Start des Wintersemesters:So normal wie möglich

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Die bayerischen Hochschulen starten ins neue Semester und planen eine Mischung aus Online- und Präsenzbetrieb. Die Studenten wünschen sich indes mehr Kulanz.

Von Anna Günther, München

Ob sich die Corona-Krise auf die Zahl der Studenten an den bayerischen Hochschulen ausgewirkt hat, kann Wissenschaftsminister Bernd Sibler am Mittwoch nicht sagen. Es liegen noch keine validen Zahlen vor, aber es gebe keine Anzeichen, dass sich weniger junge Menschen an den Hochschulen eingeschrieben hätten. Der Trend gehe seit Jahren hoch. So normal wie möglich soll das Wintersemester werden, trotz Corona. Das will der Minister und das wünschen sich auch viele Hochschulchefs. Echte Normalität wird Sars-CoV-2 nicht zulassen, aber die Hochschulen seien vorbereitet auf "die zweite Welle", sagt Sibler und verspricht "pragmatische, zugewandte Lösungen". Das Sommersemester lief vor allem digital, bis Ende Januar soll eine Mischform aus Seminaren am Campus und Onlinekursen gelten.

Die 17 bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HaW) und Technischen Hochschulen (TH) beginnen an diesem Donnerstag wieder mit ihrem Semesterbetrieb. Warten müssen alle Studienanfänger, die etwas studieren, das zulassungsbeschränkt ist und zentral bundesweit vergeben wird. Sie beginnen erst Anfang November, wenn auch die Universitäten - später als üblich - den Betrieb aufnehmen. Bis dahin werden HaW- und TH-Studenten ausprobieren, wie der neue Corona-Betrieb funktioniert. Sie machen ein Drittel der etwa 400 000 bayerischen Studenten aus. Die Regeln fürs Wintersemester sind seit Wochen klar: In jedem Hörsaal dürfen maximal 200 Personen sitzen, deren Kontaktdaten die Hochschulen sammeln müssen, falls die Gesundheitsämter Corona-Infektionen nachverfolgen müssen. Es gelten eineinhalb Meter Abstand. Wenn dieser Platz nicht da ist, etwa auf den Fluren, gilt die Maskenpflicht.

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Jede Hochschule hat ein Konzept für den Semesterbetrieb ausgearbeitet, das laut Sibler "abgesprochen" wurde. Welche Vorlesungen und Seminare online laufen und welche vor Publikum in den Hörsälen, entscheiden die Hochschulen. Aber die Erstsemester müssen so viel Präsenzbetrieb wie möglich erleben, damit sie das Hochschulleben und ihre Kommilitonen überhaupt richtig kennenlernen können. Das gilt besonders für alle jungen Frauen und Männer, die sich in den 35 neuen Studiengängen eingeschrieben haben.

Zehn dieser Studiengänge befassen sich mit Informatik und Digitalisierung, zehn mit Ingenieurwissenschaften, fünf mit Gesundheit. Präsenz bevorzugt gilt auch für alle, die ihren Abschluss machen und jene, die Praxisphasen absolvieren müssen. Wer mitten im Studium steckt, soll vor allem digital studieren. Ein Problem sieht Sibler darin nicht, im Sommersemester seien 90 Prozent der Vorlesungen und Seminare digital gelaufen und die Hochschulen könnten die "Errungenschaften aus dem digitalen Sommersemester" im Winter weiter nutzen.

Einen Stufenplan wie für Schulen oder Kindertagesstätten mit möglichen Konsequenzen je nach Sieben-Tage-Inzidenz gibt es für die Hochschulen allerdings nicht. "Die 50 wird schon eine wichtige Zahl sein, wobei man immer sehen muss, wodurch dieser Wert ausgelöst wurde", sagte Sibler. Wenn ein Infektionsgeschehen kontrollierbar sei, müsse niemand "in den Panikmodus verfallen". Kurz: Hauptsache Präsenzbetrieb. Für mehr Normalität am Campus dürfen Hochschulen nun auch wieder Lernräume und Bibliotheken für Studenten öffnen, die dort lernen wollen.

Während an mancher Universität über die Praktikabilität der Obergrenze von 200 Studenten pro Hörsaal die Stirn gerunzelt wird, ist das laut Walter Schober, dem Sprecher der bayerischen Hochschulen, kein Problem. HaW und TH sind kleiner, an der TH Ingolstadt muss Schober 6000 junge Männer und Frauen organisieren. An den großen Unis in München oder Erlangen sind es Zehntausende. Das größte Problem der Hochschulchefs hatte die Staatsregierung vergangene Woche gelöst: Online-Prüfungen haben nun einen rechtlichen Rahmen. Aber Schober geht nicht davon aus, dass nun alle umsteigen, er spricht von einem Prozess.

Für die Studentensprecher der Landesastenkonferenz (LAK) ist der Prozess auch bei digitalen Vorlesungen und Seminaren noch lange nicht abgeschlossen. "Im Sommersemester war das eine reine Mengenumstellung, es ging um stabiles Internet, Lizenzen und Server, über Qualität in der digitalen Lehre wurde kaum geredet", sagt LAK-Sprecher Maximilian Frank. Das müsse sich nun ändern, Dozenten müssten sich weiterbilden und das Feedback der Studenten einholen. Sollte das Infektionsgeschehen wieder zum reinen Digitalbetrieb führen, wünscht Frank sich ein Entgegenkommen der Politik bei Fristen und Leistungsanrechnung.

Kulanz fordern die Studenten auch von Firmen sowie Hochschulen, falls das Praxissemester nicht so klappt wie üblich. Die Landtags-Grünen kritisierten, dass Sibler weder eine Analyse des Sommersemesters, noch ein Corona-Konzept für den Winter präsentierte. "Minister Sibler fährt mit Durchhalteparolen auf Sicht, statt mit konkreten Plänen aufzuwarten", sagte Verena Osgyan. Davon will man im Ministerium nichts hören: Eine entsprechende Studie werde bald veröffentlicht, mögliche Corona-Maßnahmen seien aus dem Sommer längst bekannt.

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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