Razzien, sichergestelltes Vermögen, drohende Anklage wegen Schmiergeld-Verdacht: In der Maskenaffäre um Georg Nüßlein und Alfred Sauter hat es für die beiden langjährigen CSU-Abgeordneten lange Zeit schlecht ausgesehen. Jetzt haben Nüßlein und Sauter einen vorentscheidenden Sieg beim Oberlandesgericht (OLG) München errungen, der eine Anklage unwahrscheinlich werden lässt. Nüßlein und Sauter dürften straffrei ausgehen, und sie müssen ihre Masken-Honorare in Millionenhöhe zurückbekommen.
Das OLG hat Beschwerden gegen das Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft München stattgegeben und erklärt, die unter Beteiligung der beiden CSU-Politiker zustande gekommenen Maskendeals seien nach Einschätzung des Gerichts nicht strafbar. Das OLG verwies auf Paragraf 108e des Strafgesetzbuches (Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern). Nach dem "eindeutigen Willen" des Bundestags sei es kein Gesetzesverstoß, wenn ein Abgeordneter die "Autorität seines Mandats" und seine Kontakte nutze, um Entscheidungen außerhalb des Parlaments zu beeinflussen. Das sei so "hinzunehmen".
Das OLG rügt in seinen den Bundestag für dessen aus Sicht des Gerichts unzureichenden Schmiergeld-Paragrafen für Abgeordnete. Und es rügt Nüßlein und Sauter für deren Geschäfte, die den Demokratieverdruss fördern könnten. Bei den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München geht es um Masken-Lieferverträge vom März 2020 der hessischen Textilfirma Lomotex mit den Gesundheitsministerien in Bayern und im Bund sowie weiteren Abnehmern in Höhe von rund 60 Millionen Euro. Nüßlein und Sauter hatten geholfen, die Verträge zu vermitteln; Nüßlein im Bund und Sauter in Bayern.
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Nüßlein und Sauter haben nahezu auf ganzer Linie recht bekommen
Die Verteidiger der beiden CSU-Politiker und der übrigen Beschuldigten hatten von Anfang an erklärt, diese Geschäfte würden vom Paragrafen 108e nicht erfasst. Nüßlein und Sauter hätten als Bundestags- beziehungsweise Landtagsabgeordnete in ihren jeweiligen Parlamenten nichts für diese Maskendeals unternommen, sondern seien vielmehr bei den Gesundheitsministerien im Bund und in Bayern vorstellig geworden. Sie hätten also außerhalb ihrer Parlamente agiert.
Der Bundestag hatte 2014 den Schmiergeld-Paragrafen bei seiner Verabschiedung auf Vorgänge bei der "Wahrnehmung des Mandats" und in den Parlamenten beschränkt. Jetzt haben Nüßlein, Sauter und ihre Anwälte nahezu auf der ganzen Linie recht bekommen. Und sie haben Anspruch auf ihre zwischenzeitlich sichergestellten Masken-Honorare.
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Nüßlein hatte für die Vermittlung der Maskendeals über seine Beraterfirma Tectum 660 000 Euro kassiert, weitere 540 000 Euro sollten noch hinzukommen. Das wären dann insgesamt 1,2 Millionen Euro, wie bei Sauter. Dieser hatte über eine Firma seiner Töchter 1,2 Millionen Euro erhalten. Den Betrag stellte die Justiz im Rahmen der Ermittlungen sicher, ebenso wie die 660 000 Euro bei Nüßlein. Die betreffenden Arrestbeschlüsse hat das OLG München jetzt aufgehoben.
Die Masken-Vermittlergruppe um Nüßlein und Sauter, der auch der Geschäftsmann und frühere Konzernmanager Thomas Limberger angehört, sollte nach Erkenntnissen der Ermittler insgesamt mehr als elf Millionen Euro kassieren. Auch bei Limberger war ein Millionenbetrag sichergestellt worden; er saß wegen vermeintlicher Fluchtgefahr zwischenzeitlich sogar in Untersuchungshaft. Auch Limberger muss laut OLG seine hohen Masken-Honorare zurückbekommen. Zudem hat das OLG den bislang nur außer Vollzug gesetzten Haftbefehl aufgehoben.
Limbergers Anwalt Florian Ufer bezeichnete die OLG-Beschlüsse als "Triumph für den Rechtsstaat". Die Justiz müsse die vorhandenen Gesetze anwenden und könne nicht selbst neue Regeln schaffen. Das habe das OLG eindeutig klar gestellt. "Wenn einem ein Gesetz nicht gefällt, dann muss man es eben ändern." Die Justiz sei auch nicht der "Ethik-Rat der Gesellschaft", sagte Ufer.
Kann der Bundestag an seinen Schmiergeld-Regeln festhalten?
Für die Generalstaatsanwaltschaft München, die ein Exempel statuieren und einen Musterprozess wegen mutmaßlicher Abgeordnetenbestechung führen wollte, sind die insgesamt drei OLG-Beschlüsse zu Nüßlein, Sauter und Limberger eine herbe Niederlage. Die Ermittlungsbehörde kündigte an, beim Bundesgerichtshof (BGH) Beschwerde gegen die OLG-Beschlüsse einzulegen. Allerdings wird selbst in Kreisen von Juristen, die sich einen Musterprozess erhoffen, die Erfolgsaussicht einer solchen Beschwerde als sehr gering eingestuft.
Anders sind die politischen Folgen einzuschätzen. Das Votum des OLG wirft die Frage auf, ob der Bundestag an dem in solchen Fällen wirkungslosen Paragrafen 108e festhalten kann oder ob die Schmiergeldvorschriften für Parlamentarier völlig neu geregelt werden müssen. Bereits früher hatten Kritiker des 108e erklärt, dieser Paragraf sei untauglich beim Kampf gegen Korruption in Parlamenten.
Auch stellt sich die Frage, was nun in der CSU aus Sauter wird. Nach Beginn der Maskenaffäre war Sauter im März 2021 von der CSU-Spitze um Parteichef Markus Söder dazu gedrängt worden, seine Parteiämter niederzulegen und die CSU-Landtagsfraktion zu verlassen. In seiner Austrittserklärung an Fraktionschef Thomas Kreuzer schrieb Sauter damals, er sei überzeugt davon, dass die Vorwürfe sich als haltlos erweisen würden. Er wolle dann nach Abschluss des Verfahrens "wieder in die Fraktion aufgenommen werden".
Sollte Sauter tatsächlich ohne Strafe davonkommen, könnte das zu einer neuen Belastungsprobe für die CSU werden. Aus der CSU-Spitze hatte es im Frühjahr geheißen, "wir wollen das Kapitel Sauter abschließen". Falls Sauter in die Fraktion zurückdrängt, könnte es zwischen verschiedenen Lagern in der CSU zu neuen Diskussionen um den Umgang mit ihm kommen.
Dass Sauter in der CSU kampflos aufgibt, ist nicht zu erwarten. Er wird von seinem Kanzleipartner Peter Gauweiler in Zeitungsinterviews in Schutz genommen. Gauweiler hat zwar keine Führungsämter mehr in der CSU inne, er hat aber nach wie vor Einfluss und wird von Ortsverbänden gerne zu Veranstaltungen eingeladen.
Nüßlein hingegen ist aus der CSU ausgetreten und gehört auch nicht mehr dem Bundestag an. Die CSU hatte ihn nach Beginn der Maskenaffäre nicht mehr als Kandidaten aufgestellt.