Antisemitismus:Mutmaßlich rechtsextremer Anschlag auf Synagoge in Franken

Antisemitismus: Die Synagoge im oberfränkischen Ermreuth wird seit 1994 als Haus der Begegnung und Kultur genutzt.

Die Synagoge im oberfränkischen Ermreuth wird seit 1994 als Haus der Begegnung und Kultur genutzt.

(Foto: Alexander Nadler)

In Ermreuth soll ein junger Mann aus dem rechtsextremistischen Milieu versucht haben, einen Brand in einer jüdischen Begegnungsstätte zu legen. Der Ort im Landkreis Forchheim ist historisch schwer belastet.

Von Olaf Przybilla, Ermreuth

Die Erstmeldung drei Tage nach Neujahr klang wenig spektakulär. Vermutlich in der Silvesternacht, teilte das Polizeipräsidium Oberfranken mit, sei an der Synagoge in Ermreuth eine "Fensterscheibe zu Bruch" gegangen. Jetzt stellt sich heraus: Verantwortlich dafür soll ein 21-Jähriger aus dem Nachbarort sein. Der Staatsanwaltschaft Bamberg zufolge handele es sich offenbar "um eine antisemitisch motivierte Straftat mit einem rechtsextremistischen Hintergrund" - und einen missglückten Brandanschlag.

So soll der junge Mann nicht nur die Fensterscheibe der Synagoge eingeschlagen haben. Er soll den Ermittlern zufolge anschließend auch versucht haben, vor dem Fenster der Synagoge einen Feuerwerkskörper zu zünden - "um diesen durch die zerstörte Scheibe in die Synagoge zu werfen und so dort Feuer zu legen", wie Staatsanwalt Michael Hoffmann mitteilt. Bilder der Videoüberwachung an der Synagoge sowie Zeugenaussagen brachten die Ermittler auf die Spur des 21-Jährigen.

Er wurde zunächst festgenommen. Auch beantragte die Staatsanwaltschaft wegen versuchter schwerer Brandstiftung und gemeinschädlicher Sachbeschädigung einen Haftbefehl. Diesen lehnte ein Ermittlungsrichter wegen fehlender Fluchtgefahr allerdings ab. Der 21-Jährige wurde zwischenzeitlich wieder auf freien Fuß gesetzt, wogegen die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt hat. Seit Dienstag ermittelt nun die Münchner Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus in dem Fall. Geführt wird das Verfahren vom zentralen Antisemitismusbeauftragten der bayerischen Justiz, Andreas Franck.

Bürgermeister Martin Walz (CSU) bemüht sich hörbar, gelassen auf den mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Anschlag zu reagieren. Man lebe auch im Landkreis Forchheim nicht in einer "heilen Welt", sagt er. Jahrzehntelang habe man keinen solchen Vorfall im Ortsteil Ermreuth zu beklagen gehabt, nachdem die Gemeinde Neunkirchen am Brand 1994 die zwischenzeitlich als Lagerhalle genutzte und schwer in Mitleidenschaft gezogenen Synagoge in ein Haus der Begegnung und Kultur verwandelt hatte. Dieses Kulturprojekt sei höchst erfolgreich und werde sehr gut angenommen. Insofern habe er sich nun schon gedacht, mit der Sache an der Synagoge konfrontiert: "Des gibt's doch nicht."

Eine Spaziergängerin entdeckte die zerbrochene Fensterscheibe

Walz weiß, mit welchen Assoziationen der 800-Einwohner-Ortsteil von Neunkirchen am Brand verbunden ist. Die Spuren der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann führten hauptsächlich in den fränkischen Flecken Ermreuth, wo die paramilitärische Organisation ein Zentrum hatte. Da ahnt der Bürgermeister natürlich, was das bei den Menschen nun auslöst. Er sagt aber auch, dass Ermreuth in einem rechtsextremistischen Zusammenhang nun jahrzehntelang "nicht in Erscheinung" getreten sei. "Gott sei Dank" sei man davon zuletzt "verschont geblieben".

Bis jetzt. Am Neujahrsmorgen hatte eine Spaziergängerin eine zerbrochene Fensterscheibe an der Synagoge entdeckt, direkt neben deren Eingang. Dort steht eine Sitzbank für Fußgänger, aus Sicherheitsgründen eigentlich nur im Sommer, an Silvester stand sie aber wohl auch dort.

1738 wurde die erste Synagoge von Ermreuth erbaut. 1822 entstand am gleichen Platz ein neues, deutlich prächtigeres Haus aus Sandstein. Die Nazis schändeten und beschädigten das Haus schwer, trotzdem überdauerte es den Zweiten Weltkrieg.

Neun Jahre nach Kriegsende ging die Synagoge in den Besitz der örtlichen Raiffeisengenossenschaft über, die das Haus zur Lagerhalle umbaute, samt massiver architektonischer Veränderungen, innen wie außen. So wurde die Eingangstür durch ein großes Scheunentor ausgetauscht und das Haus in zwei Stockwerke geteilt. Zwar gehört die Synagoge seit 1974 dem Markt Neunkirchen am Brand, sie stand aber auch anschließend noch fast anderthalb Jahrzehnte leer. Immerhin das Dach wurde in den Achtzigerjahren saniert, wobei zahlreiche religiöse Schriften und rituelle Textilien gefunden wurden. Seit 1989 kümmern sich die Gemeinde und der Landkreis um die Synagoge, fünf Jahre später wurde sie wiedereröffnet. Zum Teil auch für religiöse Zwecke.

Das eingeschlagene Fenster, sagt eine Mitarbeiterin aus dem Umfeld der Synagoge, ist inzwischen provisorisch repariert. Die Wunde aber des mutmaßlichen Anschlags werde noch "lange offen bleiben", fürchtet sie. Gerhard Maier, der Vorstand des Freundes- und Förderkreises Synagoge Ermreuth, formuliert es ähnlich: "Ich bin entsetzt", sagt er. Man werde alles daransetzen, dass der Fall aufgeklärt wird und sich dergleichen nicht wiederholt. Es gelte der Grundsatz "Wehret den Anfängen". Nicht nur, aber gerade auch in Ermreuth.

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