Landtag:Experten kritisieren Klimaschutzgesetz

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Der Autoverkehr zählt zu Bayerns größten CO₂-Schleudern. Fachleute fordern konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen. (Foto: Robert Haas)

Der Entwurf der Staatsregierung beinhalte keine klaren Ziele zur Senkung des CO₂-Ausstoßes, heißt es bei einer Anhörung. Außerdem fehle ein regelmäßiges Monitoring.

Von Christian Sebald, München

Wenn es um die weltweite Klimakrise geht, wählt Markus Söder gerne entschlossene Worte. "Der Klimawandel bleibt eine epochale Herausforderung für uns alle", sagt der Ministerpräsident und CSU-Chef beispielsweise in einer Videobotschaft. "Den Klimawandel zu leugnen, ist eine Sünde." Bayern stehe auf der Seite der Vernünftigen, betont Söder in dem Clip. "Wir wollen das Beste für die Menschen erreichen, wir sind auf der hellen Seite der Macht, wie es in Star Wars heißt." Das bayerische Klimaschutzgesetz ist denn auch ein zentrales Vorhaben der Staatsregierung. CSU und FW haben es schon in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt. Der Entwurf aber, den sie im Frühjahr präsentiert haben, umfasst gerade mal elf eher unverbindlich formulierte Paragrafen, in denen es von "soll" und "kann" nur so wimmelt.

Den meisten Experten ist der Gesetzesentwurf denn auch zu schwach. Das hat am Freitag eine Anhörung im Landtag gezeigt, für welche die Fraktionen zehn Sachverständige benannt hatten. Immerhin begrüßten die allermeisten Experten, dass nun auch Bayern ein eigenes Klimaschutzgesetz bekommen soll. Nur der Vize-Präsident des Europäischen Instituts für Klima und Energie und AfD-Politiker Michael Limburg, der als Leugner der Klimakrise gilt, lehnt den Entwurf ab. Und aus Sicht von Christine Völzow von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft braucht es ein bayerisches Klimaschutzgesetz nicht wirklich, wenngleich es aus ihrer Sicht richtig und wichtig ist, dass sich Bayern für den Klimaschutz engagiert. Für die anderen Fachleute ist die Gesetzesinitiative überfällig - bereits die Hälfte der Bundesländer hat eigene Klimaschutzgesetze.

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Mit dem Entwurf selbst gingen die Fachleute hart ins Gericht. Der Hauptkritikpunkt ist aus Sicht von Johannes Gnädinger von der Prof.-Schaller-Umwelt-Consult GmbH und anderen: Es fehlen klare, quantifizierte Ziele, bis zu welchen Zeitpunkten der Freistaat den Ausstoß des Treibhausgases CO₂ in Bayern um wie viele Tonnen im Jahr verringern will. Die Formulierung des Entwurfs, dass der CO₂-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden soll, bezogen auf den Durchschnitt des Jahres 1990, reicht ihnen nicht aus - zumal dieses Ziel gegenüber den neuen Vorgaben der EU und des Bundes überholt sein dürfte. Gnädiger wies außerdem darauf hin, dass Bayern das Ziel der Pariser Klimaschutzverträge, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bereits ausgeschöpft haben dürfte und eigentlich keine Spielräume mehr habe.

Außerdem verlangen die Experten ein Monitoring, mit dem der Freistaat überprüft, ob seine Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich wirken. "Sonst wissen wir ja nicht, ob und was wir erreichen", sagte etwa Professorin Ingrid Kögel-Knabner, die an der TU München Bodenkunde lehrt. Jürgen Landgrebe vom Umweltbundesamt machte sich für eine Anpassungsklausel stark, mit der sich der Freistaat verpflichten solle, neue Klimaschutzvorgaben der EU und des Bundes schnell umzusetzen. Und Christian Maaß von der Hamburg Institut Consulting GmbH forderte die Staatsregierung auf, sich in dem Gesetz zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen zu bekennen, vor allem zum Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik, und dafür ebenfalls Vorgaben zu erarbeiten.

Die Grünen und die SPD, die die Anhörung durchgesetzt hatten, fühlen sich denn auch in ihrer Ablehnung des Gesetzesentwurfs bestätigt. "Die Expertenmeinung ist eindeutig: Ohne konkrete Zielvorgaben zur Senkung des CO₂-Ausstoßes in den einzelnen Sektoren und ohne ein regelmäßiges Monitoring der Zahlen, ist dieses Klimaschutzgesetz ein zahnloser Tiger", sagt der Sprecher für Energie und Klimaschutz der Landtags-Grünen, Martin Stümpfig. "Wir brauchen zwingend Konkretisierungen und müssen vor allem auch die Städte und Gemeinden als Umsetzer der Klimaschutzmaßnahmen besser einbinden." Der Umweltexperte der SPD-Fraktion, Florian von Brunn, fordert das Umweltministerium sogar auf, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen und grundlegend zu überarbeiten. Seiner Überzeugung nach hat die Anhörung gezeigt, dass er "nur politische Homöopathie ist und den Klimaschutz im Freistaat nicht weiter bringt". Brunn verlangt "einen Neustart in der Klimapolitik".

Die Landtags-CSU ließ die Kritik nicht gelten und verteidigte den Entwurf. "Wir sind auf dem richtigen Weg und setzen dabei bewusst nicht auf Verbote und Zwang sondern auf Motivation, Freiwilligkeit und Innovation", sagte die stellvertretende Fraktionschefin Tanja Schorer-Dremel. Das bayerische Klimaschutzgesetz habe ergänzende Funktion, da die "maßgeblichen Gesetzgebungskompetenzen" für die Reduzierung der Treibhausgase bei der EU und beim Bund lägen. Zugleich wies Schorer-Dremel auf das bayerische Klimaschutzprogramm 2050 hin. Dort ist eine Reduzierung der CO₂-Emissionen auf unter fünf Tonnen je Einwohner bis 2030 vorgesehen. Und laut dem neuen Gesetzesentwurf soll der Freistaat 2050 klimaneutral sein.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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