Landtagswahl in Bayern:Dreikampf um Platz zwei

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Katrin Ebner-Steiner wurde 2017 als "Populistin im Dirndl" bekannt, als sie bei der Bundestagswahl in Deggendorf fast 20 Prozent holte. Martin Böhm ist bislang weniger stark in Erscheinung getreten. Beide gehören dem formal aufgelösten "Flügel" der AfD an. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Freie Wähler, Grüne oder die AfD könnten zweitstärkste Kraft im Freistaat werden. Besonders ein Szenario beunruhigt viele Demokraten.

Von Andreas Glas und Johann Osel

Ungefähr 150 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der Messe München und dem Nürnberger Jakobsplatz. Während am Samstag in München der CSU-Parteitag seinen Chef wiederwählt, tritt in Nürnberg der Kanzler auf, um Wahlkampfhilfe zu leisten für seine SPD in Bayern. Markus Söder darf sich feiern lassen, 96,5 Prozent Zustimmung, Rekord für ihn. Olaf Scholz muss gegen Trillerpfeifen anreden, das SPD-Publikum dagegen anklatschen. "Der Spitzenreiter von nicht erledigten Ankündigungen, markig, aber wirkungsfrei", sagt Scholz über Söder. Wenn Bayern stabil regiert werden solle, dann müsse die SPD in die Regierung.

150 Kilometer trennen also München und Nürnberg, die Bühnen von CSU und SPD. Und doch Welten. Die CSU wird die Bayern-Wahl auch diesmal gewinnen, wenn kein Wunder mehr geschieht, die SPD krebst in Umfragen bei neun Prozent, Platz fünf. Und dazwischen? Grüne, Freie Wähler, AfD, alle sind nah beisammen. Nach Lage der Dinge ist das Rennen um Platz zwei das spannendste Rennen dieses Wahlkampfs. Es könnte, je nach Ausgang, die Landespolitik dauerhaft verändern.

Der Dreikampf zeichnet sich erst seit ein paar Wochen ab

Von einer "Zerfaserung und Zersplitterung" der Parteienlandschaft hat CSU-Chef Söder beim Parteitag gesprochen. In Bayern macht sich das Splittern insofern bemerkbar, als das übliche TV-Duell der Spitzenkandidaten diesmal ausfällt. Von einem Duell zu sprechen, war in Bayern zwar schon vorher übertrieben, die Dominanz der CSU ist einfach zu groß. Aber immerhin, lange gab es eine klare Nummer zwei. Über Jahrzehnte hinweg war das die SPD, zuletzt waren es die Grünen. Aber SPD und Grüne sind geschrumpft, die einen gewaltig, die anderen nur leicht, aber wegen der Zuwächse bei Freien Wählern und AfD ist nun eben ein Dreikampf um den zweiten Platz gewachsen.

So richtig hat sich der Dreikampf erst vor ein paar Wochen abgezeichnet, Anfang August. Da lagen Grüne und Freie Wähler in einer Forsa-Umfrage für die Süddeutsche Zeitung plötzlich gleichauf, jeweils 14 Prozent. Dahinter die AfD, 13 Prozent. Nach der Affäre um FW-Chef Hubert Aiwanger und das rechtsextremistische Flugblatt konnte sich dessen Partei dann etwas absetzen, auf 17 Prozent. Markus Söder sprach von einer "Fieberkurve", einer spontanen Solidarisierung mit Aiwanger, der sich in der Affäre als Opfer einer "Schmutzkampagne" inszeniert. In der jüngsten Civey-Umfrage für Spiegel und Augsburger Allgemeine scheint sich das Fieber tatsächlich wieder gelegt zu haben: 14 Prozent für Freie Wähler und Grüne, 13 Prozent für die AfD.

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Das Rennen um Platz zwei und drei ist also offen, zwei Wochen vor der Landtagswahl am 8. Oktober. Für die Regierungsbildung ist es wohl irrelevant, wie es ausgeht, CSU-Chef Söder will die Koalition mit Aiwangers Freien Wählern fortsetzen, trotz allem, und Schwarz-Grün hat er kategorisch ausgeschlossen. Allerdings, für die politische Kultur in Bayern wird es einen fundamentalen Unterschied machen, ob die Grünen wieder Oppositionsführerin werden - oder erstmals die AfD. Wenige Prozentpunkte, vielleicht sogar Nachkommastellen, könnten über einen weitreichenden Wandel entscheiden.

Im Landtag darf die Oppositionsführerin in der Regel direkt nach den Regierungsparteien ans Mikro - und setzt damit nicht selten den Ton der Debatte. Auch bei den Regierungserklärungen des Ministerpräsidenten oder von Staatsministern, über weite Strecken der Corona-Pandemie waren diese das entscheidende Format im bayerischen Parlament. Oder bei den traditionellen Schlussworten des Landtagspräsidiums, ein zeremonieller Akt, bei dem es um Grundsätzliches geht, um Debattenkultur, überhaupt um den Wert der Demokratie.

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Wie es die AfD mit Kultur und Werten der Demokratie hält, war in der ablaufenden Legislatur zu beobachten. 26 Rügen hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) in fünf Jahren ausgesprochen, vor allem für die AfD, jahrzehntelang gab es keine einzige. "Kein Zufall, dass der Ton auch hier im Landtag spürbar verroht ist", sagte Aigner.

"Leichte Anfänge von Weimar", diagnostiziert Söder

Dass es künftig kultivierter zugeht, ist kaum zu erwarten, sollte die AfD die Opposition anführen. Zumal es im Rennen um diese Rolle auch um die Reihenfolge geht, mit der die Fraktionen auf den Vorsitz in den Fachausschüssen zugreifen dürfen. Und um Dinge, die nicht so klar geregelt sind: Bislang haben die anderen Parteien der AfD nämlich den Posten eines eigenen Vizepräsidenten im Landtag verwehrt, ebenso die Teilnahme am Parlamentarischen Kontrollgremium, das unter anderem den Verfassungsschutz überwacht.

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"Ich möchte nicht, dass extreme Kräfte im Namen des gesamten bayerischen Landtags sprechen", mit diesen Worten hatte etwa FW-Fraktionschef Florian Streibl die Nicht-Wahl der AfD-Kandidaten zum Vizepräsidenten begründet. Die Abstimmung mit Nein ist das gute Recht aller Abgeordneten, eine Begründung ist gar nicht nötig. Aber angenommen die AfD wäre künftig Oppositionsführerin - die Ablehnung für derlei Posten könnte wesentlich stärker als bisher demokratietheoretische Debatten nach sich ziehen, auch in der Öffentlichkeit. Die AfD würde solche Debatten jedenfalls massiver anzetteln als bisher.

"Leichte Anfänge von Weimar", diagnostizierte CSU-Chef Söder beim Parteitag in München. "Es sind schon Zeichen an der Wand für einen rechten Erdrutsch", sagte in Nürnberg auch Florian von Brunn, Spitzenkandidat der bayerischen SPD, die im Rennen um Platz zwei keine Rolle spielt. Ebenso wenig die FDP, die wohl aus dem Landtag fliegt. Das Splittern, auch in Bayern hat es begonnen.

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