Verkehrspolitik:Wirksamer Klimaschutz geht nur mit weniger Autos

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Umgehungsstraßen helfen oft gar nicht gegen Autoschlangen in Ortschaften. (Foto: Johannes Simon)

In Oberbayern wurde bei zwei Bürgerentscheiden gegen Umgehungsstraßen votiert. Teile der Bevölkerung sind in der Verkehrspolitik weiter als der Freistaat.

Seit Jahren predigen Verkehrsforscher, dass neue Umgehungsstraßen die jeweiligen Kommunen wenn überhaupt, dann nur in denkbar geringem Umfang von Verkehr entlasten. Stattdessen ziehen sie in aller Regel mehr Autos in die Region, befördern den Flächenfraß und zerstören die Landschaften. Deshalb kann man das Votum der Bürger im oberbayerischen Holzkirchen gegen eine neue Umgehungsstraße für ihren Markt als ein hoffnungsvolles Anzeichen dafür verstehen, dass diese Einsicht inzwischen zumindest Teile der Bevölkerung erreicht hat. Auch das Wahlergebnis, mit dem die Bürger des ebenfalls oberbayerischen Weilheim vor wenigen Wochen die Pläne für eine Umgehungsstraße um ihre Kreisstadt herum beerdigt haben, kann man als ein solches Signal deuten. Mehr aber auch nicht.

Denn die Wirklichkeit in Bayern ist nach wie vor eine andere. Sie war am Wochenende in Marktoberdorf und Bertoldshofen zu besichtigen. Dort haben Tausende Besucher auf einer Tunnelparty die neue Umgehungsstraße für die schwäbische Stadt gefeiert. Das Projekt sei "für die Menschen in der Region eine echte Erleichterung" frohlockte Bau- und Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) und pries den Bund, der 74 Millionen Euro in die Umgehungsstraße samt Tunnel investiert hat. Überhaupt feiert Bernreiter jede Woche Straßenbauprojekte in Bayern. Am Freitag war es die Westtangente in Zapfendorf im oberfränkischen Landkreis Bamberg, die der Freistaat mit immerhin 2,9 Millionen Euro bezuschusst hat. Am Montag davor eine Ortsdurchfahrt im Landkreis Dingolfing-Landau für fast das gleiche Geld.

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Dabei gehört es ebenfalls zum Credo eines jeden Verkehrsforschers, dass wirksamer Klimaschutz nur mit sehr viel weniger Autoverkehr zu haben sein wird. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Menschen in Zukunft verstärkt auf Bahn, Bus und Fahrrad werden umsteigen müssen. Auch dazu scheint zumindest ein großer Teil bereit zu sein. Das legen die Riesennachfrage nach dem Neun-Euro-Ticket und zuletzt der große Zuspruch zum Fahrrad-Volksbegehren nahe. 25 000 Unterschriften hätten die Initiatoren, unter ihnen der ADFC und diverse Umweltverbände, gebraucht, um die erste Hürde auf dem Weg zu einem Fahrrad-Gesetz für Bayern zu nehmen. Gut 100 000 haben sie in der vergangenen Woche abgeliefert. Man wird sehen, wie die Staatsregierung mit der Forderung umgeht.

Den Bürgern in Holzkirchen und Weilheim bleibt derweil zumindest die Genugtuung, dass sie ihre Landschaften vor neuen Betonorgien verschont haben. Zumal ihnen die Umgehungsstraßen nicht wirklich gegen die Autoschlangen durch ihre Ortschaften geholfen hätten.

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