JVA Bernau:Corona hinter Gittern

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Zugegeben: Auf dem Bild ist eine andere Justizvollzugsanstalt zu sehen, nicht die in Bernau. Allerdings dürfte die Lage ähnlich sein: Virus-Ausbruch geht schnell, Gefangenen-Ausbruch nicht. (Foto: dpa)

Das Virus lässt sich nicht einsperren: In der JVA Bernau am Chiemsee hat es einen Ausbruch gegeben. Und einen Ausbruchsversuch.

Glosse von Matthias Köpf, Bernau am Chiemsee

In all den Lockdowns der laufenden Pandemie haben sich viele Menschen fast ein bisschen eingesperrt gefühlt, und das völlig zu Recht. Dass man sich da vorgekommen sei wie im Gefängnis, das konnte aber wohl nur behauten, wer noch nie eine Justizvollzugsanstalt von innen gesehen hat. In derlei Anstalten ist ja praktisch immer Lockdown, ob für Geimpfte oder Ungeimpfte, ob für zahlungsunfähige Ersatzfreiheitsstrafenabsitzer oder für lebenslänglich+.

Das Virus, das sich offenbar selbst in Gefängnissen weder ein- noch aussperren lässt, hat aber auch das Leben hinter Gittern komplizierter gemacht. In der Justizvollzugsanstalt in Bernau am Chiemsee zum Beispiel gab es unter den rund 650 Gefangenen zuletzt etwa 100 Corona-Fälle, es hatte sich also mehr als jeder siebte Insasse angesteckt und dazu noch ein guter Teil des Personals.

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Das hat zu einem gefängnisinternen Lockdown geführt, bei dem die Häftlinge gleich noch ein bisschen eingesperrter waren als sowieso schon. Inzwischen ist die Zahl der Infektionen auch in Bernau wieder etwas gesunken. Und der Ausbruch ist ja auch schon ein bisschen her. Genau wie dieser Ausbruchsversuch.

Denn während sich dieses Virus offenbar vor gar niemandem rechtfertigen muss, standen neulich zwei Bernauer Häftlinge vor dem Amtsgericht in Rosenheim. Sie hatten sich im März vergangenen Jahres mit einem einfachen Buttermesser binnen weniger Stunden ein Loch durch die Ziegelwand hinüber zur Nachbarzelle gegraben, in welcher wiederum vier Mitgefangene hinter einem Schrank eine Öffnung in die Außenmauer gebrochen hatten. Zum Abseilen aus dem ersten Stock diente genregemäß verknotetes Bettzeug, doch das war dann schon per Überwachungskamera zu sehen, der Ausbruch endete unten im Hof.

Später vor dem Amtsgericht tauchte bei einem Angeklagten die Frage auf, ob sich das Ganze selbst im Erfolgsfall gelohnt hätte, denn er hätte nur noch drei Monate absitzen müssen. Der Mann begründete den Fluchtversuch mit der damals regelrecht panischen Angst der Eingeschlossenen vor dem Virus, mit der Sorge um die Angehörigen draußen und mit den bestenfalls improvisierten Schutzmaßnahmen drinnen. Dass diese Maßnahmen inzwischen ausgefeilter sind, mag nun das Bleiben erleichtern. Und das Mauerwerk wurde auch verstärkt.

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