Antisemitismus:Ein Brand als Weckruf

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Eine Innenansicht der Synagoge und des jüdischen Museums Ermreuth. Auf die Synagoge wurde in der Silvesternacht 2022/23 ein mutmaßlich rechtsextremer Anschlag verübt. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Der Sachschaden ist eher gering, trotzdem hat der Anschlag auf die Synagoge im oberfränkischen Ermreuth die Frage aufgeworfen: Wie lassen sich Orte jüdischen Lebens und jüdischer Kultur besser schützen?

Von den Nazis geschändet, später als Lagerhaus der Raiffeisengenossenschaft genutzt - und jetzt wieder ein beeindruckendes Gebäude, das an die Geschichte der Jüdinnen und Juden in Oberfranken erinnert. Die Synagoge von Ermreuth im Landkreis Forchheim hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Seit dem vergangenen Silvesterabend ist sie um ein unschönes Kapitel reicher - denn ein 21 Jahre alter Mann soll an diesem Abend eine Fensterscheibe beschädigt und versucht haben, einen Feuerwerkskörper zu zünden. Diesen wollte er durchs Fenster werfen, um das Gebäude in Brand zu setzen.

Schockiert hat auch der Antisemitismus-Beauftragte der Staatsregierung, Ludwig Spaenle, reagiert: "Dort hatte jemand versucht, die Synagoge in Brand zu stecken." Der mutmaßlich rechtsextremistisch motivierte Anschlag misslang. Der Tatverdächtige, vor einem Monat gefasst, sitzt inzwischen in U-Haft; der Zentrale Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, angesiedelt bei der Generalstaatsanwaltschaft München, führt die Ermittlungen. Details nennt ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft vorerst nicht. Nur so viel: Bisher hätten sich keinerlei Bezüge des mutmaßlichen Täters zur rechtsextremistischen "Wehrsportgruppe Hoffmann" ergeben.

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Die Gruppe, die 1980 verboten wurde, hatte ihr Hauptquartier früher zeitweise im Schloss Ermreuth. Er sei über die schnellen Ermittlungsergebnisse sehr froh, sagt der Bürgermeister von Neunkirchen am Brand, Martin Walz. Man habe nun die Chance, die wichtige und gute Arbeit in der Synagoge unbelastet fortführen zu können. "Das sollte unser alles Ziel sein: die gute Arbeit gegen Antisemitismus, die Verständigung durch Bildung und die Bereicherung unserer Kultur im Vordergrund zu halten."

Dass es im kleinen Dorf Ermreuth bei Neunkirchen am Brand eine Synagoge gibt, mag überraschen. Tatsächlich spielte sich das jüdische Leben im heutigen Bayern über Jahrhunderte hinweg weitgehend auf dem Land ab. Genauer gesagt in Franken, aber auch in Teilen Schwabens. Denn in den dortigen Territorien durften sich die Juden niederlassen, als sie im ausgehenden Mittelalter aus den großen Städten vertrieben worden waren. Synagogen in kleinen Dörfern, jüdische Friedhöfe mit uralten Grabsteinen zeugen heute noch vom Landjudentum, obwohl viele Menschen im 19. Jahrhundert die kleinen Gemeinden verließen, um in größere Städte zu ziehen oder auszuwandern.

1822 errichtet, wurde die Synagoge nach dem Zweiten Weltkrieg erst als Lagerhaus genutzt, ehe es saniert und 1994 wieder eröffnet wurde - als Haus der Begegnung und der Kultur. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

In der NS-Zeit wurden viele Zeugnisse jüdischen Lebens geschändet oder zerstört. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch sind viele Stätten wieder restauriert worden, so auch in Ermreuth. Nach dem Krieg war das 1822 errichtete Gebäude zunächst an die Raiffeisengenossenschaft übergegangen und als Lagerhaus genutzt worden. Nach den Sanierungsarbeiten konnte die ehemalige Synagoge 1994 wieder eröffnet werden - als Haus der Begegnung und der Kultur inklusive einer Ausstellung. Denn im Zuge der Restaurierung waren auf dem Dachboden zahlreiche Gegenstände und Schriften gefunden worden, die den früheren Gemeindemitgliedern gehört hatten. "Zeigen zu können, dass jüdisches Leben nicht Fremdkörper, sondern Teil unserer Geschichte ist, halte ich für sehr wichtig. Das vor Ort und im Ort zeigen zu können bleibt ein Geschenk der Vergangenheit und eine Chance für uns", sagt Bürgermeister Walz.

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In Ermreuth verhalf die Video-Überwachung zum Ermittlungserfolg nach dem Anschlag. Gerade kleinere Synagogen in kleinen Gemeinden können nicht rund um die Uhr geschützt werden. Der Freistaat schütze durch Polizeikräfte nachhaltig jüdische Einrichtungen sowie Jüdinnen und Juden, die gefährdet seien, betont Spaenle. Fälle wie jetzt Ermreuth müssten jedoch dazu veranlassen, auch die Einrichtungen verstärkt zu schützen, die nicht aktuell als Gebetsraum genutzt werden, sondern der Erinnerungsarbeit und der Vermittlung jüdischen Lebens dienen. "Denn auch Anschläge auf diese müssen wir als Anschläge auf jüdisches Leben werten."

Die Zahl antisemitischer Straftaten sei in den vergangenen Jahren in Deutschland und Bayern weiter angestiegen. "Der Großteil wird von rechtsextremen Tätern verübt, aber es gibt auch einen wachsenden islamistischen Antisemitismus, den wir nicht übersehen dürfen. Auf diese Straftaten muss der Rechtsstaat mit Entschiedenheit reagieren - vor allem die Polizei und die Justiz", sagt Spaenle. Der Antisemitismus-Beauftragte will auch schon früher ansetzen - nämlich bei der Prävention, damit es überhaupt nicht erst zu Versuchen von Straftaten und zu Straftaten selbst kommt. Es müsse vor allem langfristig um eine nachhaltige Präventions- und Bildungsarbeit gegen Judenhass und Antisemitismus gehen. "Und wir müssen dort das Strafrecht verschärfen, wo es nötig erscheint."

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