CSU-Maskenaffäre:Millionen-Provisionen für Sauter, Nüßlein und Tandler wohl legal

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FFP2-Masken waren zu Beginn der Pandemie Mangelware - und damit für einige die Möglichkeit, lukrative Geschäfte zu machen. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Ein Votum der Bundesanwaltschaft macht es immer wahrscheinlicher, dass die Ermittlungen gegen die Ex-CSU-Politiker eingestellt werden. Auch einer Beschwerde von Andrea Tandler gegen eine Geldwäsche-Razzia wurde stattgegeben.

Von Klaus Ott, München

Die langjährigen CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein sowie die PR-Unternehmerin Andrea Tandler können davon ausgehen, dass ihre Provisionen in Millionenhöhe bei Maskendeals legal waren. Das lässt sich nach SZ-Informationen einer ausführlichen Stellungnahme der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und einer Entscheidung des Landgerichts München I entnehmen. Beide Vorgänge sind bislang öffentlich nicht bekannt.

Setzt sich die Sichtweise der Bundesanwaltschaft durch, dann hätte eine fünfköpfige Vermittlergruppe um Sauter und Nüßlein völlig legal zehn Millionen Euro kassiert. Die Vermittlergruppe hätte zudem Anspruch auf weitere 1,5 Millionen Euro, die noch nicht geflossen sind; insgesamt wären das dann 11,5 Millionen Euro. Sauter würden davon gut 1,2 Millionen Euro zustehen, die die Justiz bei einer Firma seiner Töchter sichergestellt hat. Nüßlein bekäme 660 000 Euro zurück, die bei einer Firma von ihm arrestiert wurden, und hätte Anspruch auf weitere, noch nicht erhaltene 600 000 Euro.

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Andrea Tandler wiederum, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und Ex-Ministers Gerold Tandler, hätte für die Vermittlung von Verkäufen von Corona-Schutzkleidung vor allem an das Bundesgesundheitsministerium völlig legal zusammen mit einem Partner 48,3 Millionen Euro Provision kassiert. In all diesen Fällen ermitteln Staatsanwaltschaften vor allem wegen Korruptionsverdacht. Ein Ende dieser Untersuchungen im Verlauf des Jahres zeichnet sich nach dem jetzigen Stand der Dinge ab. Übrig blieben dann noch Steuerermittlungen. Aber die Provisionen selbst wären völlig legal gewesen.

Die Bundesanwaltschaft ist die Staatsanwaltschaft des Bundes; sie wird geleitet von Generalbundesanwalt Peter Frank. In einem aktuellen Verfahren beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe um Sauter und Nüßlein hat die Bundesanwaltschaft Partei ergriffen für die beiden ehedem führenden CSU-Politiker. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft verstoßen die Masken-Provisionen nicht gegen den Anti-Korruptionsparagrafen für Parlamentarier. Das geht aus einer 50-seitigen Stellungnahme der Bundesanwaltschaft von Ende Februar für den BGH hervor, der über diesen Fall entscheiden muss.

Schwere Rückschläge für die Münchner Generalstaatsanwaltschaft

Die Bundesanwaltschaft schließt sich Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) München vom November 2021 an. Das OLG hatte den Paragrafen 108e des Strafgesetzbuches (Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern) zugunsten von Sauter und Nüßlein so ausgelegt: Nach dem "eindeutigen Willen" des Bundestags sei es kein Gesetzesverstoß, wenn ein Abgeordneter die "Autorität seines Mandats" und seine Kontakte nutze, um Entscheidungen außerhalb des Parlaments zu beeinflussen. Der Paragraf 108e beziehe sich auf Vorgänge in den Parlamenten.

Sauter und Nüßlein hatten im März 2020, kurz nach Beginn der Pandemie, Maskenverkäufe der hessischen Textilfirma Lomotex an die Gesundheitsministerien in Bayern und im Bund sowie an das Bundesinnenministerium in Höhe von insgesamt knapp 63 Millionen Euro vermittelt. Nach Ansicht des OLG München und jetzt auch der Bundesanwaltschaft war das legal. Die beiden CSU-Politiker hatten sich beim OLG München größtenteils erfolgreich gegen Durchsuchungsaktionen und gegen die Arrestierung von Masken-Provisionen gewehrt.

Gegen die Entscheidungen des OLG hatte die in diesem Fall wegen Korruptionsverdacht ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft München Beschwerde beim BGH in Karlsruhe eingelegt. Dass die Bundesanwaltschaft als Staatsanwaltschaft des Bundes für Nüßlein und Sauter Stellung bezieht, ist ein schwerer Rückschlag für die Münchner Generalstaatsanwaltschaft. Damit wird es immer wahrscheinlicher, dass nach dem OLG München auch der BGH zu dem Ergebnis kommt, dass die Provisionen für Sauter und Nüßlein bei Geschäften mit Corona-Schutzmasken legal waren.

Sollte es so kommen, dann bliebe der Generalstaatsanwaltschaft München nichts anderes mehr übrig, als die Ermittlungen gegen Sauter, Nüßlein und andere Beschuldigte einzustellen. Eine Anklage, über die dann das OLG München und abschließend der BGH in Karlsruhe entscheiden müssten, hätte keine Aussicht mehr auf Erfolg.

Sauter und Nüßlein sind wegen ihren Maskenaffären allerdings ins politische Abseits geraten. Sauter musste die CSU-Landtagsfraktion verlassen und den Sitz im CSU-Vorstand sowie weitere Parteiämter aufgeben. Dem bayerischen Landtag gehört er aber weiter an. Nüßlein, zuvor Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, trat aus der CSU aus und verlor sein Mandat, weil er bei Neuwahl des Bundestags nicht mehr als Kandidat aufgestellt wurde.

Auch bei Gerold Tandlers Tochter Andrea geht es um Korruptionsverdacht. Und auch hier zeichnet sich nach dem derzeitigen Stand der Dinge ab, dass die in diesem Fall ermittelnden Staatsanwaltschaften in München und Berlin ihre Verfahren gegen Andrea Tandler und deren Partner Darius N. im Laufe des Jahres einstellen müssen, sollten sich keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse ergeben. Die Staatsanwaltschaft München I geht dem Verdacht der Geldwäsche nach.

Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht laufen noch

Die Ermittlungsbehörde glaubt, ein Teil der 48,3 Millionen Euro, die Andrea Tandler und ihr Partner erhielten, sei für Dritte bestimmt gewesen. Um mit Schmiergeld zu bewirken, dass das Bundesgesundheitsministerium für etwa 700 Millionen Euro Masken und andere Corona-Schutzkleidung bei der Schweizer Handelsfirma Emix gekauft hatte. Andrea Tandler und ihr Partner hätten zu diesem Zweck, so der Verdacht, Geldwäsche betrieben. Tandler hatte diese Deals vermittelt, das war über CSU-Kanäle gelaufen.

Das Landgericht München I hat inzwischen aber einer Beschwerde der Tandler-Tochter gegen eine Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft wegen des Geldwäscheverdachts stattgegeben. Aus Sicht der Gerichts genügten die Verdachtsmomente nicht für die Razzia. Für die Staatsanwaltschaft München I ist das ein Rückschlag; und indirekt ebenfalls für die Staatsanwaltschaft Berlin. Diese ermittelt in Zusammenhang mit den Maskendeals zwischen Emix und dem Bundesgesundheitsministerium wegen Korruptionsverdacht. Das richtet sich gegen Andrea Tandler und deren Partner sowie gegen Unbekannt. Gegen Emix-Verantwortliche wird in Deutschland nicht ermittelt.

Bislang gibt es allerdings keine Erkenntnisse, wem Schmiergeld hätte zufließen sollen. Eine rasche Einstellung der Ermittlungsverfahren ist aber trotz der Entscheidung des Landgerichts München I nicht zu erwarten. Die deutschen Ermittlerinnen und Ermittler wollen offenbar abwarten, was über den Weg der Rechtshilfe an Akten aus der Schweiz kommt. Das kann noch dauern. Sollten sich auch da keine neuen Erkenntnisse zum Geldwäsche- und Korruptionsverdacht in Deutschland ergeben, dann wäre eine Einstellung dieser Ermittlungsverfahren endgültig absehbar.

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