Personalmangel:Die Küche bleibt kalt

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Die Folgen der Corona-Lockdowns wirken nach: Bayerns Wirte und Hoteliers klagen über fehlende Köche und Bedienungen. In manchen Regionen sind drei von vier Stellen unbesetzt und Gastronomen müssen zusperren.

Von Anna Günther und Simone Kamhuber, Bamberg/München

Seit mehr als 100 Jahren ist der Landgasthof Heerlein in Bamberg ein Familienbetrieb, ein Viertel der Zeit geführt von Helmuth Heerlein. Vor dem Frühjahr 2020 hatte das Wirtshaus einen Ruhetag in der Woche und selbst an diesen Tagen fanden oft private Feiern statt. Zweieinhalb Jahre später ist die Lage eine völlig andere: "Während der Pandemie wanderten meine zuverlässigste Kellnerin und der beste Koch in andere Branchen ab", sagt Heerlein. Seine Versuche, Ersatz zu finden, führten zu nichts.

Im Kreis Bamberg sind laut dem Institut der deutschen Wirtschaft derzeit drei von vier Stellen in der Gastronomie unbesetzt. Ein paar Schülerinnen und Schüler lernt Heerlein an, die sich ein Zubrot verdienen, indem sie bei ihm kellnern und in der Küche aushelfen. Größere Feiern könne er in dieser Besetzung aber nicht stemmen. Notgedrungen verkürzte der Wirt die Öffnungszeiten, führte statt einem zwei Ruhetage ein, warme Küche bietet er nur noch abends an. Auch die Speisekarte gibt es nur noch in abgespeckter Version. "Daran führte kein Weg vorbei. Ich versinke in Arbeit", sagt Heerlein. Es versetze ihm einen Stich, wenn er die Feiern von Familien ablehnen müsse, die seit Jahren für Taufe, Beerdigung und allem dazwischen in sein Wirtshaus einkehrten. Hat die Situation auch etwas Gutes? "Solange das Geld reicht, ja. Dann bewege ich mich mit weniger Arbeit wenigstens weiter vom Burnout weg", sagt er.

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Vor allem die Minijobber sind abgewandert

Heerlein ist kein Einzelfall, überall in Bayern berichten Hotelgäste von kalten Küchen und eingeschränkten Frühstückszeiten, Wirtshausbesucher stehen vor verschlossenen Türen. Laut statistischem Landesamt waren im August, mitten in der Hochsaison, 5000 feste Stellen unbesetzt. Das sind 15 Prozent weniger als vor Corona im Mai 2019. Das klingt irritierend wenig. Das größere Problem sind offenbar die fehlenden Minijobber. Die große Abwanderung habe es vor allem bei ihnen gegeben, sagt Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Wirte und Hoteliers hätten sie nicht mit Kurzarbeit über die Lockdowns retten können. Und wo sind diese Menschen hin? Dorthin, wo der Bedarf deutlich größer war. Geppert nennt Test- und Impfzentren, Gesundheitsämter, Callcenter, Lieferdienste, Einzelhandel und die Deutsche Bahn.

Während viele Wirte wie Heerlein ihre Öffnungszeiten verkürzen, hadern andere damit, ob es sich für wenige Tage überhaupt noch lohnt, den Herd anzuwerfen. "Ich mag nicht mehr", sagt etwa Robert Leitsch trocken. Im November sperrt er nach 27 Jahren den Schmankerlhof Oberwirt im Kreis Erding zu. "In den letzten Jahren haben viele in der Gastro gemerkt, dass sie woanders mit leichterer Arbeit mehr Geld verdienen können", sagt der Wirt.

Es sei ein Teufelskreis: Das wenige Personal, das ihm nach der Pandemie geblieben sei, arbeite sich völlig auf. Zu den Stoßzeiten fehle die Zeit für den Toilettengang oder einen Schluck Wasser. Leitsch steht bis zu 18 Stunden pro Tag am Herd und übernimmt Aufgaben, die sonst Mitarbeiter erledigten. Die Öffnungszeiten noch weiter zu verkürzen, sei keine Lösung: "Ich kann meine Fixkosten nicht decken, wenn ich nur noch zwei, drei Tage die Woche aufsperre."

Besonders schmerzlich sei, dass die Nachfrage da ist: "Das Wirtshaus ist jeden Tag voll. Ich kann die ganzen Reservierungen nur nicht mehr annehmen." Der Branche stellt Leitsch eine düstere Prognose in Aussicht: "Respekt an meine Gastronomie-Kollegen, die noch durchhalten. Die Personallage wird schlimmer werden in den nächsten Jahren."

Flexiblere Arbeitszeiten könnten helfen

Ganz so düster will Thomas Geppert es nicht sehen: Es gehe wieder aufwärts. Er nennt eine andere Zahl: In diesem August gab es 25 Prozent mehr festangestelltes Personal in Hotels und Gastwirtschaften als Mitte Mai 2021. Immerhin. Damals durften Gastronomiebetriebe zumindest draußen wieder öffnen. Erst im April 2022 wurden alle Zugangsregeln aufgehoben.

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Um das Fachkräfteproblem in den Griff zu bekommen, muss sich für den Dehoga-Geschäftsführer grundsätzlich etwas ändern. Das Problem hätten alle Branchen, "nur für den selben Umsatz wie im Einzelhandel brauchen wir sechs Mal mehr Personal." Klar, Kampagnen mache die Dehoga auch, um junge Leute anzusprechen, aber "wir müssen in die Gymnasien rein". Kürzlich wurde dort erstmals ein "Tag des Handwerks" abgehalten, um neue Perspektiven aufzuzeigen, denn noch immer streben die meisten Abiturienten an Hochschulen und Universitäten. Geppert wünscht sich einen Tag der Gastronomie. Und flexiblere Arbeitszeiten. Gastronomie und Hotellerie brauchten die Wochenarbeitszeit statt dem täglichen Stundenmaximum. "Eine Hochzeit ist nicht nach acht Stunden zu Ende, mancher würde lieber weiterarbeiten und dann zwei, drei Tage frei haben", sagt Geppert. Er sieht die Landespolitik in der Pflicht, in Berlin diese Wünsche durchzusetzen.

Im Wirtschaftsministerium sind die Forderungen und Nöte wohl bekannt: "Bayern wird sich beim Bund weiter für Erleichterungen der Rahmenbedingungen einsetzen", sagt ein Sprecher. Dazu gehörten neben der Wochenarbeitszeit auch ein modernes Einwanderungsrecht. Ausländische Saisonarbeiter müssten leichter beschäftigt werden können und Arbeiterwohnungen sollten steuerfrei überlassen werden. An anderen wichtigen Schrauben könne die Branche aber nur selbst drehen: Ein gutes Image hänge von einem guten Arbeitsumfeld ab. Gastronomie und Hotellerie müssten dafür unter anderem "familienfreundliche Arbeitszeiten" und "angemessene Entlohnung" bieten.

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