Es ist nur ein Wörtchen, aber dieses Wörtchen verrät etwas über die Erwartungen der CSU an diese Landtagswahl in Bayern. Die CSU hat eine "Wahlparty" angekündigt, was Parteien eben tun, wenn eine Wahl ansteht. Und trotzdem, man stolpert über das Wörtchen, vor zwei Jahren war die Ankündigung ja anders. Vor der Bundestagswahl 2021 hatte die CSU gar nicht erst zur "Wahlparty" geladen, sondern zum "Wahlabend", ganz nüchtern. Dass es nichts zu feiern gibt, konnte jeder ahnen. Und so kam es dann auch. Die Gesichter waren lang, der Abend kurz.
Nein, auch diesmal rechnete kaum jemand in der CSU mit einem rauschenden Fest. Aber eine klitzekleine Party? Nun, nach der ARD-Hochrechnung um 21.44 Uhr sind die 36,4 Prozent, die dort stehen, zwar besser als die Umfragen der CSU wochenlang prophezeit hatten. Aber auch schlechter als die 37,2 Prozent bei der Bayern-Wahl 2018, dem schwächsten Ergebnis der Partei seit 1950. Zumindest eines kann man am späten Sonntagabend sehr sicher festhalten: Ein überzeugender Wahlsieg ist CSU-Chef Markus Söder wieder nicht gelungen.
"Es ging uns nie um einen Schönheitspreis, aber um einen klaren Regierungsauftrag", sagt Söder auf der CSU-Wahlparty im Landtag. Der Beifall ist freundlich, nicht euphorisch. Er wolle "noch in dieser Woche" mit den Freien Wählern (FW) über eine Fortsetzung der Koalition sprechen. Immerhin, die "Fieberkurve aus Solidarität", die Söder für die FW nach der Flugblatt-Affäre um deren Vorsitzenden Hubert Aiwanger gemessen hatte, hat sich ausweislich der Hochrechnungen etwas gelegt. Wenigstens eine kleine Freude für Söder und die Christsozialen.
Die FW-Umfragekurve war zeitweise auf 17 Prozent gestiegen, bei der ARD-Hochrechnung um 21.44 Uhr sind es 15,3 Prozent. Drei Stunden zuvor, als die FW-Prognose noch bei rund 14 Prozent liegt, spricht CSU-Chef Söder von einem "fulminanten Schlussspurt" seiner Partei. Dieser Spurt habe die Verhältnisse "wieder vernünftig gerade gerückt". Söder hat inzwischen ja einige Übung darin, enttäuschende Ergebnisse als Erfolg auf den letzten Wahlkampfmetern zu verkaufen. Mehr als Beifall gibt es aber nicht auf der CSU-Party, als um 18 Uhr die ersten Zahlen aufleuchten. Den Jubel gibt es für die drei Prozent der FDP - und das gute Wahlergebnis der CDU in Hessen.
Wer noch Entscheidungshilfe brauchte, dem war Markus Söder am Freitagabend ein letztes Mal zur Hand gegangen, bei der CSU-Wahlkampfabschlussfeier im Münchner Löwenbräukeller. Dort hatte er denen, die mit den FW liebäugelten, noch mal die CSU schmackhaft gemacht. "Wir sind die Bratwurst und die das Kraut", sagte Söder. Sich selbst als Wurst zu bezeichnen, konnte man mutig finden. Am frühen Wahlabend liegt auf dem Bayern-Teller immerhin mehr Wurst und etwas weniger Kraut, als zuletzt erwartet worden war. Unterm Strich aber hat sich das Gewicht zwischen CSU und FW verschoben - zugunsten des kleineren Koalitionspartners, der Partei von Hubert Aiwanger.
"Am Ende kommt es auf den Ministerpräsidenten an", so oder ähnlich hatte es Markus Söder in den vergangenen Wochen immer wieder gesagt - womit der CSU-Vorsitzende sich einigen Spielraum nahm, die Verantwortung für eine mögliche Wahlniederlage irgendwo anders abzuladen als bei sich selbst. Und dass er die bayerische Landtagswahl früh als "Schicksalswahl" tituliert hatte, konnte man sowohl auf die CSU münzen als auch auf ihn höchstpersönlich. Nicht ohne Grund betont er am Wahlabend seine Persönlichkeitswerte in Umfragen, die stets besser waren als die Werte der CSU insgesamt.
Und was könnten 36,4 Prozent nun für die Frage bedeuten, ob Söder noch mal mitlaufen darf im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union? Vor der Wahl schien die Ausgangslage fest umrissen. Würde die CSU deutlich unter den 37,2 Prozent der Landtagswahl 2018 bleiben, wären seine Kanzlerchancen ziemlich dahin. Würde er das Ergebnis steigern, vielleicht sogar markant, wären seine Chancen entsprechend gewachsen. Am Sonntagabend, gegen 21 Uhr, sieht es eher danach aus, als bekämen Söders Kanzlerkandidatenchancen einen Dämpfer. Auch deshalb, weil die CDU bei der Landtagswahl in Hessen kräftig zulegt. Von einem "sensationellen Ergebnis" spricht CDU-Chef Friedrich Merz - und meint den hessischen CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein.
Trotzdem, in der CSU muss Söder eher kein Misstrauensvotum fürchten. Dafür ist das Ergebnis nicht schlecht genug. Und für die kniffligen Umstände nach der Aiwanger-Affäre machen ihn nicht mal seine größten Kritiker in der CSU haftbar. Die Unzufriedenheit seiner Leute dürfte Söder dennoch zu spüren kriegen. Man habe "wieder verloren", sagt Ilse Aigner noch am Wahlabend der SZ. Die Landtagspräsidentin und Chefin des mächtigsten CSU-Bezirksverbands in Oberbayern findet, man müsse nun "darüber reden", weshalb das Potenzial der CSU immer mehr "in andere Kanäle geht".
Bleibt noch die Frage, was Söder nach der Wahl von Aiwanger zu befürchten hat, der schon vorher offensiv formuliert hat, dass seine Partei mehr Macht haben möchte in einer Koalition. Der Drang, ein Ministerium abzugeben, ist in der CSU logischerweise sehr überschaubar.
Am Wahlabend sagt Aiwanger, dass er Wirtschaftsminister bleiben möchte. Doch in der CSU ist die Lust spürbar, ihm wenigstens das Amt des Vizeministerpräsidenten zu verweigern. Ein Mann, der als Schüler ein rechtsextremistisches Flugblatt in der Tasche hatte, könne dieses hohe Staatsamt nicht bekleiden, heißt es. Ein echtes Druckmittel fehlt der CSU allerdings. Und dass der FW-Chef von sich aus verzichtet, ist schwer vorstellbar. Es gebe mit den FW "noch einiges aufzuarbeiten" in den Koalitionsverhandlungen, sagt CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Sonntagabend der SZ. Er gilt als Favorit für den Posten des neuen Landtagsfraktionschefs. Ähnlich formuliert es Markus Blume, CSU-Wissenschaftsminister. Das Problem: Aiwanger sieht keinerlei Klärungsbedarf mehr nach der Flugblatt-Affäre. Das macht er am Wahlabend im Bayerischen Fernsehen sehr deutlich.
Der Wahlkampf mag zwar vorbei sein. Der Machtkampf zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger könnte nun aber erst richtig losgehen.