Mitten in Bayreuth:Ein Rat steigt aus

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Im Falle eines Stromausfalls könnte im Bayreuther Rathaus das Notfall-Radio auf Sendung gehen, um die Bevölkerung zu informieren. (Foto: Thomas Robbin/imago/imagebroker)

Wäre es nicht schön, in digitalen Zeiten, wenn sich alle anschauen könnten, was im Stadtparlament so debattiert wird? Mag ja sein. Die Bayreuther machen trotzdem Schluss mit Stadtratsübertragungen.

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Minute 165 der Debatte im Stadtrat zu Bayreuth, aufgerufen ist Tagesordnungspunkt 10 und die Frage, ob Autos auf bestimmten Stadtstraßen künftig nur noch eine Spur unter Beschlag nehmen dürfen. Seit Minute 39 beraten die Diskutanten ausschließlich darüber, es geht hoch her, nun also erteilt der OB dem Stadtrat Georg Kämpf das Wort.

Der Stadtrat - rosa Pulli, schwarzer Hemdkragen - macht eine gewichtige Miene. Und erklärt dann, mit richtungsweisender Aufrichtigkeit: "Vielen Dank, Herr Oberbürgermeister, ich hab' mich vor allem deswegen gemeldet, weil ich den Eindruck hab', ich bin der einzige, der noch nichts gesagt hat."

Großes Hallo im Hohen Haus, so entwaffnend hat man das in parlamentsähnlichen Gremien tatsächlich selten gehört. Wobei man den privaten Druck, dem sich der stille Stadtrat in dem Moment offenbar ausgesetzt sieht, bei Ansicht des aufgezeichneten Livestreams durchaus nachvollziehen kann. Vor Kämpfs Wortmeldung haben die Kollegen eine vermeintliche Lokalkleinigkeit - besagte Straßenverengung - bis in alle Details erörtert, unter Aufhebung jeder Fraktionsdisziplin. In Stadträten wird auf dünnem Niveau Parlament gespielt? Wer der Meinung ist, muss sich bei Ansicht der Debatte aus Bayreuth eines Besseren belehrt sehen.

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Das Blöde ist nur: Lange wird man das nicht mehr können. Zwar hat der Landtag im Sommer den Weg geebnet, damit Stadtratsdebatten nicht nur live übertragen, sondern auch ohne rechtliche Grauzone im Netz archiviert werden dürfen. Aber ehe das zu Jahreswechsel in Kraft tritt - steigt der Stadtrat von Bayreuth aus.

Man kann sich's schwer ausdenken: Mit Tagesordnungspunkt 11, also direkt im Anschluss an die mustergültig geführte Debatte, hat der Rat entschieden, digital auszusteigen. Seit 2017 werden die Sitzungen in Bayreuth übertragen, Ende Dezember ist Schluss damit. Und das, obwohl die Rätinnen und Räte inzwischen alle einverstanden sind, gefilmt zu werden - und nun sogar Regie und Mikrofonanlage einigermaßen funktionieren.

Der Grund? Ist nicht etwa ein peinlicher Lapsus wie in Ingolstadt: Da war mal zu hören, wie ein maßgeblicher Stadtpolitiker "Mei, is des ein Deppenhaufen" ins blöderweise offene Mikro nuschelte.

Nein, in Bayreuth hätte sich der Rat einfach noch mehr Resonanz für das in die Technik aufgewendete Geld gewünscht. Es geht um weniger als 40 000 Euro jährlich, eine Investition im Haushalts-Promillebereich. Der Hauptstadt Oberfrankens sollte eine transparente Stadtdebattenkultur das wert sein? Mag sein. Nur könnten dann halt auch künftig alle im Netz sehen, wenn sich einer bloß zu Wort meldet, um auch noch was gesagt zu haben.

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