Kriminalität:Debatte über die Rolle von Geflüchteten bei Anstieg von Straftaten

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Die Fälle von Gewaltkriminalität stiegen 2022 in Bayern um 4,7 Prozent auf 21 579. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Im Innenausschuss diskutieren die Parteien kontrovers, woran die Zunahme der Kriminalitätsrate liegt. Während die CSU illegale Migration in den Blick nimmt, legen die Grünen den Fokus auf Integrationshemmnisse.

Von Johann Osel

Die Grünen werfen der Staatsregierung vor, Straftaten von Zuwanderern mit einem unangebrachten Zungenschlag in den Fokus zu rücken. Florian Siekmann (Grüne) sagte am Mittwoch im Landtag, Innenminister Joachim Herrmann (CSU) würde "die falschen Fragen aufzählen, um wirklich zu mehr Sicherheit in Bayern zu kommen". Zuvor hatte der Innenausschuss über die am Montag veröffentlichte polizeiliche Kriminalstatistik diskutiert, kurz PKS. Herrmann sagte am Montag, diese mache "deutlich, dass sich die unkontrollierte Zuwanderung auch negativ auf die Sicherheitslage auswirkt". Er verknüpfte dies mit einem Appell an die Bundesregierung für einen "grundlegenden Kurswechsel in der Asylpolitik". Die CSU im Innenausschuss attestierte den Grünen wiederum den Versuch, Ausländerkriminalität zu verharmlosen.

Die Gesamtzahl der Straftaten ist laut PKS 2023 im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. Das ist unter anderem auf einen deutlichen Zuwachs bei Ladendiebstählen zurückzuführen (plus 19,5 Prozent auf 42 449 Delikte), die Fälle von Gewaltkriminalität stiegen um 4,7 Prozent auf 21 579. Von allen Tatverdächtigen bei allen Delikten waren knapp 40 Prozent Ausländer. Innerhalb dieser Gruppe wiederum wuchs die Zahl der "Zuwanderer" - der Begriff meint Personen im Kontext von Asyl und Flucht - gegenüber 2022 um 20,5 Prozent auf 32 037 Menschen; währenddessen war die Zahl der Schutzsuchenden binnen eines Jahres nur um neun Prozent angestiegen, so der Minister. Bei 3517 Fällen von Gewaltkriminalität waren die Tatverdächtigen Zuwanderer, ein Plus von 12,3 Prozent.

Die Hälfte der Opfer in diesen Fällen waren selbst Zuwanderer, bei einem Viertel waren Asylunterkünfte der Tatort. Gewaltkriminalität umfasst vor allem Tötungsdelikte, gefährliche und schwere Körperverletzung, Raub und räuberische Erpressung sowie Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung.

"Keine Frage, jede Gewalttat ist eine zu viel", sagte Grünen-Politiker Siekmann im Innenausschuss, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist. Die Steigerungen bei den Delikten von Zuwanderern kämen aber eben nicht überwiegend durch Gewaltkriminalität, sondern etwa wegen Diebstahls oder Schwarzfahrens. Dies seien Straftaten, die sich nicht so stark auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung auswirkten, es seien "Armutsdelikte", die man durch bessere Perspektiven für Asylsuchende wie Arbeitserlaubnisse "vermeiden" könne. Hinzu komme die Tatsache, so Siekmann, dass viele Gewaltdelikte durch die räumliche Enge und die Konfliktpotenziale in Großunterkünften ausgelöst würden. Insofern wolle er die Schwerpunktsetzung des Innenministers bei dessen Pressekonferenz am Montag korrigieren.

Florian Siekmann (Grüne) ist stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Widerspruch kam von den Koalitionsfraktionen. "Ich kann's nicht akzeptieren, dass das alles weich geredet wird", sagte Holger Dremel (CSU) an Siekmanns Adresse. Es sei "genau richtig", dass der Minister die Verbindung zwischen Zuwanderung und dem Anstieg von Straftaten dargestellt habe, "das muss man auch sagen dürfen". Es dürfe nicht sein, dass bei "überbordenden Ladendiebstählen" Inhaber irgendwann keine Anzeige mehr erstatteten. Ähnlich hatte sich dieser Tage auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern geäußert: Täter-Gruppierungen müsse man "klar benennen", die Durchsetzung des Rechtsstaates "beginnt im Kleinen". Alfred Grob (CSU) ergänzte, er habe da wohl ein "grundlegend anderes Rechtsverständnis" als die Grünen.

Der Innenausschuss debattierte am Mittwoch lebhaft, aber sachlich über die Auswirkungen von Migration auf Kriminalität. In den Augen von Wolfgang Hauber (FW) darf es ein Weiter-so in der Asylpolitik "schon aus sicherheitspolitischen Gründen nicht mehr geben". Richard Graupner (AfD) sagte, man müsse dem Minister "dankbar sein, dass er das in diesem Jahr erstmals wieder so deutlich angesprochen hat". Christiane Feichtmeier (SPD) sprach wie Siekmann die Asyl-Großunterkünfte als Problem an. Sie hatte nach der Veröffentlichung der PKS dem Minister "Verquickung von CSU-Migrationspolitik und Kriminalitätsbekämpfung" vorgeworfen, es dürfe keinen "Generalverdacht" aufgrund von Herkunft geben.

Besorgt zeigte sich der Innenausschuss über die Zunahme von Gewaltdelikten an bayerischen Schulen. 2022 wurden noch 554 Fälle registriert, vergangenes Jahr waren es 690. Der Trend zeigt sich bundesweit, ist aber offenbar keineswegs verteilt über den ganzen Freistaat zu erkennen. Der bayerische Polizeipräsident Michael Schwald, der den Abgeordneten die PKS erläuterte, sagte: Schon jetzt tue die bayerische Polizei sehr viel in dem Bereich, präventiv wie repressiv. Noch stünden Analysen von Details und zu den Ursachen aus, man werde zum Beispiel "Brennpunktschulen lokalisieren" und dort verstärkt Präventionsprogramme anbieten.

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