CSU vor der Kommunalwahl:Von Wolke sieben ins Gewitter

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Demonstranten vor dem CSU-Parteitag in Bamberg: Der Widerstand gegen die Energiepolitik der CSU wächst - von allen Seiten. (Foto: David Ebener/dpa)

Rücktritte, Affären und Proteste aus der Bevölkerung: Einen Monat vor der Kommunalwahl häufen sich für die CSU die Probleme. Von der Euphorie aus dem vergangenen Jahr ist nicht mehr viel übrig, das spürt auch Parteichef Horst Seehofer.

Von Mike Szymanski

Links die Musik der Blaskapelle, rechts der Gesang. Aber beides passt nicht zusammen. Der Takt nicht, der Gesang nicht zur Musik. Nichts stimmt hier vor der Kongresshalle in Bamberg, wo die CSU am Samstag zu ihrem Parteitag zusammenkommt. Überhaupt: Proteste bei CSU-Veranstaltungen, das hat es doch schon lange nicht mehr gegeben, oder?

Rechts protestieren die Windrad-Gegner und die Stromtrassen-Feinde. Es sind diejenigen, die sich nicht damit abfinden wollen, dass die Energiewende empfindliche Opfer verlangen wird. Sie schreien: "Ja zu 10H", was schon eine kryptische Zeile ist. "10H" steht für die gerade erst von der Staatsregierung vergrößerten Abstandsflächen bei Windrädern, die eingehalten werden müssen. Größere Abstandsflächen heißt: weniger Windräder. Beim rechten Demonstrantenflügel ist "10H" daher eine Glücksformel. Der Demonstrantenchor auf der Linken stimmt dagegen nun sein eigenes Lied an: "Wind für Bayern." Damit sich auch in Zukunft noch Rotoren drehen.

Man muss dem Treiben in Bamberg nicht lange zuschauen, um zu erkennen: Die von Horst Seehofer ausgerufene "Koalition mit den Bürgern" steckt in einer Krise. Seehofer ist zwar bekannt dafür, häufig seine Position zu wechseln. Aber gleichzeitig in Bamberg rechts und links bei den Demonstranten zu stehen, das kann auch er nicht. Das ist sein Dilemma: Eine Gruppe muss er enttäuschen.

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Nun geht er zu den Windkraft-Befürwortern. Dort wartet die 30-jährige Grünen-Politikerin Lisa Badum mit einem offenen Brief. "Retten Sie die Energiewende", steht darin. Nachdem Seehofer seit mehr als einem halben Jahr Windräder, Stromtrassen und Pumpspeicherkraftwerke bekämpft, bleiben nur flehende Worte. "Die Politik hat die Energiewende als großes Übel dargestellt", erzählt Badum. Seehofer, der direkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima ein "grünes" Bayern versprach, sei einfach umgefallen. Große Enttäuschung herrsche überall, die neuen Abstandsregeln für Windräder ließen die Energiewende "sterben".

Seehofer hört der Frau zu. Das kann er. Aber er bleibt in seiner Position hart. Die Beschlüsse der Staatsregierung würden für eine "gute Balance" zwischen Energiewende und Bürgerinteressen sorgen. "Glauben Sie mir's", sagt er noch, bevor er in der Tagungshalle verschwindet.

Aus dem Takt geraten

Die CSU ist irgendwie auch aus dem Takt geraten, seitdem sie bei der Landtagswahl mit der Rückkehr zur Alleinregierung einen großen Erfolg feiern konnte. Einer aus dem Vorstand beschreibt es so: "Von Wolke sieben direkt ins Gewitter."

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Die Proteste vor der Halle sind Ausdruck dessen. Aber es gibt noch andere Anzeichen. Am Freitag musste Hans-Peter Friedrich wegen seiner Verstrickung in die Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy als Landwirtschaftsminister zurücktreten. Es wurde ein schwarzer Freitag für die CSU, weil auch der Miesbacher Landrat Jakob Kreidl einen Rücktritt zu vermelden hatte. Der CSU-Politiker wolle nicht länger Landkreistagchef sein. Ihn hat eine teure Geburtstagsfeier eingeholt, für die die örtliche Sparkasse und das Landratsamt großzügig mitzahlten. Die Partei hat die Landratswahl in Miesbach mit Kreidl als Kandidaten schon verloren gegeben. Er ist zur Belastung geworden. Der Fall Kreidl zeichnet auch ein Bild von der CSU, das Seehofer abgehängt zu haben glaubte: das Bild einer abgehobenen Partei. Dazu passte, dass sich der neue Generalsekretär Andreas Scheuer mit einem zweifelhaften Doktortitel schmückte.

Es kommt gerade viel zusammen. Frust in Berlin und über den Koalitionspartner SPD. Und eigene Fehler. Was die Energiewende angeht, hat Seehofer gerade erst ein langes Gespräch mit seiner Energieministerin Ilse Aigner geführt. Es fehlt ein funktionierender Plan. An den Schulen kehrt auch keine Ruhe ein. Erst gab es Streit um geplante Stellenstreichungen, die Seehofer vergangene Woche zurücknahm. Nun setzt das Volksbegehren der Freien Wähler zur Rückkehr zum G 9 die Staatsregierung unter Druck. Auch wenn es Widerstände in seiner CSU gibt - Seehofer spürt, dass er hier handeln und ein funktionierendes Angebot für einen neunjährigen Weg zum Abitur präsentieren muss.

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In Bamberg machte er die Tür wieder ein Stückchen weiter auf. Er sagte: "Unser oberstes Ziel muss sein, dass wir mit einer individuellen Förderung unserer Kinder jede und jeden so mit den Talenten fördern, wie sie sie vom Herrgott mitbekommen haben." Er wolle keine Schule, wo die "Guten unterfordert und die Schlechten überfordert" seien. Dass will auch der bayerische Philologenverband nicht, er arbeitet gerade an einem modernen G-9-Konzept. Seehofer sagt: "Wenn die Philologen einen Vorschlag vorlegen, dann werden wir darüber reden. Wenn ein Vorschlag gut ist, dann wird man weiterreden."

Der Parteichef hat mitbekommen, dass es im Moment nicht wirklich rund läuft für seine CSU. Die erste Saison nach einer Meisterschaft sei immer die schwierigste, erklärt er den Delegierten. Die Meisterschaft, das war die Landtagswahl. Aber von der Euphorie des Wahlabends ist nicht mehr viel übrig geblieben. Seehofer beschwört am Samstag noch einmal dieses Siegesgefühl vom vergangenen Jahr. "Wir müssen so zusammenstehen wie 2013. Das war einzigartig", sagt er. Die CSU hatte es geschafft, wieder Vertrauen aufzubauen. Vor allem auch Selbstvertrauen. Seehofer sagt, dass man Vertrauen auch schnell wieder verspielen kann, in Stunden sogar.

Immerhin sind die Demonstranten weg, als der Parteitag endet.

© SZ vom 17.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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