Bildung:Studis sollen den Lehrermangel wettmachen

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Das letzte Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz kam bei Lehrerinnen und Lehrern nicht gut an. (Foto: Armin Weigel/DPA)

Im Kampf gegen fehlende Lehrkräfte will Markus Söder Lehramtsstudenten in die Klassen schicken. Ein Praxissemester soll zur Pflicht werden. Die Verbände sind kritisch.

Von Marie Vandenhirtz

Vom Hörsaal direkt vor die Klasse. So in etwa stellt sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder das Lehramtsstudium in Bayern künftig vor. Der CSU-Politiker will ein verpflichtendes Praxissemester für Lehramtsstudierende einführen und damit dem Lehrermangel in Bayern entgegenwirken, so sagte es Söder Ende Januar bei der CSU-Klausurtagung in Kloster Banz. Doch genauso laut, wie er seinen Vorschlag zur Reformierung des Lehramtsstudiums bekannt machte, so laut sind inzwischen auch die Stimmen gegen den Vorschlag.

Verbände warnen davor, Studierende mit einem Praxissemester zu vergraulen: "Wer jetzt nicht optimal begleitet wird und merkt, wie chaotisch es abläuft, den verlieren wir", warnt Simone Fleischmann, die Präsidentin des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). In der aktuellen Lehrermangel-Situation, sei eine gute Begleitung von erfahrenen Lehrkräften kaum möglich.

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Klar ist: Bayern braucht mehr Lehrer. 2022 konnten deutschlandweit zehn Prozent der Stellen nicht besetzt werden. Dies zeigte eine Forsa-Umfrage unter 1308 Schulleiterinnen und Schulleitern, darunter auch 250 in Bayern. Viele bayerische Schulen beschäftigen deshalb bereits Quereinsteiger. Doch auch das reicht nicht aus. Jetzt sollen also die Studierenden früher aus der Theorie rein in die Praxis - um Lücken zu füllen.

So einfach ist das aber nicht, mahnt der BLLV. Der Verband hat ein Positionspapier veröffentlicht, in dem steht, wie das Praxissemester optimalerweise aussehen soll. Regelmäßige Orientierungsgespräche, Portfolios, Elternabende, Konferenzen, Hospitationen und ja, auch selbst geführter Unterricht - allerdings nur unter Aufsicht und guter Anleitung, stehen darin. Doch wer soll Studenten gut anleiten, wenn Lehrer bereits mit ihren eigenen Aufgaben überfordert sind, fragt sich die Präsidentin des BLLV. "Eigentlich müssten sich ausgebildete Lehrkräfte Zeit nehmen, um Studierenden etwas beizubringen. Da sollten Stunden eingeplant werden, um sich zusammenzusetzen. In der aktuellen Situation schaffen die das gar nicht."

In anderen Bundesländern werden Studierende schon für Vertretungsstunden eingesetzt

In anderen Bundesländern gibt es das Praxissemester schon längst. Doch auch hier berichten Studenten vermehrt, dass sie für Vertretungsunterricht eingesetzt werden. Georg C. Hoffmann, Vorsitzender der Jungen Philologen beim Deutschen Philologenverband, hat Berichte zum Praxissemester gesammelt. "Es ist des Öfteren vorgekommen, dass wir einspringen ,durften', schrieb ihm eine Studentin. Und eine andere: "Zu den ausgefallenen Stunden hat die Lehrerin grundsätzlich kein Material gestellt, sondern gemeint, wir sollen uns zu den Einheiten etwas ausdenken."

Anfänger ganz allein vor der Klasse? Experten an den Universitäten Bayerns sehen das kritisch. "Die Idee, Personallücken zu stopfen, ist der ganz falsche Ansatz", sagt etwa Andreas Hartinger, Lehrstuhlinhaber der Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik an der Universität Augsburg. Hartinger ist grundsätzlich offen für ein Praxissemester, in dem Studierende eigenverantwortlichen Unterricht übernehmen. Idealerweise sollte dies aber erst nach dem dritten oder vierten Semester stattfinden und nur unter Aufsicht. "Geschieht das nicht, kann das zu Abbrüchen führen." Barbara Drechsel von der Universität Bamberg sieht im Praxissemester insgesamt keinen Mehrwert gegenüber den bisherigen Praktika in Bayern. Es vergrößere nicht den Effekt auf die Kompetenzen oder das Auftreten von Studierenden.

Der Bayerische Elternverband ist nicht weniger skeptisch: Ältere Schüler könne es vielleicht motivieren, wenn jemand, "der fast im selben Alter ist, den Unterricht führt", sagt die stellvertretende Landesvorsitzende Henrike Paede. Wenn die Studenten aber als Lückenfüller einspringen müssten, leide die Qualität des Unterrichts.

Wie aber würde ein solches Praxissemester genau aussehen? Das hinge wohl am Ende auch von der jeweiligen Universität ab. Lehre fällt unter die akademische Freiheit. Universitäten und Hochschulen dürfen selbst entscheiden, wie sie das Praxissemester umsetzen wollen. "Die können die Qualität überprüfen und Lehrer unterstützen, wenn sie das denn wollen. Sonst passiert das eben nicht", sagt der Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, Gerhard Brand.

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