So ganz überraschend kam sie nicht, diese Nachricht. Georg Sigl-Lehner, der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), saß gerade in einer Online-Vorstandssitzung, als die Kurzmeldung auf seinem Handy aufpoppte: Pflegekammer Niedersachsen vor dem Aus. "Für die berufliche Selbstverwaltung der Pflege ist das ein Rückschritt", sagte Sigl-Lehner am Dienstag. Und: "Ich empfinde keine Häme."
Es zeige sich aber erneut, dass "eine staatlich diktierte" Pflegekammer mit Pflichtbeiträgen bei der Mehrheit der Pflegenden auf Ablehnung stoße. Nicht ohne Grund sei bereits die Pflegekammer in Schleswig-Holstein gescheitert.
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Die Staatsregierung hatte sich nach der 2011 vom früheren Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) angestoßenen Diskussion 2016 für einen anderen Weg als Niedersachsen entschieden. Den besseren, wie Sigl-Lehner findet: die Gründung einer Vereinigung der Pflegenden, 2017 etabliert als Körperschaft des öffentlichen Rechts, basierend auf freiwilliger Mitgliedschaft, also beitragsfrei, finanziert aus staatlichen Mitteln - für 2021 sind das 1 440 000 Euro.
Ihre Aufgabe: die Vertretung von geschätzt rund 200 000 Pflegekräften im Freistaat, die in Kliniken, Alten- und Pflegeeinrichtungen und in ambulanten Diensten arbeiten. Auf ihrer Homepage schildert sich die Vereinigung selbstbewusst als "die Stimme der Pflege und der Pflegenden in Bayern". Neben ihrer Aufgabe als "Dialogpartnerin der Politik" berate sie ihre Mitglieder kostenlos in berufsrechtlichen, berufsethischen sowie in fachlichen Fragen. Und sie fördere die Fort- und Weiterbildung.
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Es lässt sich nicht mehr rekonstruieren, was Sigl-Lehner durch den Kopf schoss, als er die Meldung vom Ende der Pflegekammer in Niedersachsen erhielt. Waren es die Erinnerungen an die Kämpfe um den Aufbau einer Vereinigung der Pflegenden in Bayern? An die Kommentare jener, die auch für Bayerns Pflegekräfte "eine echte Kammer" haben wollten? Schon im April 2017, Monate vor der Gründung der VdPB, attackierten diese die neue Interessenvertretung als "Etikettenschwindel", "als Mogelpackung", als "fremdbestimmt" und als abhängig von "staatlichen Almosen". Bayerns damalige Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hielt dagegen: "Mit diesem Konzept nutzen wir die wesentlichen Vorteile einer klassischen Kammer, ohne gleichzeitig die Pflegekräfte mit einer Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen zu belasten." Auf Huml hagelte es in der Folge heftige Kommentare.
Die Blaupause für scharfe Bemerkungen hatte indes bereits Markus Söder, Bayerns jetziger Ministerpräsident, in seiner Zeit als Gesundheitsminister geliefert: "Wer gegen die Kammer ist, ist gegen die Pflege", gab er da etwa von sich. Kritiker der "Pflegekammer light" von Huml blieben dieser Losung treu: Nur eine echte Kammer verschaffe der Pflege eine einflussreiche Stimme. Zu diesen zählte auch Katrin Havers, die Vorsitzende des "Errichtungsausschusses" für die Pflegekammer Niedersachsen.
"Keine Häme", sagt Sigl-Lehner erneut. "Einer Berufsgruppe, der man 50 Jahre und noch länger die Selbstverwaltung nicht zugestanden hat, per Gesetz mal so zu erklären, dass sie sich nun selber verwalten solle, das funktioniert nicht", betonte er. Auch die Vereinigung der Pflegenden hat, obwohl beitragsfrei, nur 2200 Mitglieder, wie der VdPB-Präsident einräumt. "Aber die Effektivität einer solchen Interessenvertretung hängt nicht von der Mitgliederzahl ab", sagt er. Und verweist auf einige Gewerkschaften. Erst jüngst habe er dem jetzigen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) Vorschläge für eine Verbesserung der Pflege in Bayern vorgelegt.
Jene, die mit Huml noch über ihren Kampf um die "Pflegekammer light" reden, sagen, sie fühle sich angesichts der vielen Aktivitäten der Vereinigung der Pflegenden bestätigt. Doch statt den späten Erfolg auszukosten, sagte sie am Dienstag nur: "Ich habe seinerzeit die Vereinigung der Pflegenden in Bayern gegen Widerstände durchgesetzt."