Mitten in Bayern:Wie man als Stadt elegant wendet

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Einer der schönsten Theaterbauten Deutschlands, aber schwer sanierungsbedürftig: das Landestheater auf dem Coburger Schlossplatz. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Coburg hat in der Tourismus-Broschüre die NS-Zeit vergessen - und korrigiert das jetzt eher kleinlaut. Mit ganz anderem hat sich zuletzt Würzburg zum Gespött gemacht. Schwenkt nun aber offensiv um.

Glosse von Olaf Przybilla, Coburg/Würzburg

Noch keine 80 Jahre sind seit Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen - und schon werden Coburg-Touristen darüber in Kenntnis gesetzt, dass es dort zwischen den städtischen Kerndaten "1929: Eröffnung des Rosengartens" und "1954: Carl Eduard, Coburgs letzter regierender Herzog, stirbt" noch so allerlei anderes gab.

In der vorherigen Ausgabe der Broschüre "Coburg - Entdecken und Erleben", im Mai 2022 aufgelegt, war das doch, huch, glatt vergessen worden. Weder wurden Stadtgäste damit belästigt, dass die NSDAP in Coburg 1929 erstmals eine absolute Mehrheit in einem deutschen Stadtrat errungen hat. Noch mit dem Datum 1931, als in Coburg bereits die Hakenkreuzfahne am Rathaus wehte. Auch von 1932 blieben Touristen verschont, als Coburg als erste deutsche Stadt einem gewissen Hitler die Ehrenbürgerrechte verlieh. Und von 1939 - Coburg durfte sich "erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands" nennen - blieb der Gast ebenso unbehelligt.

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Dafür durfte der erfahren, wann dort die erste Straßenbeleuchtung (1806) und das "Parkhaus Zinkenwehr" eingeweiht wurde (1992) - was wissenswert ist, aber auf, sagen wir, Zurückhaltung in der medialen Broschüren-Rezeption gestoßen ist. Offenbar mit dem Ergebnis, dass der Tourist in der neuen Broschüre nun nichts mehr über Coburgs Beleuchtungs- und Parkhaushistorie liest. Jetzt aber doch informiert wird, dass die Stadt vor etwa 100 Jahren nicht nur mit der Eröffnung eines Rosengartens auffällig geworden ist.

Wie man solche - auf einer Peinlichkeit beruhende - Kehrtwenden unters Volk bringt? Das "Coburg-Marketing" hat sich für die eher verdruckste Variante entschieden: In der neuen Broschüre sei die Stadthistorie "überarbeitet und ergänzt" worden, wird kleinlaut mitgeteilt. Das Räuspern muss man sich dazu denken.

Wie man einen Kurswechsel offensiver hinbekommt, führt derweil die Stadt Würzburg vor. Die hat sich mit einer weltanschaulichen Großschlacht um einen nicht gewährten Würstlstand beim örtlichen Kulturfest selbst nach Einschätzung der heimischen Main Post bundesweit "zum Obst gemacht" - dann aber eine formschöne 180-Grad-Wende hingelegt. Beim "Hafensommer", gibt die Stadt nun bekannt, freuten sich "der Kapitän" und dessen "Steuermann" (der OB sowie der in die Kritik geratene Kulturreferent), dass man "dem dringenden Wunsch mancher Passagiere" nun doch nachkomme - mit "regionaler Biobratwurst". Grill an, Gefecht aus, geht doch.

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