Oberster Rechnungshof:Geld für Verpflegung von Klinikpersonal "zweckwidrig verwendet"

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Der Bayerische Oberste Rechnungshof übt Kritik an der Staatsregierung. (Foto: Peter Kneffel/ dpa)

Inmitten der Corona-Pandemie sollte es für Beschäftigte in Krankenhäusern und in der Pflege wenigstens kostenfreie Mahlzeiten geben. 133 Millionen Euro stellte der Freistaat dafür zur Verfügung - doch bei einem Drittel der untersuchten Fälle ist das Geld offenbar versandet.

Von Johann Osel, München

Der Oberste Rechnungshof (ORH) in Bayern hat Hinweise darauf, dass Geld für eine kostenlose Verpflegung von Klinikbeschäftigten in den ersten Monaten der Pandemie nicht flächendeckend bei den Empfängern angekommen ist. Die Staatsregierung hatte im März 2020 beschlossen, die Mitarbeiter in Krankenhäusern oder Alten- und Pflegeeinrichtungen mit kostenfreien Mahlzeiten zu unterstützen - 133 Millionen Euro wurden dafür bereit gestellt.

Bei einer Sitzung des Kabinetts von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) damals wurde dies auch als Dank für "den großen Einsatz" der Arbeitskräfte bezeichnet, sie sollten sich "mit ganzer Kraft um die Betreuung und Versorgung der Patienten kümmern können". Bei seiner Prüfung stellte der ORH fest, dass bei mehr als einem Drittel der untersuchten Fälle die Pauschalen zunächst nicht den Mitarbeitern zugute kamen - sondern bei den Einrichtungen versandeten.

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Das teilt der ORH in seinem Jahresbericht mit, der an diesem Dienstag erscheint und bereits am Montag dem Landtag zugestellt wurde. Wesentliche Teile des Geldes seien "zweckwidrig verwendet" und "elementare haushaltsrechtliche Grundsätze" außer Acht gelassen worden. Daher empfehlen die Finanzkontrolleure, dass die Staatsverwaltung die gewährten Leistungen "nun endlich zu überprüfen und gegebenenfalls zurückzufordern" habe.

Ohnehin ist die Pandemie ein Schwerpunkt des Berichts, der sich neben einzelnen Prüfungen (von Projekten oder Förderungen quer durch die Ressorts) den Corona-Krediten widmet. Bereits im Februar hatte der ORH Zweifel an der benötigten Neuverschuldung wegen Corona und damit an Teilen des Staatshaushalts für 2022 angemeldet. Für die Bewältigung der Pandemie hatte der Landtag 2020 einen Kreditrahmen von bis zu 20 Milliarden Euro freigegeben.

Für 2022 steht davon noch gut ein Viertel zur Verfügung. Die Notlagenkredite dürften aber ausschließlich zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen eingesetzt werden, schrieb der ORH schon vor zwei Monaten. Alles andere müsse "substanziell begründet" werden. In dieser Woche wird der Haushalt 2022 final durch den Landtag verabschiedet.

Ein Entscheid des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz macht das Thema brisant

Die strukturelle Entlastung des Etats und die Schuldenbremse dürften nicht aus dem Blick geraten, mahnt der ORH im Bericht. Vor dem Hintergrund von 5,1 Milliarden Euro Steuer-Mehreinnahmen vergangenes Jahr sollte "eine dauerhafte Reduzierung des bisherigen Gesamtkreditrahmens" von 20 Milliarden Euro geprüft werden. Über Corona-Schulden finanzierte Maßnahmen müssten "einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Notlage haben".

Konkret geht es etwa um die "Hightech Agenda Plus", die Söder als "Innovationssprung nach Corona" initiiert hat - damit finanziert werden mit Kreditgeld etwa Professuren in Zukunftsdisziplinen. Dem ORH fehlt die genaue Begründung, welche Wirkungen dieses und ein weiteres Programm unter anderem für Digitalisierung zur "Überwindung der Notlage" haben. Im Februar hatten die Grünen gerügt, Söder habe "seine eigenen Prestigeprojekte hineingeschummelt".

Brisant ist das, weil der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz erst vor wenigen Tagen über das kreditbasierte Corona-Sondervermögen der dortigen Landesregierung entschieden hat. Die Richter stoppten Teile davon als nicht verfassungskonform: Das Geld fließe in Vorhaben etwa für Digitalisierung, nicht zweckgerichtet wegen der Corona-Notlage. Beobachter erkannten in dem Urteil bundesweite Signalwirkung.

Schon im Februar hatte Finanzminister Albert Füracker (CSU) dem ORH bei dessen Mitteilung entgegnet: Der Freistaat gehe "höchst sorgsam mit Steuergeld" um, das gelte auch für die Kreditermächtigungen. Man spare "nicht blind gegen diese Krise an", sondern setze Impulse für einen nachhaltigen Wirtschaftsstandort.

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