Gesellschaftskritik der ÖDP:"Ja hat denn koaner die Grenzen des Wachstums gelesen?"

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In dem Film der ÖDP geht es nicht etwa um Bierkrawalle, Liebesaffären und Wilderer-Stückl, sondern um die Zerstörung der Umwelt, vor der bereits vor 50 Jahren in dem Buch "Grenzen des Wachstums" gewarnt wurde. (Foto: Peter Hinz-Rosin/Photographie Peter Hinz-Rosin)

In einem an die Kultserie "Königlich Bayerisches Amtsgericht" angelehnten Kurzfilm setzt sich die ÖDP mit dem vor 50 Jahren erschienenen Buch auseinander - und zeigt: Früher war eben doch nicht alles besser.

Von Hans Kratzer, München

Zum Glück ist der Mensch imstande, das Elend der Gegenwart durch die Erinnerung an eine bessere Vergangenheit gedanklich zu mildern. Seit jeher wird in Bayern die gute alte Zeit beschworen, etwa die Ära des Prinzregenten Luitpold (1886-1912). Damals war das Bier noch dunkel, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam, "es war halt noch vieles in Ordnung". Diese Worte sind der ZDF-Kultserie "Königlich Bayerisches Amtsgericht" entnommen, die zwischen 1969 und 1972 ausgestrahlt wurde, aber wegen ihrer Kuriosität noch heute eifrig zitiert wird.

Für ein abermaliges Aufwallen der Amtsgerichts-Begeisterung sorgt gerade die ÖDP, die auf ihrer Homepage eine selbst produzierte Sonderfolge präsentiert. Freilich nicht um des Juxes willen, vielmehr soll der Film die wegen ihres verschwenderischen Lebensstils vom Untergang bedrohte Menschheit aufrütteln. Um ihre Ziele zu erreichen, setzt die Kleinpartei, die bei Bundes- und Landtagswahlen über ein bis zwei Prozent nicht hinauskommt, gerne auf Emotion. Oft mit Erfolg, jedenfalls endeten die von ihr initiierten Volksbegehren (Abschaffung des Senats, Rauchverbot, Bienenrettung) recht erfolgreich.

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Während Georg Lohmeier, der Erfinder der Amtsgerichts-Serie, von alten Verhältnissen träumte, greift die ÖDP zwar ebenfalls auf Elemente der Gemütlichkeit wie den Amtsgerichts-Landler zurück, verlegt das Geschehen aber in die Zeit des Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Deshalb geht es in dem Film auch nicht um Bierkrawalle, Liebesaffären und Wilderer-Stückl, sondern um die Zerstörung der Umwelt, einem Elementardelikt, vor dem bereits vor 50 Jahren in dem Buch "Grenzen des Wachstums" gewarnt wurde.

Die ÖDP wirft den Politikern vor, dieses Buch nicht gelesen zu haben. Und so beginnt die Verhandlung mit einer Prise Holzhammer-Ironie: "Fast alle glaubten an das ewige Wachstum. Es war halt noch vieles in Ordnung damals ..." Unterlegt sind diese Worte mit Bildern vom Bauzaun in Wackersdorf. Forsch geht es weiter: "Denn für die richtigen Entscheidungen sorgte nicht das königliche Amtsgericht, sondern so manche Parteispende der Großkonzerne."

Nun muss der Wachtmeister die Zeugen Scholz und Söder beibringen. "Ja hat denn koaner die Grenzen des Wachstums gelesen?" schimpft der Richter und fällt ein vernichtendes Urteil: Alle Abgeordneten müssen das 1972 erschienene Buch lesen. Und die Parteien dürfen von Konzernen keine Geldgeschenke mehr annehmen. Was Logik und Feinsinn betrifft, ruckelt der ÖDP-Film zwar arg, aber trotzdem: "Das Leben geht weiter, eine liebe Zeit, trotz der Vorkommnisse", heißt es in Lohmeiers Original, das dem beglückenden Schema der Komödie folgt. Davon rückt die ÖDP radikal ab: Am Horizont dräut die Tragödie.

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