Bayern:Söder gerät wegen GBW-Wohnungsverkauf in Bedrängnis

Presse-Konferenz mit Markus Söder

Markus Söder erklärt den Verkauf der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Im Streit um den Verkauf der einst staatlichen Wohnungsgesellschaft GBW gerät Ministerpräsident Markus Söder durch ein bislang unbekanntes Schreiben der EU-Kommission in Bedrängnis.
  • Der Brief legt nahe, dass Bayern die 33 000 Wohnungen doch von der Landesbank hätte übernehmen können. Das hat Söder bislang immer bestritten.
  • Mit dem Schreiben steht nun der Vorwurf im Raum, die Staatsregierung habe die Mieter und die Öffentlichkeit getäuscht.

Von Klaus Ott und Wolfgang Wittl

Im Streit um den Verkauf der einst staatlichen Wohnungsgesellschaft GBW gerät Ministerpräsident Markus Söder (CSU) durch ein öffentlich bislang nicht bekanntes Schreiben der EU-Kommission noch mehr als bisher in Bedrängnis. Diesem Brief vom Dezember 2013 zufolge hätte es die EU damals dem Freistaat nicht grundsätzlich verboten, die GBW mit ihren 33 000 Wohnungen von der eigenen Landesbank zu übernehmen und somit zu behalten. Man habe "lediglich darauf hingewiesen", dass es kein "überhöhtes Angebot seitens der öffentlichen Hand geben dürfe". So steht es in dem Schreiben des damaligen EU-Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia aus Spanien, der zugleich Vizechef der Kommission war. Der Brief, der am 13. Dezember 2013 laut Eingangsstempel bei Ministerpräsident Horst Seehofer eintraf, liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Die Äußerung der EU-Kommission von Ende 2013 ist für die Staatsregierung und die CSU heute deshalb höchst heikel, weil Söder und führende Parteifreunde von ihm wiederholt das Gegenteil behauptet und so den Verkauf der Wohnungen an einen privaten Investor gerechtfertigt hatten. Im Januar 2012 hatte Söder, der als Finanzminister für die Sanierung der angeschlagenen Landesbank zuständig war, klipp und klar erklärt: "Die EU-Kommission verbietet, dass der Freistaat die Wohnungen kauft." Mit dem Schreiben von Almunia steht nun mehr denn je der Vorwurf im Raum, die Staatsregierung habe die Mieter und die Öffentlichkeit getäuscht. Und das wenige Monate vor der Landtagswahl, bei der Söder als neuer Ministerpräsident auch mit dem Thema Wohnungsbau werben und so die Alleinregierung der CSU verteidigen will. Eine neue staatliche Gesellschaft namens "Bayernheim" soll bis 2025 10 000 Wohnungen errichten und bezahlbare Mieten garantieren.

Nach Ansicht der Landtagsopposition hat Söder als Finanzminister mit dem Verkauf der GBW zuvor aber genau das Gegenteil getan. SPD, Grüne und Freie Wähler warfen Söder am Donnerstag vor, er habe den Mieterschutz der 85 000 betroffenen Bewohner geopfert. "Die Wahrheit ist: Söder wollte die Wohnungen unter keinen Umständen in öffentlicher Hand behalten, wie er es heute vorgibt", sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher: "Der Verräter bayerischer Mieter sitzt nicht in der EU-Kommission, sondern in der CSU-Staatskanzlei." Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, wirft Söder und der CSU vor, "die Öffentlichkeit systematisch belogen und einen Milliardenschaden für den bayerischen Steuerzahler angerichtet" zu haben. "Söders Falschspiel ist mit Bekanntwerden dieses Schreibens offiziell aufgeflogen", sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Söder sei es nur "um die Rettung einer von der CSU in den Dreck gefahrenen Bank" gegangen, nicht um das Wohl der Mieter. "Der GBW-Verkauf ist für Söder ein schwerer Rucksack für die Landtagswahl", prognostizierte Hartmann.

Das Finanzministerium erklärte auf Anfrage der SZ, ein Erwerb der GBW-Anteile durch den Freistaat Bayern sei nicht möglich gewesen. Dann hätte ein neues EU-Verfahren gedroht. Daran habe auch der nach der EU-Entscheidung zur Landesbank erfolgte Brief von Almunia nichts geändert. Der Verkauf der GBW sei durch die BayernLB erfolgt, nicht durch das Finanzministerium. "Die Staatsregierung hatte im Vorfeld versucht, einen Exklusivverkauf an ein kommunales Konsortium zu erreichen. Das war an der EU-Kommission gescheitert." Ein Konsortium um die private Gesellschaft Patrizia habe "wirtschaftlich in jeder Hinsicht das beste Angebot abgegeben" und daher den Zuschlag bekommen.

Regierung und Opposition zanken sich seit Langem wegen des Verkaufs der GBW an das Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia. Der Streit hatte im Herbst 2013 auch die EU-Kommission erreicht. Ein Kommissionssprecher hatte damals erklärt, der Verkauf der Wohnungen sei von der Landesbank vorgeschlagen worden. "Die Idee kam nicht von der EU-Kommission." Daraufhin hatten Söder und andere führende CSU-Politiker die EU attackiert; bis hin zu dem Vorwurf, die Kommission verhalte sich scheinheilig.

Das wiederum wollte sich der für die Sanierungsauflagen bei der Landesbank zuständige Kommissar Almunia nicht gefallen lassen. Er teilte der Staatsregierung am 9. Dezember 2013 seine "große Verwunderung" über Söders Kritik mit. "Erlauben Sie mir die Fakten klarzustellen", schrieb Almunia an Seehofer. Die Landesbank, die sich bei Geschäften in Österreich, auf dem Balkan und in der USA schwer verkalkuliert hatte, habe zu ihrer Rettung einen "sehr hohen Betrag an Steuergeldern erhalten" - insgesamt zehn Milliarden Euro sowie Garantien in Milliardenhöhe.

Die EU habe mit dem von ihr genehmigten Plan für eine neue Struktur der BayernLB sicherstellen wollen, dass "künftig keine Steuergelder mehr benötigt werden". Auflagen der Brüsseler Kommission hätten eine teilweise Rückzahlung der Staatshilfen vorgesehen. Alle weiteren Maßnahmen einschließlich des Verkaufs der GBW, schrieb Almunia an Seehofer, seien von Landesbank und Politik zugesagt worden. Seehofer und Söder waren damals durch die Vorgaben aus Brüssel in Zugzwang. Ohne einen Verkauf der Wohnbaugesellschaft wäre die Landesbank wohl nicht zu sanieren gewesen. Auch hätten dann die Auflagen der EU bestimmt nicht eingehalten werden können. Insofern ist es eher eine Formalie, wer den Verkauf der GBW offiziell vorgeschlagen hat. Kern des Streits ist vielmehr, ob der Freistaat die GBW und deren 33 000 Wohnungen selbst hätte kaufen und somit behalten dürfen.

Regierung und führende CSU-Politiker haben das stets vehement bestritten. Dies wiederum hatte ein Sprecher von Almunia schon im November 2013 öffentlich bestritten, was Söder zur Attacke auf die EU-Kommission veranlasste. Auf diese Kritik aus Bayern hin schickte Almunia den Brief an Seehofer. Das Schreiben ist nur zwei Seiten und 27 Zeilen lang. Das genügt, um Seehofers Nachfolger Söder Jahre später neues Ungemach zu bereiten.

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