Kunst in der NS-Zeit:Künstlerkreis im Zwielicht

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"Frauenchiemsee" heißt dieses Gemälde, das Constantin Gerhardinger, Mitglied der "Frauenwörther", im Jahr 1922 gemalt hat. (Foto: Heimatmuseum Prien)

Vor hundert Jahren begann eine Gruppe von Malern auf der Fraueninsel Ausstellungen zu organisieren. Manche von ihnen machten unter den Nazis Karriere, andere verweigerten sich. Eine Schau in Prien will nun eine kritische Auseinandersetzung anstoßen.

Von Hans Kratzer, Prien

Wirtschaftliche Zwänge veranlassten nach dem Ersten Weltkrieg viele Künstler, die Städte zu verlassen und auf dem Land ihr Glück zu suchen. Anknüpfend an die Tradition der dortigen Künstlerkolonie, reifte im Jahre 1920 auch auf der im Chiemsee gelegenen Fraueninsel der Gedanke, Ausstellungen zu organisieren. Es war für die damalige Zeit ein neuer Versuch der Vermarktung. Einheimische Kunstfreunde, aber auch ein gehobenes touristisches Publikum sollten als Kunden gewonnen werden.

Die Idee stammte von den Malern Hiasl Maier-Erding, Thomas Baumgartner und Constantin Gerhardinger. Später kamen weitere Aussteller hinzu, beispielsweise Clara von Bayern, Hermann Groeber, Alfred Haushofer, Anton Müller-Wischin und Josef Wopfner, um nur einige zu nennen. Die lose Gruppe der "Frauenwörther", wie man die Künstler nannte, bestand bis Anfang der 1960er-Jahre.

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Im Heimatmuseum Prien findet zurzeit eine Ausstellung über diese Künstlergruppe statt. Sie führt zum einen Arbeiten der Hauptvertreter zusammen, zum anderen wirft sie aber auch beklemmende Fragen auf. "Die meisten Frauenwörther waren sowohl in ihrer Kunstauffassung als auch in ihrer politischen Ausrichtung ausgesprochen konservativ", sagt Karl J. Aß, der Kulturbeauftragte des Markts Prien. Zunächst noch monarchistisch ausgerichtet, identifizierte sich ein Großteil der Gruppe mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik. Einer ihrer frühen Hauptvertreter, Hermann Groeber, Professor an der Münchner Kunstakademie, wurde bereits 1922/23 Mitglied der NSDAP.

"Eine kunst- und lokalhistorische Aufarbeitung der Frauenwörther ist bis heute ein Desiderat", sagt Aß. Tatsache sei, dass Mitglieder dieser losen Vereinigung in den Jahren nach 1933 reüssierten und sich bei den Nazis anbiederten. Hiasl Maier-Erding, der neben seinem Freund Baumgartner zu den herausragenden Vertretern der Gruppe zählte, starb bereits 1933, was ihn vor der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten bewahrte. Baumgartner stellte bis 1944 im Haus der Kunst aus und wurde 1943 zum Professor ernannt, wie auch Gerhardinger, der aber 1943 in Ungnade fiel. Müller-Wischin ist 1944 in der Gottbegnadeten-Liste des NS-Propagandaministeriums aufgeführt.

Die Geschichte der Frauenwörther erfordert Differenzierung und Auseinandersetzung. Es gab in der Gruppe auch Künstler, die sich dem Nationalsozialismus verweigerten. Selbstverständlich die Wittelsbacherin Clara von Bayern, dazu Hermann Euler, Daisy Campi, Heinrich Heidner. Die Bilder von Karl Casper wurden in der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt.

"Die Priener Retrospektive ist der Versuch, eine kritische, wissenschaftliche Auseinandersetzung anzustoßen", sagt Aß. Die Retrospektive ist bis 30. Oktober zu sehen (täglich außer Montag von 13 bis 17 Uhr).

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