Landkreis München:Die Renaissance der Photovoltaik

Landkreis München: Die Freiflächen-Photovoltaikanlage in Salmdorf war einst die größte im Landkreis. Nun soll ihre Leistung mehr als verdoppelt werden.

Die Freiflächen-Photovoltaikanlage in Salmdorf war einst die größte im Landkreis. Nun soll ihre Leistung mehr als verdoppelt werden.

(Foto: Claus Schunk)

Um die Jahrtausendwende boomte die Solarbranche, dann brach der Markt zusammen. Nun werden in vielen Gemeinden neue Anlagen geplant. Das liegt nicht nur an der Klimakrise.

Von Bernhard Lohr, Haar

Er war um die Jahrtausendwende einer der Pioniere und auch bald einer der ganz Großen der Solar-Branche. Doch dann brach der Markt zusammen. Und Klaus Gehrlicher ging mit seinem Unternehmen, das zwischendurch Milliarden-Umsätze machte, in die Insolvenz. Über die Gründe für den aus seiner Sicht unverschuldeten und auf jeden Fall schmerzhaften Zusammenbruch spricht er bis heute ungern. Dafür umso lieber über die Branche, die heute vielen als großer Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel gilt. Gehrlicher ist weiter voll bei der Sache. Konkret will er der von ihm in Haar gebauten, einst größten Freiflächen-Photovoltaikanlage im Landkreis, neue Power verleihen.

Manchen war vor Jahrzehnten klar, dass der Klimawandel zum Handeln zwingt. Mittlerweile wird in der Breite auf vielen Ebenen intensiv darüber diskutiert, wie die Folgen der Erderwärmung noch in den Griff zu bekommen sind. In Garching sind derzeit neue Freiflächenanlagen Thema (), ebenso in Hohenbrunn und Putzbrunn. Der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn und Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (beide CSU) stießen in Berlin an, prüfen zu lassen, ob und wie Flächen an Autobahnen für Solarnutzung infrage kommen. Und nicht nur der in Haar lebende Klaus Gehrlicher beobachtet, dass viele jetzt über Dinge reden, die er vor Jahrzehnten schon predigte.

Ende 2007 ging die Freiflächen-Anlage im Haarer Ortsteil Salmdorf mit gut einem Megawatt Leistung als ein von Gehrlicher angeschobenes Bürgersolarprojekt ans Netz und wurde weithin gepriesen. Es produziert bis heute etwa 1000 Megawattstunden Strom und deckt rechnerisch den Bedarf von etwa 1000 Haarern.

Gehrlicher würde nun die Ausbeute gerne durch leistungsfähigere Module mehr als verdoppeln und zudem eine Demonstrationsanlage für Agri-Photovoltaik in Salmdorf errichten, die zeigt, dass sich Landwirtschaft und Solarnutzung auf einer Fläche nicht ausschließen. "Das ist kein Teufelswerk", sagt Gehrlicher. Nach wie vor gehe alles "wahnsinnig langsam" voran, beklagt er und klingt für einen Moment am Telefon so ungeduldig wie man sich den Mann vorstellt, der 2010 der Gehrlicher Solar AG vorstand, die zu den "Technology Fast 50"-Unternehmen in Deutschland zählte und eine der am schnellsten wachsenden Firmen der Republik war.

Seit 2007 ist in Haar und im Landkreis die Solarstromproduktion stetig gewachsen, aber nicht rasant. Sechs weitere Freiflächen-Anlagen kamen nach Zahlen des Landratsamts dazu, die größte davon in Garching mit 2,5 Megawatt Spitzenleistung. Von 2016 bis 2018 stieg nach den aktuellsten vorliegenden Daten die installierte Leistung der Photovoltaik-Anlagen auf Dächern und Freiflächen im Landkreis von 66 auf 85 Megawatt. Ein Plus von 29 Prozent. Der Leiter des Klimainitiative-Projekts 29++ im Landratsamt, Philipp Schramek, will da aber bald mehr Dynamik sehen. Er kümmert sich darum, den Umbau auf erneuerbare Energien im Landkreis strategisch voranzubringen. Eine Reduktion des CO₂-Ausstoßes auf sechs Tonnen pro Landkreisbürger sei bis 2030 angepeilt. Aber das sei kein Endpunkt. "Wir werden noch ambitioniertere Ziele brauchen", sagt Schramek. Er hat deshalb einen Prozess eingeleitet, um den Kommunen als Akteure an der Basis eine stärkere Rolle zukommen zu lassen.

Ein bedeutender Faktor soll dabei im Landkreis erklärtermaßen die Photovoltaik sein. Die Energieagentur Ebersberg-München treibt sogenannte Bündelaktionen voran, um möglichst vielen Bürgern mit gutem Rat dabei zu helfen, sich Module aufs Dach zu schrauben. Soeben läuft eine Aktion in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Brunnthal folgt im November. Das Interesse sei groß, sagt Energieberater Tobias Sassmann. In manchen Kommunen bestünden Wartelisten. Die Bürgerenergie Unterhaching (BEU) ist ambitioniert dabei, Bürgersolaranlagen zu schaffen. 2012 fing man an. Heute verfügt die BEU über zwei Freiflächenanlagen an der A 8 bei Unterhaching und Ottobrunn sowie 14 Dachanlagen. Dazu kommen einige Projekte, die Vorstandschef Wolfgang Geisinger anpacken möchte. Doch wie der Unternehmer Gehrlicher hat Geisinger erlebt, dass gerade im Ballungsraum München hohe Hürden für große Solarprojekte zu überwinden sind.

So ist Grund und Boden knapp. Eigentümer überlegten sich bei den Wertsteigerungen lange, sagt Geisinger, ob sie Flächen für 20 oder 25 Jahre verpachteten. Auch seien Planungsprozesse komplex. Bauämter seien mit vielen Vorhaben belastet und personell schmal ausgestattet. Die BEU unterstützt die Behörden so gut es geht mit externen Planern. Gehrlicher redet nicht zuletzt wegen des bekannt langen Vorlaufs vieler Projekte schon jetzt über seine Repowering-Pläne, die er 2027 umsetzen will. Kürzlich ließen sich Bürgermeister Andreas Bukowski und Gemeinderäte in Salmdorf schon mal das Vorhaben an der Anlage zeigen, die auf Gemeindegrund steht.

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