter werden. Denn nach dem Willen der Betreiber soll das Frachtgeschäft ausgebaut werden, und das bedeutet mehr Lärm wegen der größeren Maschinen und mehr Verkehr. Die Lage am Memminger Flughafen ist komplex. Zum einen wachsen die Beschwerden, wenn etwa Maschinen zu spät starten. Zum andern baut der Allgäu Airport stetig sein Angebot aus. Erst im Oktober verkündete der Flughafen eine Erweiterung seiner Reiseziele und eröffnete die neue Gepäckhalle. Vor der Corona-Krise näherten sich die Passagierzahlen bereits der Grenze von zwei Millionen im Jahr.

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Nun hat die Flughafen Memmingen GmbH beim Luftamt Südbayern einen Antrag gestellt zum Bau einer Frachtumschlaghalle und eines Parkhauses sowie der entsprechenden Veränderungen an Rollfeld und Flughafenstraßen. Etwa zehn zusätzliche Flüge pro Woche mit Luftfracht sollen von 2028 an vom Allgäu aus starten. Bisher gibt es laut Flughafenbetreiber nur ein bis zwei Frachtflüge im Monat.

Die zusätzlichen zehn Flüge pro Woche könnten möglicherweise auf das Konto von Amazon gehen. Diese Zahl gehe aus Gesprächen mit dem Unternehmen hervor, sagte Airport-Geschäftsführer Ralf Schmid der Allgäuer Zeitung. Das bedinge wiederum einen Zugang zum Rollfeld. Amazon selbst teilte dem BR und der SZ allerdings mit, man werde im Zuge des Projekts Verteilzentrum am Memminger Flughafen keine Frachtflüge durchführen: "In einem Verteilzentrum sortieren wir Pakete, die mit Lkw aus unseren Sortier- und Logistikzentren ankommen, für die Auslieferung an Kunden in der Region mit Kleintransportern."

Laut Schmid will der Versandriese die Halle für 15 Jahre mieten. Ursprünglich wollte der Flughafen an Amazon ein Baugelände für eine Logistikhalle verkaufen. Doch der Eigentümer, eine GmbH mit kommunaler Beteiligung, lehnte das Geschäft ab. Nun soll eine Tochtergesellschaft des Flughafens das Logistikzentrum bauen und dann an Amazon vermieten.

Kritik vom Kreisausschuss

Auch wegen der Verkehrsbelastung hat der Kreisausschuss des Landkreises Unterallgäu sich deutlich gegen das geplante Logistikzentrum ausgesprochen: Besonders die Routen nach Süden in Richtung Kempten könnten oft durch Memmingerberg oder Memmingen selbst führen. In den Genehmigungsunterlagen ist von täglich 1200 Lkw-Fahrten die Rede, die Fahrten der Beschäftigten kommen noch dazu.

Buchberger, der für die Grünen im Memminger Stadtrat sitzt, erzählt, dass bereits jetzt einige Straßen und insbesondere der Kreisverkehr, von dem die Flughafenstraße abgehe, oft verstopft seien. Eine Lösung wäre ein neuer Autobahnzubringer mit Auffahrt zwischen den Ausfahrten Memmingen Ost und Holzgünz, was allerdings Sache des Bundes sei.

Der andere Kritikpunkt des Kreisausschusses ist der Lärm: "Lärmintensive Flugbewegungen in geringer Flughöhe - insbesondere über den Kneipp-Kurorten im Landkreis - laufen den Prinzipien der Kneippschen Gesundheitslehre zuwider und werden daher abgelehnt."

Umweltschützer kündigen Widerstand an

Entscheiden kann der Kreisausschuss nichts. Buchberger kann viel über Flugzeugtypen erzählen und weiß, wann welcher eingesetzt wird und von wem. "Doppelt so laut", sagt er auf die Nachfrage, was Frachtverkehr denn heißen würde in puncto Lärmbelästigung. Amazon nutze zum Beispiel die Boeing 767. Maschinen, die deutlich mehr Lärm verursachten als die Passagierflugzeuge von Ryanair und Wizz Air.

Dem Antrag der Flughafen GmbH sind sowohl ein Verkehrsgutachten als auch eine schalltechnische Untersuchung beigefügt. Beide kommen zu dem Schluss, dass der zusätzliche Verkehr - ob in der Luft oder am Boden - zumutbar sei. Der Bund Naturschutz sprach dagegen von einem "Dammbruch" und hat Widerstand gegen das geplante Logistikzentrum angekündigt: "Waren mit dem Flugzeug zu transportieren ist die mit Abstand umweltschädlichste Form des Gütertransports", sagte der BN-Landesvorsitzende Richard Mergner. "Wenn wir die Klimaziele von Paris erreichen wollen, müssen wir jetzt den Güterverkehr auf die Schiene verlagern und nicht auf das Flugzeug."

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