Gastronomie in Bayern:Viele Kneipenwirte fürchten die Pleite

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So gemütlich wird man in Bayerns Kneipen noch lange nicht beieinander sitzen dürfen. Noch steht nicht fest, wann sie wieder öffnen dürfen. (Foto: imago)

Während Biergärten und Speiselokale bald wieder öffnen dürfen, müssen Bars und Kneipen geschlossen bleiben. Sie könnten möglicherweise aber ein Schlupfloch finden.

Von Andreas Glas, Johann Osel und Viktoria Spinrad, München

Der Masskrug gehört zum Werkzeug eines bayerischen Ministerpräsidenten, und Markus Söder weiß damit umzugehen. Ein Prost ins Bierzeltpublikum, ein Prost für die Kameras, das beherrscht er, das ist bekannt. Was auch bekannt ist: Er prostet, aber er trinkt nicht, meistens nippt er nur. Söder (CSU) ist keiner, der dem Alkohol zuneigt. Alkohol heißt immer auch Kontrollverlust, und der Ministerpräsident ist gerade bemüht, die Dinge unter Kontrolle zu halten. Die Ausbreitung des Virus und damit ja auch die Abstandsregeln, die Söder besonders bedroht sieht, "wenn man nicht nur Cola light trinkt". Das sagte der Cola-light-Trinker Söder am Dienstag, als er vor die Presse trat und den Wirten von Lokalen in Aussicht stellte, dass sie noch im Mai wieder öffnen dürfen. Unter Auflagen, klar, aber immerhin. Was auffiel: Söder sprach dauernd von "Speiselokalen". Über Trinklokale sagte er: nichts.

Während Restaurantbesitzer also nach vorne schauen dürfen, wundert sich Angela Inselkammer, dass Kneipen- und Barbetreiber "noch keinerlei Perspektive eröffnet bekommen haben". Dabei, sagt die Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), seien Kneipen "ein genauso wichtiger Bestandteil unserer Kultur". Die bayerische "Boazn", ein Kulturgut, das sieht der Bilderbuchbayer Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ganz sicher genauso. Als er am Dienstag hinter dem Rednerpult stand, neben Söder, nannte der Wirtschaftsminister "unsere Gastronomie systemrelevant" und "die Seele Bayerns". Er sprach über Wirtshäuser und Biergärten. Über Bars und Kneipen sagte aber auch Aiwanger nichts.

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"Wir brauchen dringend einen Fahrplan für Kneipen, Bars und die gesamte Erlebnisgastronomie", sagt Ursula Zimmermann, Geschäftsführerin des Vereins zum Erhalt der bayerischen Wirtschaftskultur. Auf der Facebookseite des Vereins äußern sich Mitglieder und Sympathisanten konsterniert: "Bin mal gespannt, wie viele überhaupt wieder öffnen." Oder: Pilspubs und ähnliche Lokale seien "dem Untergang geweiht". Dehoga-Chefin Inselkammer sagt: Bis es wieder los gehe und vor allem für Betriebe, die aus Gesundheitsgründen unfreiwillig erst später öffnen dürfen, brauche man "dringend und schnellstmöglich einen Hilfsfonds mit direkten Finanzhilfen". Man appelliere dazu an Bund und Länder und sei in Gesprächen mit der Politik in Bayern, so habe man auch die "atmende" Öffnungsstrategie verstanden, die Ministerpräsident Söder am Dienstag angekündigt hatte.

Hat die Staatsregierung die Kneipenwirte vergessen? Nein, sagt Minister Aiwanger am Mittwoch. Für die Branche stelle der Staat ja bereits Soforthilfe und Kredite zur Verfügung. Er hoffe, dass die Entwicklung der Infektionszahlen zulasse, dass reine Trinklokale "im Sommer noch geöffnet werden können", sagt Aiwanger. Bis dahin appelliert er "an die Betreiber, trotzdem das Handtuch nicht zu werfen". Das klingt erst mal nach schlechter Nachricht für die Kneipenwirte. Aber dann sagt Aiwanger einen Satz, der die Wirte hellhörig machen dürfte: "Wer Speisen verkauft, darf öffnen. Der gilt als Speiserestaurant" und dürfe am 25. Mai wieder loslegen. Die Voraussetzung dürfte sein, dass ein Lokal neben den geltenden Bestimmungen für die Speisenzubereitung auch die "sehr strengen Hygienekonzepte" umsetzen kann, die Ministerpräsident Söder für die Gastronomie angekündigt hat. Wie diese Konzepte im Detail aussehen, darüber wird die Staatsregierung noch informieren.

Man darf also damit rechnen, dass einige Wirte sehr bald sehr kreativ werden und ihre Bars und Boazn fix in Speiselokale verwandeln. Viel Fantasie braucht es womöglich gar nicht. Ein Paar Wiener ins Angebot, fertig ist das Restaurant. Doch für manche Wirte ist selbst das nicht umsetzbar. "Ich kann nichts machen", sagt Anita Vogel aus dem oberbayerischen Zorneding. Dort betreibt die 64-Jährige eine klassische Trinkkneipe namens "Tropic". Als alter Hase in der Gastro-Branche hat sie hin- und herüberlegt, was sie tun könnte, damit ihr Lokal als Speiselokal durchgeht. Weil sie aber weder Küche noch Abzug hat, hat sie sich damit abgefunden, dass ihre Kneipe erst einmal zubleiben muss. Bei aller Verunsicherung zeigt sie aber Verständnis für die Maßnahmen: "Mir ist lieber, dass wir warten, bevor wir krank werden", sagt Anita Vogel.

215 Kilometer weiter nordwestlich hadert Rosa Emmert mit der Unsicherheit. Die 66-Jährige betreibt in Rothenburg ob der Tauber die "Dideldum Pilsbar" - eine Kneipe mit Bier und Cocktails, aber nur einem Eingang. Dass die Corona-Regeln der Staatsregierung etwa getrennte Ein- und Ausgänge und großzügige Tischabstände vorsehen, dürfte für viele kleine Kneipen ein K.o.-Kriterium sein. Dabei bräuchte Emmert die Einnahmen dringend. Weil die Mietkosten weiterlaufen und die Soforthilfen noch nicht angekommen seien, rutsche sie immer mehr ins Minus. "Es ist zum Verrücktwerden", sagt sie.

Nach einer Perspektive sehnt sich auch Sven Goller. Der 29-Jährige betreibt zusammen mit einem Spezl die Cocktailbar "Das schwarze Schaf" in Bamberg. Zwar ist man hier während der Zwangspause kreativ geworden, hat Cocktails nach Hause geliefert. Damit konnte er immerhin etwa ein Drittel vom regulären Umsatz wettmachen. Dennoch ist er enttäuscht, fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. "Während die Autobranche hofiert wird, sollen die Mittelständler ihre Ersparnisse aufbrauchen", moniert er. Man wolle ja keine Almosen. "Aber man kann nicht eine ganze Branche abkanzeln."

© SZ vom 07.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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