Bayern:Das Atomkraftwerk Isar 2 muss als Denkmal erhalten bleiben

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Künftig ein Fall für den Denkmalschutz? Das Kernkraftwerk Isar 2 in Essenbach soll laut Atomgesetz am 15. April endgültig abgeschaltet werden. (Foto: Armin Weigel/dpa)

In wenigen Tagen wird der letzte Kernreaktor im Freistaat abgeschaltet. Nichts soll davon übrig bleiben, außer ein paar armselige Exponate fürs Landshuter Stadtmuseum. Was für ein Frevel.

Glosse von Sebastian Beck

Vom Denkmalschutz haben viele Menschen in Bayern zwar wenig Ahnung, aber zumindest eine klare Haltung dazu: Das alte Glump und Graffel sollte am besten weggeschoben werden, damit Ruhe ist. Ausgenommen davon sind Kirchen, Schlösser und Burgen. Niemand würde auf die Idee kommen, beispielsweise die Wallfahrtskirche der Heiligsten Dreifaltigkeit in Waldsassen wegzuschieben. Oder den Regensburger Dom. Aber windschiefe Bauernhäuser, Wirtschaften oder morsche Stadel gelten vor allem als Ärgernis, sofern sie nicht am Tegernsee in Bestlage stehen.

Noch schwerer haben es Industriedenkmäler: Das Stahlwerk Maxhütte in der Oberpfalz ist inzwischen fast vollständig abgerissen worden, obwohl dort vor 160 Jahren die Industrialisierung Bayerns ihren Anfang nahm. Doch gegen die Mischung aus politischer Ignoranz und Rost kamen die wenigen Denkschmalschützer, die den kulturellen Wert der Maxhütte erkannt hatten, nicht an. In Völklingen an der Saar wurde das Hüttenwerk zum Weltkulturerbe erklärt, in Sulzbach-Rosenberg verfallen die letzten verbliebenen Anlagen.

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In diesen Tagen neigt sich in Bayern abermals eine Ära des Industriezeitalters dem Ende zu: Das Atomkraftwerk Isar 2, einer der leistungsfähigsten Reaktoren der Welt, geht vom Netz. Danach wird die Anlage "rückgebaut", wie es im Behördendeutsch heißt. Nichts soll davon übrig bleiben, außer ein paar armselige Exponate fürs Landshuter Stadtmuseum. Die Frage, ob ein stillgelegtes Atomkraftwerk womöglich den Charakter eines Denkmals haben könnte, wird bisher als absurd abgetan und nicht ansatzweise mit dem gebotenen Ernst diskutiert.

Dabei ist die markante Kuppel des Reaktorgebäudes geradezu prädestiniert für den Erhalt. Mit ihren zwei Meter dicken Betonwänden wäre sie, anders als ein Stahlwerk, wenigstens die nächsten 2000 Jahre - sieht Pantheon in Rom - kein Sanierungsfall. Das Reaktorgebäude steht wie die Maxhütte für eine ganze Epoche in Bayern mit all ihren Widersprüchen. Künftige Generationen könnten unter der Kuppel die Frage diskutieren, was nun der größere Fehler war: der Einstieg in die Atomenergie oder der Ausstieg aus Atomenergie? Und falls sie darauf keine Lust haben, könnten sie dort, wo einst der Reaktor stand, immer noch Champignons züchten.

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