Es war Ende April, da hat das Bundesverfassungsgericht verkündet, dass der Bund seine Anstrengungen für den Klimaschutz verstärken muss. Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder erkannte sofort, dass die Entscheidung gravierende Auswirkungen auf Bayern hat, und kündigte schnell ein neues Klimaschutzgesetz an. Alle Welt rechnete damit, dass es spätestens zur Sommerpause steht. Doch dann kam nur eine Regierungserklärung. Jetzt gibt es Anzeichen, dass Söder sein neues Klimaschutzgesetz im November präsentieren könnte - allerdings abgespeckt um die Frage, wie er es mit der Windkraft in Bayern halten wird. Das Klimaschutzgesetz und die Zukunft der Windkraft in Bayern werden entkoppelt. So ist es dieser Tage aus der CSU-Fraktion zu hören.
Das ist erstaunlich. Sind doch der Klimaschutz und die Energiewende und damit der Ausbau der Windkraft eng miteinander verknüpft. Außerdem hatte Söder in seiner Regierungserklärung angekündigt, dass es im Zuge des neuen Klimaschutzgesetzes eine kleine Reform von 10H geben wird. Nach Vorgabe muss der Abstand zwischen einem Windrad und der nächsten Wohnsiedlung mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen. Bei modernen Windrädern sind das zwei Kilometer. Aus der Sicht von Experten, Umweltverbänden und der Opposition im Landtag ist 10H verantwortlich dafür, dass die Windkraft in Bayern nicht vorankommt. Der Grund: Es fehlt einfach an Grundstücken, auf denen Windräder unter Einhaltung der Vorgabe errichtet werden können. Deshalb ist 10H höchst umstritten.
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Um die Jahrtausendwende boomte die Solarbranche, dann brach der Markt zusammen. Nun werden in vielen Gemeinden neue Anlagen geplant. Das liegt nicht nur an der Klimakrise.
In der Regierungserklärung hat Söder nun Ausnahmen von 10H versprochen: beim Repowering, also beim Ersatz alter durch neue Windräder, in den Staatswäldern, auf vorbelasteten Flächen, etwa an Autobahnen, oder in sogenannten Vorranggebieten, die einst eigens für Windparks ausgewiesen, dann aber wegen 10H kassiert worden sind. Alles in allem sollten so mindestens 500 neue Windräder in Bayern möglich werden, hat Söder im Juli gesagt.
In der Debatte "ist es sofort wieder sehr emotional geworden"
Doch die Reform kommt nicht voran. Der eine Grund ist, dass es das Bauministerium trotz aller Mühen einfach nicht hinkriegen dürfte, die Ausnahmen von 10 H so rechtssicher in die bayerische Bauordnung einzufügen, dass sie vor Gericht Bestand haben. Ein Beispiel: Kein Richter der Welt dürfte einsehen, warum in einem privaten Wald 10H gelten soll, in den staatlichen Wäldern aber nicht, sagt ein CSU-Abgeordneter, der nicht genannt werden will. Die Unterscheidung sei ein so tiefer Eingriff in das Eigentumsrecht, dass sie nicht haltbar sein dürfte.
Der andere Grund ist nicht weniger gewichtig: Maßgebliche CSU-Abgeordnete vor allem aus Nordbayern, wo vergleichsweise viele Windräder stehen, wollen partout keine Reform von 10H, egal was Söder in seiner Regierungserklärung verkündet hat. Als neulich darüber in einem Fraktionsarbeitskreis debattiert wurde, "ist es sofort wieder sehr emotional geworden", sagt ein CSUler. "Wir haben einfach zu viele Leute in der Fraktion, die sich gegen jede noch so kleine Verbesserung für die Windkraft sperren."
Und dann ist da noch die Sache mit der neuen Ampelkoalition im Bund. SPD, Grüne und FDP sind sich einig, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien stark beschleunigt werden muss. Was die Windkraft anbelangt, soll jedes Bundesland per Bundesvorgabe verpflichtet werden, zwei Prozent der Landesfläche für Windräder zur Verfügung zu stellen. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock hat dieser Tage in einem Interview erklärt, dass vor allem Bayern in Sachen Windkraft endlich vorankommen müsse.
Das eröffnet Söder nun einen charmanten Ausweg aus der festgefahrenen Debatte in seiner CSU. Er kann einfach abwarten, wozu der Bund Bayern verpflichten wird. Und endlich sein Klimaschutzgesetz präsentieren - ohne Verbesserungen für Windkraft. Das Argument dürfte lauten: Es mache wenig Sinn, 10H zu reformieren, wenn der Bund die Sache von sich aus angehen wolle. Schon jetzt ist klar, was die Landtagsopposition davon halten wird. Aus ihrer Sicht wird das neue Klimaschutzgesetz Söders Bankrotterklärung bei der Energiewende sein.