Angesichts der dramatisch steigenden Corona-Infektionszahlen ruft Bayern erneut den landesweiten Katastrophenfall aus. Ministerpräsident Markus Söder habe aufgrund "der aktuellen besorgniserregenden Situation in der Corona-Pandemie die Feststellung des Katastrophenfalls ab dem 11. November 2021 angeordnet", teilte die Staatskanzlei am Mittwoch mit. Das formelle Feststellen des Katastrophenfalls ermögliche eine koordinierte und strukturierte Vorgehensweise aller im Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden, Dienststellen und Organisationen. Erhöhten landesweiten Koordinierungsbedarf sieht die Staatsregierung nach eigenen Angaben derzeit speziell "bei der Belegung der Intensivbetten und der Verlegung von Patienten aus überlasteten Kliniken".
Zudem wäre es im Katastrophenfall leichter, die Bundeswehr zu Unterstützungseinsätzen zu rufen. So hatten Soldaten im Lauf der Pandemie beispielsweise schon in verschiedenen, von Corona besonders betroffenen Heimen in der Pflege ausgeholfen. Für die Hilfe bei der Kontaktverfolgung Infizierter, wie sie die Bundeswehr inzwischen wieder in mehreren bayerischen Landkreisen leistet, war dagegen kein formeller Katastrophenfall nötig.
Unabhängig von solchen amtliche Definitionen steigen die Infektionszahlen in Bayern weiter an. Der niederbayerische Landkreis Rottal-Inn liegt mit einer inzwischen vierstelligen Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit an der Spitze. Das Robert-Koch-Institut meldete für die Region im Südosten Bayerns am Mittwoch einen Inzidenzwert von 1104,3. Im Vergleich zum Vortag waren demnach 432 neue Fälle hinzugekommen. "Die Zahlen sind einfach so hoch und wir wissen nicht, warum", sagte eine Sprecherin des Landratsamt in Pfarrkirchen.
Auch andernorts im Freistaat breitet sich das Coronavirus stark aus. Allein neun bayerische Landkreise führen deutschlandweit die Liste der Regionen an, in der sich binnen einer Woche pro 100 000 Einwohner besonders viele Menschen neu mit Corona angesteckt haben. Nur noch knapp unter 1000 lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch im Landkreis Traunstein. In den Landkreisen Dingolfing-Landau, Miesbach, Regen, Berchtesgadener Land und Oberallgäu wurde die Marke von 800 überschritten, in Mühldorf am Inn und Bad Tölz-Wolfratshausen lag sie knapp darunter. Für ganz Bayern betrug die Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch laut Robert-Koch-Institut 395,8.
Der hohe Wert bringt vielerorts die Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenze, die Klinik-Ampel steht für ganz Bayern auf Rot. So waren am Mittwoch laut dem maßgeblichen Divi-Intensivregister in mehr als der Hälfte der 96 Kreise und größeren Städte Bayerns nur noch weniger als zehn Prozent der Intensivbetten frei. 21 Kommunen meldeten, dass die Intensivstationen bis auf das letzte Bett voll belegt seien. Landesweit waren 653 Covid-Patienten in Intensivbehandlung, gut 130 mehr als vor einer Woche und rund doppelt so viele wie noch vor drei Wochen. Im landesweiten Schnitt sind knapp 91 Prozent der Intensivbetten belegt.
Angesichts der Lage in den Kliniken wurden am Mittwoch mehrere öffentliche Veranstaltungen abgesagt. So muss in der Stadt Rosenheim die Gedenkfeier zum bevorstehen Volkstrauertag sowie der beliebte Christkindlmarkt ausfallen. Diese Entscheidung sei ihm "überaus schwer gefallen", sagt OB Andreas März. Wer aber erlebe, wie die Pflegekräfte im örtlichen Klinikum "bis zur Grenze der Erschöpfung und nicht selten auch darüber hinaus um das Leben von Covid-Patienten kämpfen, kann nicht zu einer anderen Entscheidung kommen". Er könne und wolle nicht verantworten, dass aufgrund einer möglichen Überlastung der Intensivstationen Triage-Entscheidungen erforderlich würden, also Ärzte vor der Wahl stünden, entweder den einen oder den anderen Patienten zu behandeln. Auch im Landkreis Miesbach werden in diesem Jahr keine Advents- und Weihnachtsmärkte stattfinden. Angesichts der Infektionszahlen sagte Landrat Olaf von Löwis am Mittwoch alle Veranstaltungen ab. Selbst mit strengen Hygienekonzepten seien solche Märkte nicht zu verantworten, teilte Löwis mit.
Die aktuelle Entwicklung hat nun auch Auswirkungen auf den Landtagsbetrieb. In Plenarsitzungen gilt von sofort an auch die 3-G-Regel - die Abgeordneten und alle anderen Anwesenden müssen also geimpft, genesen oder negativ getestet sein.