Cyberkriminalität:Nah - und doch so fern

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Mehr als 1700 Bitcoins hat die Staatsanwaltschaft 2013 von einem Kriminellen beschlagnahmt. (Symbolbild) (Foto: REUTERS)

Die Staatsanwaltschaft Kempten hat 2013 Bitcoins im Wert von mehr als 50 Millionen Euro beschlagnahmt. Doch der Überführte schweigt bis heute zum Passwort.

Von Florian Fuchs, Kempten

Mit 53 Millionen Euro könnte der Freistaat einiges anfangen. Die eine oder andere Corona-Hilfe ließe sich beispielsweise finanzieren, doch daraus wird vorerst nichts. Theoretisch hat die Staatsanwaltschaft Kempten das Vermögen zwar sichergestellt. Praktisch kommt die Behörde aber nicht ran ans Geld: Etwas mehr als 1700 Bitcoins befinden sich im Besitz der Staatsanwaltschaft, 2013 von einem Kriminellen beschlagnahmt. Der Mann rückt allerdings bis heute nicht das Passwort heraus.

Es ist gar nicht mal so selten, dass bayerische Staatsanwaltschaften Bitcoins oder andere Kryptowährungen beschlagnahmen, die gerade bei Cyberkriminellen beliebt sind. So hat etwa die Zentralstelle Cybercrime Bayern mit Sitz in Bamberg in Zusammenarbeit mit der Landesjustizkasse im Jahr 2018 verschiedene Kryptowährungen im Gesamtwert von mehr als zwölf Millionen Euro verkauft. Im Kemptener Fall schaffte es die Staatsanwaltschaft, immerhin an 86 der insgesamt 1800 beschlagnahmten Bitcoins heranzukommen - rund 500 000 Euro waren das vor zwei Jahren für die Staatskasse.

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Dabei hatten die Bitcoins bei der Sicherstellung vor sieben Jahren gar keinen großen Gegenwert, erst in den folgenden Jahren machte die Kryptowährung große Kurssprünge. Ein damals 29-Jähriger war aufgeflogen, eine Schadsoftware erstellt zu haben, die als Musik- oder Filmdatei getarnt war und sich über das Internet verbreitete. Mehr als 300 000 Internetnutzer infizierten ihre Computer damals mit dem sogenannten Trojaner.

Der Allgäuer schaltete die Computer unbemerkt von den Eigentümern zu einem Botnetz zusammen: Er steuerte sie also für seine Zwecke und nutzte ihre Rechenleistung für die Erzeugung von Bitcoins - auch Bitcoin Mining genannt. Das Landgericht Kempten verurteilte den Mann 2014 wegen Datenveränderung, Ausspähens von Daten und Computerbetrugs zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft. Das Passwort der digitalen Münzen, die meist in Wallets, also digitalen Geldbörsen, hinterlegt sind, verriet er auch nach seiner Entlassung aus der Haft nicht.

Oberstaatsanwalt Sebastian Murer erläutert, dass die Staatsanwaltschaft die Vollstreckungsbehörde sei. Ein Gericht klärt, ob sichergestellte Waren zu Geld gemacht werden. Bei einem Schuldspruch gilt, dass sich eine kriminelle Tat nicht lohnen soll: Stellt die Strafverfolgungsbehörde also Autos, teure Uhren oder eben Kryptowährung sicher, kommt der Erlös aus den Verkäufen der Staatskasse oder Geschädigten zugute. Meist werden die Gegenstände versteigert, die Staatsanwaltschaft ist angehalten, als Erlös den Verkehrswert eines beschlagnahmten Guts zu erwirtschaften. Auch im Fall der rund 1700 Bitcoins mit einem aktuellen Gegenwert von 53 Millionen Euro gibt Murer die Hoffnung nicht auf: "Wer weiß, ob sich durch Ermittlungen irgendwann nicht doch noch etwas ergibt."

Derweil muss sich das Staatssäckel mit dem Erlös von 740 000 Euro aus dem jüngsten Verkauf von 64 Bitcoins Ende des vergangenen Jahres begnügen. Im Ermittlungskomplex "Hydra" hatten die Zentralstelle Cybercrime in Bamberg und das Zollfahndungsamt in München zwei Beschuldigte festgenommen, die illegale und nicht zugelassene Arzneimittel containerweise in Asien beschafft und über ein Drehkreuz in Singapur weltweit im Postverkehr weiter versendet haben sollen. Neben der Kryptowährung beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft auch Luxusgüter: drei hochwertige Sportwagen, teure E-Bikes sowie mehrere hochwertige Uhren.

© SZ vom 05.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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