Markus Söder:Jetzt heißt es Schwarz gegen Grün

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"Wir haben eine Trendumkehr erreicht", sagt Ministerpräsident Markus Söder. In der CSU ist man mit dem Ergebnis der Europawahl zufrieden. (Foto: dpa)
  • Die CSU hat bei der Europawahl 40,7 Prozent erreicht. Damit hat sie rund 787 000 Stimmen mehr als 2013 bekommen.
  • "Das Duell ab jetzt ist eindeutig Schwarz gegen Grün, nicht mehr Schwarz gegen Rot", sagt Ministerpräsident Markus Söder.
  • Söder sieht seine Partei auf dem richtigen Weg - will aber gleichzeitig viel verbessern.

Von Wolfgang Wittl, München

Es ist eine Weile her, dass die CSU eine Vorstandssitzung nach einer großen Wahl mit donnerndem Applaus beginnt. Einem Applaus, der weder falschem Trotz noch Autosuggestion entspringt, sondern ehrlicher Erleichterung. Als die beiden Hauptdarsteller am Montag den Sitzungssaal betreten, stehen sie alle auf: der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, die frühere Landtagspräsidentin Barbara Stamm, all die Ministerinnen und Minister in Bund und Land. Der Beifall gebührt Manfred Weber, dem Spitzenkandidaten der Europawahl. Auch Markus Söder klatscht generös für Weber. Das fällt ihm womöglich umso leichter, da er weiß, dass ein Teil der Anerkennung auch ihm gilt. Vier Monate ist der Parteivorsitzende Söder im Amt. Die erste große Bewährungsprobe unter seiner Regie hat die CSU bestanden.

40,7 Prozent hat die CSU bei der Europawahl erreicht. Nominell sind das mickrige 0,2 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren, als die CSU ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl erzielte. Dass sich das Resultat anfühlt wie ein Triumph, sagt einiges aus über die christsozialen Ansprüche im Jahr 2019. Doch bei genauer Betrachtung ist die Freude zu verstehen. 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl 2017. 37,2 Prozent bei der Landtagswahl 2018. Und jetzt - erstmals seit fünf Jahren - ein Sprung nach oben unter "international und national schwierigen Voraussetzungen", wie Söder vor der Sitzung vorträgt: "Die CSU kann wieder zulegen. Wir haben eine Trendumkehr erreicht."

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Die absoluten Zahlen belegen das. Genau 787 369 Stimmen hat die CSU mehr erhalten als 2013. Im Bayerischen Wald hat sie ihre Zahlen mancherorts verdoppelt. Damit hat die CSU sogar gut 150 000 Stimmen mehr hinzugewonnen als der große Sieger der Europawahl, die Grünen. Schon am Abend vorher hat Söder die Grünen zum großen Gegner der Zukunft erklärt. Nun setzt er nach: "Das Duell ab jetzt ist eindeutig Schwarz gegen Grün, nicht mehr Schwarz gegen Rot." Man kann nicht behaupten, dass sich jeder in der Partei darüber freut. Als sich am Wahlabend die ersten Balken nach oben schieben und der von der SPD bei 15 Prozent verharrt, stöhnte so mancher CSU-ler lauthals auf.

Für Mitleid bleibt am Montag keine Zeit, die CSU beschäftigt sich lieber mit sich selbst. Ein weiteres Detail der Analyse: Lag sie 2013 nur fünf Prozentpunkte über dem Gesamtergebnis der Union, sind es diesmal zwölf Punkte. Solche Abstände notierte man zuletzt zu Edmund Stoibers Zeiten. Als Begründung nennt Söder zuallererst den "sehr, sehr guten Kandidaten" - also das, was Parteifreunde als "Weber-Effekt" bezeichnen. Am Wahlabend hatte sich die CSU-Führungsriege noch mit einer Pappfigur des Spitzenkandidaten auf der Bühne und mit "Manfred, Manfred"-Rufen behelfen müssen. Der leibhaftige Weber trat erst in Berlin auf, dann flog er zu ersten Verhandlungen nach Brüssel. Jetzt steht er in der Münchner Parteizentrale neben Söder und sagt: Er freue sich, dass er seinen Beitrag habe leisten können, "dass wir in der CSU die Trendwende geschafft haben".

Allerdings birgt der enorme Vorsprung vor der CDU auch Komplikationen. Webers Kollege im Europaparlament, der schwäbische Bezirkschef Markus Ferber, hatte am Sonntag gesagt: "Wir haben es richtig gemacht." Wie er das Wörtchen "wir" betonte, hieß das nichts anderes als: Die CDU hat es falsch gemacht. Einige Christsoziale sind der Ansicht, auch die Schwesterpartei hätte ihren Umbruch an der Spitze komplett vollziehen müssen. Zwei Denkschulen gibt es: Die einen finden, mit Angela Merkel sei nichts mehr zu gewinnen; andere sagen, ohne die in Umfragen beliebte Kanzlerin wäre für die CDU alles schlimmer gekommen. CSU-Strategen verweisen nüchtern auf die Ausgangslage: Merkels Zeit laufe langsam ab, die von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer werde erst beginnen. AKK, zu der Söder ein demonstrativ gutes Verhältnis pflegt, dürfe daher nicht weiter beschädigt werden. Gleichzeitig benötigt Weber eine starke Bundeskanzlerin Merkel, die ihn als Kommissionspräsidenten durchsetzen soll. Das ist der Spagat, den die CSU zu bewältigen hat.

Seine Partei wähnt Söder auf dem richtigen Weg. Teamgeist, Zusammenhalt, Strategie, die klare Abgrenzung von der AfD - alles habe gepasst. Auch seinen Kurs beim Volksbegehren zum Artenschutz, der von einem kleinen Teil der Partei skeptisch beäugt wird, verteidigt Söder. "Das Konzept des Ausgleichs hat funktioniert. Sonst hätten die Grünen noch ganz andere Ergebnisse geholt." Im Vorstand kündigt Söder eine "Klimaoffensive" seiner Partei an. Die Grünen hätten in den Ballungsräumen weniger zugelegt als befürchtet. "Das Limit ist langsam erreicht", sagt Söder. Generalsekretär Markus Blume formuliert mutig eine Kampfansage: Spätestens bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr wolle die CSU stärkste Kraft in allen Großstädten sein.

Seine Rede im Vorstand schließt Söder mit den Worten, die CSU dürfe sich jetzt freuen, aber es gebe noch viel zu verbessern. Es könne die Partei nicht kalt lassen, dass die Grünen bei Erstwählern doppelt so gut abgeschnitten haben. "Wir müssen jünger, moderner und cooler werden, andere Zugänge finden und junge Menschen ernst nehmen." Und digitaler müsse die CSU werden und dafür "analoge Mittel umschichten". Was das genau heißt, übersetzt Generalsekretär Blume: Das traditionsreiche Parteimagazin Bayernkurier soll Ende des Jahres nach fast sieben Jahrzehnten eingestellt werden. Stattdessen will die CSU ihre Reichweite über Youtube und Videos vergrößern. "Die alte Welt", sagt Söder, "beginnt sich zu verabschieden."

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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