Psychische Gesundheit:Gesundheitsministerium macht Präventionsarbeit mit Pumuckl

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Mit dem Magazin wolle man einen Akzent im Bereich der psychischen Gesundheit setzen, so Gesundheitsminister Klaus Holetschek (Symbolbild). (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der kleine Kobold soll im Magazin "MucklMag" Kindern und Jugendlichen dabei helfen, mit ihren Gefühlen umzugehen. In der Pandemie haben viele von ihnen Ängste und depressive Symptome erlebt.

Von Viktoria Spinrad, München

Pumuckl ist müde. Er liegt in seinem Bett und denkt nach. Seine Gedanken schwirren, er fühlt sich träge und vermisst sein altes Leben. Und dann ist da noch dieses dumpfe Pochen im Magen. Müde und wütend, "mütend" fühle er sich, sagt er seinem Meister Eder. Der kann ihn immerhin noch davon abhalten, einen Schraubenzieher durch die Werkstatt zu werfen. Stattdessen lässt Pumuckl einen Schrei raus - und marschiert in die Küche, um Impfstoffe zu entwickeln.

Einen solch ungewöhnlich melancholischen Pumuckl gibt es neuerdings in einem Magazin namens "MucklMag", zusammen mit Schülerprotokollen, Witzen und einem Beiheft mit staatlichen Anlaufstellen. Denn das 22 Seiten lange Heft zur Normalisierung der pandemiebedingten Gefühlslage ist nicht das Werk eines privaten Verlags. Herausgeber ist das Gesundheitsministerium, also der Freistaat.

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Einen Akzent im Bereich der psychischen Gesundheit wolle man damit setzen, sagt Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bei der Vorstellung am Montag. Diesen Akzent braucht es auch: In der Pandemie haben bis zur Hälfte der Kinder und Jugendliche Ängste und depressive Symptome erlebt, zwei Drittel sich sozial isoliert gefühlt, bei manchen hat der Lockdown eine Art der Traumatisierung hinterlassen. Besonders betroffen sind Kinder psychisch kranker Eltern. Dazu kommt die Angst vor einer Infektion mit Corona, die viele Familien belastet.

Um der kollektiven Gemengelage an Gefühlen etwas entgegenzusetzen, ist man im Ministerium also kreativ geworden. Das Angebot, mit der eisern gehüteten Pumuckl-Marke zu arbeiten, lag da bereits auf dem Tisch. Zuerst sollte es etwas Filmisches werden, doch das dauert lange, also ist es nun ein buntes Heft mit einem Beiblatt für Eltern geworden. "Gemischte Gefühle", so lautet der Leitspruch des unter der Federführung der Journalistin Silke Stuck entstandenen Produkts.

Neben einem miesepetrig dreinblickenden Pumuckl gibt es ein ausschneidbares Gesicht zum Basteln, einen Corona-Weg-Reim und eine Geschichte, wie zwei ganz verschiedene Mädchen Freundinnen wurden. 500 000 Exemplare sind gedruckt, der Großteil davon wird bei Kinderärzten und entsprechenden Anlaufstellen verteilt, 100 000 warten darauf, von Eltern nach Hause bestellt zu werden. Können Rätsel und Witze die Folgen von anderthalb Jahren Ausnahmezustand abfedern?

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Ja, sagt Gerd Schulte-Körne. Der Direktor der Klinik Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität befürwortet das Projekt. Dieses sei "exzellent", sagt er. Kinder und Jugendliche könnten sich spielerhaft ihrer eigenen Gefühle bewusst werden. Die rotschopfige Kultfigur dient dabei als Projektionsfläche für die eigene Gefühlslage. Für die entsprechenden Rechte musste das Ministerium nach eigenen Angaben einen niedrigen fünfstelligen Betrag hinblättern - im Sinne der Prävention. Diese bildet an den bayerischen Schulen wegen zu weniger Schulpsychologen und Sozialarbeiter eine eher löchrige Front. Und wer Hilfe von außen braucht, musste wegen geschlossener Tageskliniken und mehr Nachfrage teils lange auf einen Therapieplatz warten. "Je länger man wartet, desto größer wird das Problem", sagt Schulte-Körne.

Oft fing es mit dem Homeschooling an. Wie ausbaufähig die Qualität war, zeigt eine internationale Studie aus diesem Jahr. Demnach berichteten nur fünf Prozent der deutschen Eltern, dass ihr Kind direkten Kontakt mit Lehrern hatte - in Schweden war es sechsmal so viel. Bei nur sechs Prozent gab es direkten Kontakt mit den Mitschülern. Mehr als die Hälfte gab an, dass ihr Kind vor allem auf das Selbststudium angewiesen sei. Zwei Drittel der Kinder litten unter sozialer Isolation. Um das Stresslevel nicht gleich wieder anzuheben, plädiert der Schulpsychologe Hans-Joachim Röthlein für einen sanften, wenn auch zielstrebigen Schulstart in der kommenden Woche. Die Lehrer sollten "so schnell wie möglich und so langsam wie nötig vorgehen", sagt der Vorsitzende des Landesverbands bayerischer Schulpsychologen. Dabei dürfe es nicht um das Stopfen vermeintlicher Lernlücken gehen. "Das Gehirn ist kein Trichter", so Röthlein. Vielmehr müssten Lehrer jetzt erst einmal ein positives Lernklima schaffen, den Schülern Zeit geben, den Weg in die Klassengemeinschaft zurückzufinden. Schließlich seien viele "des Lernens entwöhnt."

Auch Schulte-Körne vom Universitätsklinikum macht sich Gedanken. Man könne nicht so weitermachen wie bisher, sagt er. Es bräuchte eine Art Expertentaskforce. "Ich sehe da noch nichts."

© SZ vom 07.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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