Kommunalwahl in Bayern:Das Ende der alten Farbenlehre

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(Foto: N/A)

Nicht nur in den Städten, auch in ländlichen Kommunen lösen sich die traditionellen Lager auf. Für CSU und SPD geht es seit Langem bergab, neue Kräfte drängen vor. Die Datenanalyse zur Kommunalpolitik im Freistaat.

Von Sebastian Beck

Kommunalpolitik hat in Bayern auf dem Land früher mal ganz einfach funktioniert: Im Gemeinderat oder Kreistag wurde gestritten und dann abgestimmt. Gewonnen hat immer die CSU. "Wer an eine Partei in Bayern denkt, dem fällt die CSU ein", jubelte einst der Strauß-Intimus und Bayernkurier-Chef Wilfried Scharnagl. Seine Partei dominierte die politischen Ebenen vom Landtag bis hinunter ins kleinste Dorf. Hier und da gab es auf der Landkarte ein paar kleine Farbsprengsel im schwarzen Einerlei.

Die alte Herrlichkeit der CSU ist längst vergangen. Wer an eine Partei in Bayern denkt, der denkt inzwischen auch an die Grünen oder an die Freien Wähler. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich bei den Kommunalwahlen am 15. März ein langjähriger Trend fortsetzen: Die Volksparteien CSU und vor allem SPD werden weiter verlieren, die Sozialdemokraten könnten sogar fast völlig von der politischen Bühne verschwinden.

Der Niedergang der Volksparteien wird heftig diskutiert. Was aber oft übersehen wird: Im Freistaat hat er auf dem Land schon in den Siebzigerjahren begonnen. Die Grafiken des Landesamts für Statistik zeigen: Die SPD hatte in Städten, Kreistagen und Gemeinderäten 1972 ihren Zenit erreicht, die CSU 1978. In der Ära Stoiber ging es mit der CSU noch einmal leicht bergauf, zur einstigen Stärke konnten die Schwarzen aber nicht mehr zurückfinden.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Über Jahrzehnte dominierte die CSU den sogenannten vorpolitischen Raum ganz alleine. Feuerwehren, Schützen, Fußballvereine, ja sogar Pfarrgemeinderäte oder Verschönerungsvereine - in all diesen Organisationen hatte die CSU ihre Leute sitzen. Die SPD beherrschte zumindest Gewerkschaften und Sozialverbände und führte ein bequemes Nischendasein.

Diese Zweiteilung der politischen Lager endete in den Achtzigerjahren, als freie Wählergruppen und Grüne ihren Aufschwung nahmen. Die traditionellen Milieus begannen sich auch auf dem Land aufzulösen, mit ihnen schwand die Bindungskraft von SPD und CSU. Vor allem von der CSU wurden die Grünen lange als ein vorübergehendes Phänomen und "Ein-Generationen-Partei" missdeutet. Aus Sicht der CSU ein fataler Irrtum. Mit ihren Umweltthemen drängen die Grünen inzwischen aus den Städten und den Speckgürteln hinaus aufs Land. Und nicht nur das: Selbstbewusst wie einst die CSU, diktieren die Grünen inzwischen, was moralisch geboten zu sein scheint und was nicht. SPD und CSU haben dem in der Kommunalpolitik wenig eigene Ideen entgegenzusetzen. Verschärft wird die Konkurrenzsituation durch die freien Wählerlisten, die sich überall bilden. Sie sind oft Special-Interest-Gruppen, die aus Bürgerinitiativen hervorgehen.

Auch das Land wird bunt und vielfältig - so lautet die positive Umschreibung der Entwicklung. Der Egoismus einzelner Gruppen nimmt selbst auf dem Dorf zu - das ist die pessimistische Lesart. Die AfD, das am Rande, kann anders als in den ostdeutschen Bundesländern in den Kommunen nur schwer oder überhaupt nicht Fuß fassen. Die Ablehnung von Migration reicht als einziger Programmpunkt auf dem Dorf nicht aus.

Eins hat sich in Bayern allerdings nicht verändert: Die Kommunalpolitik wird immer noch von Männern dominiert.

Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass sich insbesondere die CSU mit der Besetzung von Spitzenposten durch Frauen so schwertut. Die erste Landrätin Bayerns, Paula Volkholz, wurde 1970 im Landkreis Kötzting für die Bayernpartei gewählt.

Bis heute aber mangelt es am weiblichen Nachwuchs von unten. Von den 71 Landräten sind gerade einmal fünf Frauen, daran wird sich auch nach der Kommunalwahl am 15. März wenig ändern. Die Größe des Gemeinderats bemisst sich nach der Einwohnerzahl. Die kleinstmögliche Einheit sind acht Räte bei Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern.

Acht Freunde: In Balderschwang gibt es einen harmonischen Mini-Gemeinderat

In Balderschwang im Oberallgäu, der zweitkleinsten Gemeinde Bayerns, wohnen gerade einmal 353 Menschen. Bürgermeister Konrad Kienle (CSU) findet sein achtköpfiges Gremium genau richtig: "Das ist die ideale Größe, um effektiv zu arbeiten." Jeder könne sich gut einbringen und man gehe respektvoller miteinander um, weil man viel enger aufeinandersitze.

Zu klein für Streit: Balderschwangs Bürgermeister Konrad Kienle (3.v.li.) und sein Gemeinderat. (Foto: privat)

"Bei uns steht der Mensch im Vordergrund, nicht die Partei," sagt Bürgermeister Kienle. Das bestätigt auch Gemeinderat Marc Traubel (CSU): "Die Einigkeit, die bei uns besteht, ist beispiellos. Ein harmonisches Miteinander." Und Gemeinderätin Anke Lässer (CSU) ergänzt: "Je mehr Meinungen, desto schwieriger."

Hinweise: In einer früheren Fassung wurde die erste Landrätin Bayerns, Paula Volkholz, irrtümlich der CSU zugeordnet. Zudem hat die Grafik "Die Spitzenposten in Männerhand" offenbar zu Irritationen geführt, weil sie für ganz Bayern gerade einmal vier Landräte der Freien Wähler (FW) auflistet. Der FW-Landesverband Bayern spricht hingegen von aktuell zwölf Landräten. Der Grund für diese Diskrepanz: Die SZ hat für die Grafik die offizielle Zählweise des Landesamtes für Statistik übernommen. Die Bewerber der Freien Wähler werden dabei nur dann unter "Freie Wähler" erfasst, wenn der Wahlvorschlag die Landesvereinigung Freie Wähler Bayern ist. Alle anderen Freien Wähler werden entweder als Wählergruppe oder als gemeinsamer Wahlvorschlag erfasst.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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