Landtagswahl in Bayern:Waldkraiburg ist die Hochburg der Rechten

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  • Jeder Fünfte hat in Waldkraiburg die AfD gewählt.
  • Im Juli war die Stadt in die Schlagzeilen geraten, weil ein Streit um Kühlschränke in der Erstaufnahmeeinrichtung eskalierte.
  • Die AfD stellt im neuen Parlament 22 Abgeordnete, dort droht aber nun ein Streit um den Fraktionsvorsitz.

Von Matthias Köpf, Waldkraiburg

Im Landkreis Mühldorf am Inn, der für die Landtagswahl zugleich einen eigenen Stimmkreis bildet, schien am Sonntagabend lange Zeit alles klar zu sein: Die CSU trotz allem noch recht weit vorne, so wie eigentlich immer bisher, und die Grünen neuerdings unangefochten auf Platz zwei, so wie in Bayern insgesamt. Doch ein Teilergebnis fehlte noch, denn in der größten Stadt des Landkreises mit ihren 16 285 Stimmberechtigten wurde lange gezählt, obwohl die tatsächliche Wahlbeteiligung dort nicht einmal bei 60 Prozent lag. Erst kurz vor halb elf kamen die Zahlen, plötzlich waren die Grünen nur noch die drittstärkste Partei im Landkreis. Und die Stadt Waldkraiburg steht mit ihren 19,2 Prozent für die AfD wieder einmal als eine Hochburg der Rechten da.

Mit Erklärungen, warum in der Stadt praktisch jeder Fünfte AfD gewählt hat, waren die Politiker in Waldkraiburg schnell bei der Hand, nicht zuletzt der AfD-Stimmkreiskandidat Oliver Multusch selbst. Das "AfD-Sonderwahlergebnis" liege an der örtlichen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, sagte er dem Mühldorfer Anzeiger. Das Problem habe sich auf die ganze Stadt ausgebreitet, es gebe immer wieder Zusammenrottungen und Randale durch Flüchtlinge.

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Im Juni war Waldkraiburg in die Schlagzeilen geraten mit seiner Erstaufnahme in der Aussiger Straße, in der rund 400 Flüchtlinge lebten. Die Regierung von Oberbayern wollte die Kühlschränke abbauen lassen, die noch aus der Zeit stammen, als der ganze Komplex ein Wohnheim für Umschüler war. Unter einigen Bewohnern gab es Streit um einen der wenigen verbliebenen Kühlschränke, die Situation eskalierte, es gab Verletzte, die Polizei brauchte ein großes Aufgebot, um die Rädelsführer festzunehmen und die Lage zu beruhigen. Multusch stand damals bald gegenüber am Bürgersteig, später verbreitete die AfD Gründe für den Tumult, die sich als falsch herausstellten.

Auch nach diesen Vorfällen ist es in Waldkraiburg gelegentlich zu Auseinandersetzungen unter Flüchtlingen gekommen, teils auch unter größeren Gruppen und mitten in der Stadt. Erst Anfang Oktober hatte der zuständige Polizeipräsident aus Rosenheim zumindest zeitweise mehr Leute und die neuen Body-Cams für die örtliche Inspektion versprochen. Zugleich hatte er betont, dass die Stadt trotz der häufigeren Einsätze in der Erstaufnahme sehr sicher sei.

19,2 Prozent der Waldkraiburger Wähler haben trotzdem für die AfD gestimmt. 43,2 Prozent machten ihr Kreuz bei der CSU, alle andern Parteien blieben einstellig. Bei den Erststimmen holte der Direktkandidat Multusch in der Stadt Waldkraiburg sogar 19,7 Prozent, und das gegen den amtierenden Umweltminister Marcel Huber, der regelmäßig einer der christsozialen Stimmenkönige ist und für die CSU landkreisweit auch diesmal noch 48,2 Prozent der Erststimmen eingesammelt hat. Ebenfalls landkreisweit brachte es Multusch auf 12,4 Prozent.

Schon bei der Bundestagswahl bekam die AfD hier viele Stimmen

Doch AfD-Erfolge gibt es speziell in Waldkraiburg nicht erst seit der Landtagswahl. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr war die Partei in der Stadt mit 19,9 Prozent der Zweitstimmen sogar noch erfolgreicher. Auch damals hatten zur Erklärung schon alle auf die Erstaufnahme gezeigt, die es - mitsamt den Problemen in und um solche sehr großen Unterkünfte - schon seit 2015 gibt. Die Waldkraiburger Stadträte hätten das alles ohnehin gerne ein paar Nummern kleiner, aber die Staatsregierung besteht auf der Einrichtung, die inzwischen als Dependance des sogenannten Ankerzentrums in Manching geführt wird. Der Mietvertrag mit den Eigentümern läuft bis 2025.

Doch auch anderswo gibt es solche Dependancen, in Oberbayern etwa in Fürstenfeldbruck und in Garmisch-Partenkirchen, wo die AfD lokal auf 9,4 Prozent und auf 11,0 Prozent kam. Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren Erklärungsansatz für das Waldkraiburger AfD-Ergebnis, nämlich dem hohen Anteil von Spätaussiedlern. Die Russlanddeutschen seien tendenziell AfD-affin, zitiert die Lokalzeitung den örtlichen AfD-Mann Multusch, was sich mit statistischen Erkenntnissen aus der Bundestagswahl deckt. Doch auch hier gibt es Gegenbeispiele wie Geretsried, das ebenfalls eine eher schmucklose, in der Nachkriegszeit von Heimatvertriebenen aufgebaute oberbayerische Industriestadt mit vielen Spätaussiedlern ist und trotzdem nur zu 11,4 Prozent AfD gewählt hat. Traunreut fällt in dieselbe Kategorie, hier kam die AfD auf 12,2 Prozent. Womöglich hat also doch Waldkraiburgs Zweiter Bürgermeister und SPD-Sprecher Richard Fischer recht, dem die bisherigen Erklärungsversuche zu einfach sind.

Alleine sind die Stadt Waldkraiburg und mit ihr der ganze Landkreis Mühldorf als AfD-Hochburg ohnehin nicht. Auf Stimmkreisebene wurde die AfD am Sonntag auch anderswo zweitstärkste Partei: In Pfaffenhofen an der Ilm brachte sie es auf 12,9 Prozent der Gesamtstimmen, in Günzburg auf 14,1 Prozent, in Bamberg-Land auf 14,0 Prozent und in Passau-Ost auf 13,9 Prozent. Im niederbayerischen Stimmkreis Regen-Freyung-Grafenau liegt sie mit 16,2 Prozent zwar gleichauf mit den Freien Wählern, erhielt nach absoluten Zahlen aber genau acht Stimmen mehr.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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