Affäre um Landrat Kreidl:CSU fürchtet Scherbengericht

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Während sich der in Verruf geratene Landrat Kreidl von seinem Ortsverband die Seele streicheln lässt, rücken immer mehr CSU-Mitglieder von ihm ab. Es soll sogar solche geben, die sich weigern, Wahlplakate mit Kreidls Konterfei zu kleben.

Von Heiner Effern, Frank Müller und Christian Sebald

Im Saal vom Gasthof Kirchstiegl zwischen Hundham und Elbach sitzen an langen Tischen mehr als 50 Männer und Frauen. Der zugezogene Vorhang auf der Bühne ist grün, wie die Hoffnung. Es ist aber kein Theater angesetzt an diesem Mittwochabend, sondern die Jahreshauptversammlung der CSU.

Ganz vorne links hat der "Jak" oder "Jakl" Platz genommen, wie sie hier den Miesbacher Landrat Jakob Kreidl (CSU) liebevoll nennen. Ein Heimspiel also für den angeschlagenen Politiker, Seelenmassage bei "den Freunden meines Heimatortsverbandes Fischbachau", wie Kreidl am Mittwochabend die Besucher bezeichnet. "Das tut mir gut."

Die 118 000 Euro, die sein Fest zum 60. Geburtstag gekostet hat, werden hier als unangenehm empfunden. Aber mitnichten als politischer Skandal. Weil es hier Männer wie Hermann Hinterstocker gibt, der gleich am Anfang mal Grundsätzliches loswerden muss.

"Ein ganz schäbiges Spiel" laufe da gerade ab, sagt er. "Die CSU und unser Landrat, der so tolle Sachen für uns gemacht hat, werden brutal an die Wand genagelt, das ist eine Schande." Man wisse ja, dass das zuletzt alles nicht gerade optimal gelaufen sei, aber dass eine solche Hetzkampagne über ihn hereinbreche, "das tut mir für dich leid, Jakl".

Weiter als in die Hügel von Hundham kann Kreidl den Sorgen des Alltags derzeit nicht entkommen. Da ist der Geburtstag, gesponsert von der Sparkasse. Die Verstrickung in die Verwandten-Affäre des Landtags, dem er lange Zeit angehörte.

Der Betrug bei der Doktorarbeit und die Aberkennung des Titels. In Hundham reicht es, allgemein ein paar Fehler einzugestehen. Eine Entschuldigung ist nicht nötig, weil hier alle, die sich äußern, an Kreidls Weltsicht glauben. Er habe das Fest nicht organisiert, sagt Kreidl. Und von den Kosten erst nachher etwas mitbekommen.

"Jetzt frage ich euch: Wo trage ich Schuld oder Verantwortung? Ich habe überhaupt nichts mit der Geschichte zu tun gehabt." Und deshalb gebe es auch keinen Grund, von einer Kandidatur abzusehen. "Ich kann versichern, dass ich nicht gleich aufgebe, wenn der Wind ins Gesicht bläst. Ich werde nicht vor der Verantwortung davonlaufen."

Jenseits von Hundham wird in der CSU das Chaos von Tag zu Tag größer. In beinahe allen Ortsverbänden, egal ob rund um Miesbach, Holzkirchen oder am Tegernsee, soll es Parteimitglieder geben, die sich weigern, Wahlplakate mit Kreidls Konterfei zu kleben. "Die stehen nicht nur nicht mehr zu ihm und seiner Kandidatur", sagt einer.

"Die wollen sich einfach nicht von Passanten dumm anreden lassen, dass sie sich für so einen auch noch ins Zeug legen." Andere gehen nicht mehr zu Veranstaltungen mit dem Landrat, selbst wenn sie Pflichtermine sind. Und es soll sogar Bürgermeister-Kandidaten geben, die heilfroh sind, wenn sie einen guten Grund dafür finden, dass sie einen Auftritt mit Kreidl absagen können. Noch freilich traut sich fast keiner so richtig aus der Deckung.

Die Miesbacher Bürgermeisterin Ingrid Pongratz ist eine der Wenigen aus der CSU, die offen auf Distanz zu Kreidl gegangen sind. Abgesehen davon, dass ihr der Mensch Kreidl und seine Familie leid tue, sagt sie: "Mit seinen moralischen Verfehlungen habe ich ein Riesenproblem." Sie habe die Sorge, dass ihr Wahlkampf und auch der von Kollegen Schaden nehme.

Niemand traut sich, Kreidl das Vertrauen zu entziehen

"Es bleibt an der ganzen CSU ein Makel hängen, nicht nur in Miesbach, sondern in ganz Bayern." Es sei frustrierend, dass die Region wegen Kreidl "jeden Tag Watschen" einstecken müsse. "Mich berührt das." Sie habe schon bei einem Krisentreffen der Miesbacher CSU im Januar darauf hingewiesen, doch keiner habe sich getraut, Kreidl das Vertrauen zu entziehen.

Die Landtags-CSU versucht derweil, das Thema zu ignorieren. Als die Grünen am Donnerstag eine Debatte über den Fall Kreidl erzwingen, leert sich die Regierungsbank. So hört fast keiner mehr, wie Grünen-Fraktionsvize Thomas Gehring gegen die "spätbarocke Herrschaftlichkeit" in Miesbach poltert.

"Da sind Maßstäbe verloren gegangen", sagt Gehring, "auch bei der Sparkasse." Für die CSU antwortet Neuling Max Gibis - es ist seine erste Plenumsrede. Er erwähnt den Fall Kreidl kein einziges Mal. Ilse Aigner, die zuständige oberbayerische CSU-Chefin, ist längst entschwunden. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer bereits auf dem Weg nach Berlin.

Party-Affäre um Landrat Kreidl
:CSU fürchtet Wahldebakel

Nach den Party-Eskapaden des Miesbacher Landrats sagt Ministerpräsident Seehofer seinen Wahlkampfauftritt mit Kreidl ab. Neben der teuren Geburtstagssause im Bauernhofmuseum gab es sogar noch zwei weitere Partys für den Jubilar. Er gilt mittlerweile vielen als untragbar.

Von Frank Müller, Christian Sebald, Mike Szymanski und Wolfgang Wittl

Im Hintergrund freilich reiht sich ein Krisengespräch ans andere. Bis hinauf zu Aigner reden dieser Tage hochrangige Parteimitglieder Kreidl ins Gewissen, dass er von der Kandidatur lassen soll, auch wenn die offizielle Nominierungsfrist verstrichen ist und die CSU dann ohne Bewerber dastünde. "Aber da ist nichts zu machen", sagt einer, der nah dran ist. "Kreidl will nicht sehen, dass die Torturen für ihn und seine Familie nur noch größer werden. Von dem Schaden für die Partei zu schweigen."

Der Landrat, so berichten sie es übereinstimmend in seiner CSU, ist offenbar nach wie vor fest überzeugt davon, dass "er das Ruder herumreißen kann". Die Karte, auf die er setzt, ist die große Podiumsdiskussion mit seinen vier Konkurrenten von SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP am nächsten Mittwoch in Miesbach. "Manchmal denkt man, Kreidl leidet an Realitätsverlust", sagt einer. "Aber er glaubt fest, dass er dort seine Leistungen und Erfolge so überzeugend präsentiert, dass sich die Stimmung zu seinen Gunsten dreht."

In der CSU dagegen rechnen sie mit einem Scherbengericht. "Wir dürfen froh sein, wenn da keine Demonstranten mit Transparenten und Sprechchören aufziehen", sagt ein prominentes Parteimitglied. Nicht wenige hoffen deshalb, dass Kreidl noch einsieht, wie verfahren seine Lage ist, und das Handtuch wirft.

Zumal die Strafverfolgungsbehörden nun Vorermittlungen gegen ihn und die Sparkasse aufgenommen haben. "Wir prüfen, ob bei der Geburtstagsfeier Hinweise auf eine strafrechtliche Relevanz vorliegen", heißt es bei der Staatsanwaltschaft München II.

© SZ vom 14.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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