Ein Mann mit kahlrasiertem Schädel betritt den Gerichtssaal. Er setzt sich auf den Zeugenstuhl, fünf Minuten, dann darf er wieder gehen, keine weiteren Fragen. Nicht von den Richtern, nicht von den Staatsanwälten, nicht von den Strafverteidigern. Knapp 250 Kilometer ist der Mann angereist, aus dem Erzgebirge in die Oberpfalz. Für mickrige fünf Minuten? Na ja, sagt der Mann, "dann kann ich jetzt ein Bierchen trinken gehen, ist auch was Gutes". Die Köpfe drehen sich zur Uhr, die im Gerichtssaal über der Tür hängt. 10.30 Uhr. Das ist mal eine Ansage an den Kreislauf, so ein frühes Bierchen. Wenigstens eine klare Ansage an diesem Dienstag, der nicht viel Klarheit bringt im Bayern-Ei-Prozess.
Ist der Eierfabrikant Stefan Pohlmann schuld, dass im Sommer 2014 mehr als 180 Menschen an Salmonellen erkrankten und ein Mann starb? Das Gericht hat sich Antworten versprochen von den fünf Zeugen, die am Dienstag aussagen, am planmäßig letzten Tag der Beweisaufnahme im Prozess. Stattdessen bleiben Fragen offen. Darf Pohlmann jetzt auf ein mildes Urteil hoffen?
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Wer auf der Zielgeraden des Verfahrens ein Fazit wagt, muss noch einmal zurück auf Anfang gehen, zurück zur Anklage. Darin heißt es, dass "die Betriebe der Firma Bayern-Ei als Infektionsquelle zweifelsfrei festgestellt werden konnten". Ein Münchner Genomforscher hat bestätigt, dass die Salmonellen in den Körpern der Erkrankten auf kleinster genetischer Ebene mit Salmonellen verwandt sind, die in Pohlmanns Eierfabriken festgestellt wurden. Zum gleichen Ergebnis kam ein britischer Bioinformatiker. Also, klare Sache? Nein, sagen Pohlmanns Anwälte.
Sie haben im Prozess so argumentiert: Erstens hätte es einer forensischen DNA-Untersuchung bedurft, um die Verbindung zwischen Krankheitsfällen und verseuchten Eiern zu beweisen - und keiner epidemiologischen Analyse, auf die sich die Anklage stützt. Und zweitens: Selbst wenn der Erreger bei Eiern und Erkrankten der gleiche war, heiße das nicht, dass es den Erreger nicht anderswo noch einmal gab. Pohlmanns Firma habe ihre Eier über Zwischenhändler vertrieben, "die werden von einer ganzen Reihe von Betrieben beliefert", sagt dessen Anwalt Ulrich Ziegert. Er argumentiert, dass die kontaminierten Eier genauso gut aus anderen Betrieben auf Tellern und in Eierbechern der Erkrankten gelandet sein könnten.
Um den Weg der Eier zu den Patienten nachzuzeichnen, hat das Gericht seit September sehr viele Zeugen nach Regensburg geladen. Bayern-Ei-Mitarbeiter, Zwischenhändler, Erkrankte. Wie schwierig diese Rekonstruktion ist, wird am Dienstag noch einmal deutlich. "Wir hatten keine direkten Kontakte zu Bayern-Ei", sagt der Mitarbeiter einer Supermarktkette, die faule Pohlmann-Eier verkauft haben soll. Er wisse auch nicht, wo der Zwischenhändler "die Eier herhatte".
Ein Zwischenhändler sagt: "Ich kann nicht sagen, welche Eier an welchem Tag geliefert wurden" und woher genau. Er bewahre seine Lieferscheine höchstens fünf Jahre auf, "die fünf Jahre sind rum". Und der Mann mit dem frühen Bierdurst sagt, dass sein Großhandel die Eier ausschließlich im Erzgebirge kauft. Wie sich drei Mitarbeiterinnen einer Bäckerei, die bei ihm Kunde war, mit dem Salmonellentyp infizieren konnten, der auch bei Bayern-Ei festgestellt wurde? Es bleibt unklar.
Vielleicht hat es ja mit solchen Unklarheiten zu tun, dass Richter Michael Hammer dem Angeklagten Pohlmann dann tatsächlich ein milderes Urteil in Aussicht gestellt hat. Vor drei Wochen hat Hammer in einem rechtlichen Hinweis mitgeteilt, dass bei einem Schuldspruch auch fahrlässige Körperverletzung infrage kommt - statt gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge, wie es in der Anklage steht.
Ein Feiertag dürfte der Tag des Urteils für Pohlmann trotzdem nicht werden. Es gibt ja noch weitere Anklagepunkte, bei denen er wesentlich schlechter dasteht. Zum Beispiel: gewerbsmäßiger Betrug. Laut Staatsanwaltschaft hat Pohlmann seinen Kunden verschwiegen, dass es in seinen Betrieben positive Salmonellenproben gab. Im Prozess haben mehrere Abnehmer gesagt, dass sie sich betrogen fühlen. Auch Mitarbeiter der inzwischen geschlossenen Bayern-Ei-Betriebe haben ihren früheren Chef belastet.
Etwa die Frau, die den Richtern erzählte, wie sie alte Eier neu verpackt und das Haltbarkeitsdatum gefälscht hat. Und wie sie angewiesen worden sei, Zählgeräte zu manipulieren. Bis zu 30 000 Eier seien manchmal ungezählt durch die Maschinen gelaufen. Die niedrigen Zahlen sollten offenbar vertuschen, dass mehr Hühner als erlaubt im Stall untergebracht waren. Es soll noch mehr Tierschutzverstöße gegeben haben. Auch hierfür muss Pohlmann eine Strafe fürchten.
Wie diese Strafe ausfällt, könnte bald feststehen - wenn auch etwas später als geplant. Denn am Dienstagnachmittag vereinbaren die Verfahrensbeteiligten, dass Mitte Februar doch noch mal ein Zeuge geladen wird. Ein Urteil könnte es dann im März geben.