Für den bayerischen Bundestagsabgeordneten Uli Grötsch ist es eine "neue Eskalationsstufe": Innerhalb von acht Wochen hat er zwei Morddrohungen erhalten. Es sei das erste Mal in 25 Jahren als SPD-Politiker, dass ihm jemand auf diese Weise drohe. Die jüngste Mail erreichte den bayerischen SPD-Generalsekretär am Montagvormittag. "Tötet Uli Grötsch! Genickschuss! Wie Luebcke", schrieb der unbekannte Verfasser "Anonymous". Im Juli erhielt der Bundestagsabgeordnete die erste Morddrohung in einem Brief, der mit "Nationaler Widerstand Niederbayern" unterzeichnet war.
Grötsch hat den Mordaufruf am Montag noch am gleichen Tag zur Anzeige beim Polizei- und Sicherungsdienst des Bundestags gebracht. Inzwischen ermittelt auch das Bundeskriminalamt (BKA). "Egal ob Brief oder Mail, es gibt immer die Option, dass Spuren hinterlassen wurden", sagt Kriminalhauptkommissar Werner Kraus vom Polizeipräsidium München. Man habe "diverse Möglichkeiten" auf die Absender zu kommen - Genaueres will der Kriminalhauptkommissar nicht verraten, um mögliche Täter nicht über Ermittlungstaktiken der Polizei zu unterrichten.
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Außer der Anzeige bezog Grötsch in einem Facebookvideo Stellung zu dem Mordaufruf. "Ihr werdet mich nicht daran hindern, mein Leben so zu leben, wie ich es schon immer getan habe und weiter gegen euch kämpfen", sagt er an die Verfasser der Mail gerichtet. Er habe deren Inhalt öffentlich gemacht, weil die Menschen in Deutschland wissen sollen, was ist, sagt Grötsch. "Der Mord an Walter Lübcke und Drohungen im Netz sind die krasse Konsequenzen dessen, was die AfD im Land verursacht." Im Bezug auf seine Familie lösten solche Drohungen in ihm Besorgnis aus, er wolle sich dadurch aber nicht einschränken lassen. "Der Kampf geht unbeirrt weiter", sagt Grötsch.
Auf Twitter schrieb er, Rechtsextremisten seien "gewaltbereit, bewaffnet und brandgefährlich." In mehreren Fällen habe Grötsch Beleidigungen gegen ihn bereits bei der Polizei angezeigt. Anrufer brüllten ins Telefon, beschimpften ihn und seine Familie per E-Mail oder Messengerdienst. "Das Vokabular hat sich in den letzten fünf Jahren verändert", sagt der SPD-Politiker, die Justizbehörden seien gefordert, solche verbalen Angriffe entsprechend zu sanktionieren.
Das Urteil des Berliner Landgerichts zu Hasspostings gegen die Grünen-Politikerin Renate Künast mache ihn "fassungslos". Erst vor wenigen Tagen hatten die Vorsitzenden Richter verfügt, dass es keine Straftat sei, Renate Künast öffentlich als "Drecks Fotze" und "Stück Scheisse" zu bezeichnen. Der Beschluss sei Zeichen dafür, dass man Menschen in Deutschland auf die "übelste Art" beleidigen dürfe, ohne dass dies Konsequenzen habe, sagt Grötsch. Der Berliner Gerichtsentscheid ist umstritten und könnte von der nächsten Instanz revidiert werden.
Die Drohmails gegen den bayerischen SPD-Politiker sind rechtlich hingegen keine Auslegungssache. Sie fielen klar unter den Straftatbestand der Bedrohung, sagt Kraus. Gerade weil auf den Mord an Walter Lübcke Bezug genommen werde, seien sie sehr ernst zunehmen. Kraus arbeitet seit 26 Jahren im Münchner Polizeipräsidium.
Welche reale Gefahr von Morddrohungen für Betroffene ausginge, müsse von Fall zu Fall entschieden werden. Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens zählten zu einer potenziell "mehr gefährdeten" Personengruppe. Während der Ermittlungen gäbe es "unterschiedliche Maßnahmen" zum Schutz Betroffener. Im Extremfall würde ein Personenschutz installiert, sagt Kraus.