Jazz-Festival:Farbe bekennen

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Die Londoner Trompeterin Laura Jurd kommt mit ihrer Band in die Wackerhalle. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Die 53. Internationale Jazzwoche Burghausen reagiert auf die Kritik an den Vorjahren und überrascht mit einem ambitionierten Programm.

Von Oliver Hochkeppel

An der Internationalen Jazzwoche Burghausen, einem der ältesten und wichtigsten europäischen Jazzfestivals, ist die Kritik in den vergangenen Jahren immer lauter geworden: Dass man wegen einer immer populistischeren Ausrichtung, dem Ausblenden aktueller Entwicklungen und auch mangelnder fachlicher Kompetenz immer mehr an Bedeutung in der Szene verliere. Die veranstaltende IG Jazz scheint sich das nun zu Herzen genommen zu haben. Das Programm der 53. Ausgabe vom 12. bis 18. März klingt jedenfalls so jung, spannend und - ohne in reinen Pop abzugleiten - vielfältig wie lange nicht mehr.

Wie seit nun schon 14 Jahren beginnt die Jazzwoche gewissermaßen mit einem Prolog: mit dem Burghauser Europäischen Nachwuchs-Jazzpreis. Der Wettbewerb im Stadtsaal hat sich zu einem - meist lange vorher ausverkauften - Höhepunkt und Markenzeichen des Festivals entwickelt. Heuer hat die Jury bei der Blindfold-Vorauswahl (also ohne zu wissen, wen sie hört) zum ersten Mal keine deutsche Band erwischt. Die fünf Kandidaten kommen aus Norwegen, Polen, Ungarn, Italien und den Niederlanden.

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Die Gewinner spielen dann als Opener des Eröffnungskonzerts in der Wackerhalle mit dem Foursight Quartet des 86-jährigen Bassisten und Burghausen-Veteranen Ron Carter, einer der letzten lebenden Legenden des Modern Jazz. Schön, wie sich da also Zukunft und Vergangenheit begegnen. Noch schöner, dass es dann erst einmal mitten in die Gegenwart geht. Denn sowohl die elfköpfige, für ihr "The Big Friendly Album" gegründete Band der Londoner Trompeterin Laura Jurd wie das Orjazztra Vienna des österreichischen Komponisten Christian Muthspiel, die sich am Donnerstag die Wackerhallen-Bühne teilen, gehören zum derzeit Angesagtesten, was große Besetzungen angeht.

Am Freitag öffnet man die Fenster besonders weit. Der Schweizer Posaunist Samuel Blaser überführt mit "Routes" seine Reggae-Leidenschaft in den Jazz, und der aus Nigeria stammende Sänger und Gitarrist Keziah Jones zelebriert seinen "Blufunk", einen auf Blues und Funk gründenden Afrojazz. Neu ist, dass es auch schon am Freitag eine Alternative zur Wackerhalle gibt: Im JUZ Jugendzentrum spielen parallel zuerst das FEH-Quintett der jungen Sängerin Julia Fehenberger, das es mit seinem Trip-Hop- und Dubstep-Transport in den aktuellen Jazz als nächste bayerische Band ins größere Rampenlicht schaffen könnte. Und dann das wilde, junge, aus Musikern und Musikerinnen aller Genres zusammengestellte finnische Oktett Rosettes der Sängerin und Keyboarderin Tytti Roto.

Die Qual der Wahl hat man mehr denn je am Samstag. Der Nachmittag gehört wie gewohnt noch ganz dem Blues. Die in Nigeria aufgewachsene, seit 16 Jahren in der Schweiz lebende Sängerin Justine Lee Brown und der 25-jährige amerikanische Shooting-Star D.K. Harrell an Gitarre und Mikro haben als markante Blues-Geschichtenerzähler die Wackerhalle schon jetzt nahezu ausverkauft.

Ungewöhnlich und mitreißend: die kubanische Cellistin und Sängerin Ana Carla Maza. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Abends darf man dort mit der in Paris ausgebildeten, in Spanien lebenden kubanischen Cellistin und Sängerin Ana Carla Maza eines der ungewöhnlichsten, mitreißendsten und im Internet auch schon populärsten jungen Jazz-Geschöpfe bewundern. Bevor der Jazz beim Aufeinandertreffen von 13 Black Lives - From Generation to Generation auch mal wieder Farbe bekennt: Das Projekt mit so unterschiedlichen Größen wie Christie Dashiell, Gregory Privat, Federico Gonzalez Peña, David Gilmore, Reggie Washington oder Marcus Gilmore entstand 2020 unter dem Eindruck des Todes von George Floyd und des wiedererstarkenden Rassismus. Und beschäftigt sich mit dieser schwärenden Wunde, ohne beim musikalischen Ausdruck Abstriche zu machen.

Zeitgleich sind im Stadtsaal mit dem Kölner A-Cappella-Quartett Of Cabbages And Kings (einer ihrer ersten großen Auftritte war beim Burghauser Nachwuchspreis) und der Monika Roscher Bigband einheimische und sehr genussvolle Avantgardisten zu Gast. Danach geht es wie gewohnt zur Jazznight mit zehn Bands in die Lokale der Altstadt. Der Abschluss am Sonntag im Stadtsaal steht wieder unter dem Motto "Next in Jazz". Mit den Jazzrockern Phalanx des Malstrom-Gitarristen Axel Zajac, der Band des neuen Londoner Saxofon-Wunders Emma Rawicz und den Münchner Multimedia-Indie-Pop-Improvisatorinnen von SiEA, stimmt es diesmal auch.

Das Herz des Festivals wird nicht zuletzt wieder bei den diesmal vom Joe Webb Klaviertrio geleiteten Late-Night-Sessions im Jazzkeller des Mautnerschlosses schlagen. Und auch eine neue Bronzetafel wird gleich am Eröffnungstag wieder in der "Street of Fame" in den Grüben verlegt. Für seine Auftritte bei der Jazzwoche wird der vor einem Jahr gestorbene Wayne Shorter geehrt. Es mag nur noch wenige lebende Jazzer geben, bei denen man vor einem Denkmal in Ehrfurcht erstarrt. Dafür umso mehr, die einem im Konzert die Gehörgänge freipusten. Quod erat demonstrandum.

53. Internationale Jazzwoche Burghausen, Dienstag bis Sonntag, 12. bis 18. März, www.b-jazz.com

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