Bayerisches Klimaschutzgesetz:Zehn Punkte, 96 Einzelmaßnahmen

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Der Bau neuer Windkraftanlagen ist in Bayern durch die 10-H-Regel immer schwerer durchsetzbar. Dennoch hält die schwarz-orange Koalition weiterhin daran fest. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Zum ersten Mal hat die Staatsregierung ein Klimaschutzgesetz beschlossen.
  • Etwa 700 Millionen Euro will die Staatsregierung bis 2023 in den Klimaschutz investieren, gut die Hälfte mehr als anfangs geplant.
  • Er kenne kein anderes Land, das eine solche Summe stemme, sagt Ministerpräsident Markus Söder. "Pionier und Vorbild" wolle Bayern sein.
  • Aus Sicht von Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann wird der Anspruch deutlich verfehlt.

Von Wolfgang Wittl, München

Der Abschluss dieser langen Diskussionsstrecke, wie Markus Söder diesen Weg nennt, führt ihn schnurstracks in die Orangerie der Staatskanzlei. Hinter dem Ministerpräsidenten rieselt im Hofgarten das Herbstlaub zu Boden, neben ihm stehen gleich drei Minister: Thorsten Glauber (Umwelt), Michaela Kaniber (Landwirtschaft), Hubert Aiwanger (Wirtschaft). Söder beginnt seine Ansprache wie so oft mit den Worten, dies sei ein ganz besonderer Tag für Bayern. Am Dienstag hat er vermutlich sogar recht. Zum ersten Mal hat die Staatsregierung ein Klimaschutzgesetz beschlossen. Und weil es ein Gemeinschaftswerk von CSU und Freien Wählern sei, stehe man hier zu viert, sagt Söder.

Drei Säulen, zehn Punkte, 96 Einzelmaßnahmen: Das meiste von dem, was Söder und seine Minister nach der Kabinettssitzung vorstellen, ist seit Monaten bekannt. Söders Botschaft am Dienstag ist eine andere: Neu sei die rechtliche Verpflichtung; die Anstrengungen zum Klimaschutz bekämen erstmals in der Geschichte des Freistaats ein gesetzliches Fundament. Etwa 700 Millionen Euro will die Staatsregierung bis 2023 in den Klimaschutz investieren, gut die Hälfte mehr als anfangs geplant. Hinzu kommen 300 Millionen für Cleantech. Er kenne kein anderes Land, das eine solche Summe stemme, sagt Söder. "Pionier und Vorbild" wolle Bayern bei der Bewahrung der Schöpfung sein.

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Aus Sicht von Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann wird dieser Anspruch deutlich verfehlt, er sagt: "Das wohlhabendste Bundesland leistet sich allen Ernstes das armseligste Klimaschutzpaket und stiehlt sich damit aus seiner Verantwortung für Deutschland und die Welt." Söders Ziel, den CO₂-Verbrauch bis 2030 auf fünf Tonnen pro Kopf zu senken, gehe weit an den Pariser Klimaschutzzielen vorbei. Die Grünen fordern eine Reduzierung auf drei Tonnen CO₂ und eine Abkehr von der 10-H-Abstandsregel für Windräder. Mit Söder ist das nicht zu machen. Er findet: "10 H hat sich bewährt, ist gut und bleibt." Sogar FW-Chef Aiwanger, der in der Opposition hartnäckig für mehr Windräder gestritten hatte, gibt sich inzwischen erstaunlich zahm. Man kapriziere sich zu sehr auf dieses Thema. "Der Königsweg" bei der Windenergie sei doch: "Wir müssen die Akzeptanz der Bürger bekommen."

Zusammen mit Umweltminister Thorsten Glauber, seinem Parteikollegen, wird Aiwanger die neue Landesagentur für Energie und Klimaschutz in Regensburg verantworten - ein spannendes Unterfangen, wer um die Rivalität und unterschiedliche Herangehensweise der beiden weiß. Glauber wird von Söder am Dienstag demonstrativ gelobt, etwa für seine Idee, eine Kompensationsplattform für Firmen aufzubauen. So sollen ökologische Fußabdrücke nicht irgendwo auf der Welt, sondern durch Maßnahmen in Bayern ausgeglichen werden. Der Staat will bei all dem mit gutem Beispiel vorangehen: Früher als der Bund (2050) soll Bayern klimaneutral sein. Die Fahrzeugflotte des Freistaats soll bis 2030 zu zwei Dritteln auf umweltfreundliche Antriebe umgestellt werden - etwa Wasserstoff- und Elektro-Autos. Dazu gehören auch die Fahrzeuge der Polizei.

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Bayerns Programm sei eng auf das des Bundes abgestimmt, erklärt Glauber. Über allem stehe bei den zehn Punkten das Ziel, den CO₂-Verbrauch zu senken und Innovationen zu fördern. Agrarministerin Kaniber setzt auf mehr ökologische Landwirtschaft, einen Klimawald, Auenlandschaften und die Renaturierung von Mooren. Der Rohstoff Holz soll noch stärker beim Wohnbau und als Brennstoff genutzt werden. Der öffentliche Nahverkehr soll ebenso ausgebaut werden wie die Photovoltaik.

"Es war höchste Zeit, dass Bayern ein eigenes Klimaschutzgesetz bekommt", sagt auch Richard Mergner, Vorsitzender vom Bund Naturschutz: "Leider bleibt der Kabinettsbeschluss noch weit hinter den Erfordernissen im Kampf gegen die Klimakrise zurück." Mergner wirft der Regierung fehlenden Mut vor, doch Söder ist zufrieden. "Aus Ideensammlungen werden Konzepte. Aus Konzepten werden Gesetze. Dann beginnt man mit der Umsetzung." Vor Weihnachten soll das erste Klimaschutzgesetz im Landtag eingebracht werden.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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