Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigung:Bayerns Bauern wollen weiter protestieren

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Am Donnerstag versammelten sich Hunderte Landwirte und Landwirtinnen auf dem Volksfestplatz Erding zu einer Demo, (Foto: Renate Schmidt/Renate Schmidt)

Ihnen reichen die Zugeständnisse des Bundes nicht aus. In mehreren Orten im Freistaat gibt es die Sorge, dass in der nächsten Woche der Verkehr zusammenbrechen könnte.

Ungeachtet der Zugeständnisse des Bundes wird es in der kommenden Woche voraussichtlich zu flächendeckenden Bauernprotesten in Bayern kommen, inklusive möglicher Verkehrsblockaden. Der Bayerische Bauernverband (BBV) und der Verein "Landwirtschaft verbindet Bayern" lehnten die Berliner Zugeständnisse am Donnerstag übereinstimmend ab. Beide Organisationen wollen die geplanten Demonstrationen daher nicht stoppen. In mehreren Kommunen herrscht Sorge, dass der Verkehr zusammenbrechen könnte. Von Bauern beantragt sind zahlreiche Kundgebungen an Verkehrsknotenpunkten und Autobahnauffahrten.

Die Ampel-Koalition wollte ursprünglich sowohl die Steuervergünstigung für Agrardiesel als auch die Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kfz-Steuer abschaffen. Diese Steuerbefreiung soll nun bleiben, doch an der Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigung hält der Bund fest - nicht in einem Schritt wie zunächst geplant, aber über drei Jahre gestreckt.

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:Protestwirkung

Die Ampelregierung will die Steuervergünstigungen für Bauern weniger stark kürzen als geplant. Die Plastikabgabe verschiebt sich um ein Jahr.

Von Henrike Roßbach

"Der Erhalt der Befreiung von der Kfz-Steuer für Traktoren und Erntemaschinen ist nicht ausreichend, der Bundestag muss auch die Streichung der Rückerstattung der Energiesteuer auf Agrardiesel zurücknehmen", sagte BBV-Präsident Günther Felßner dazu. Das fordert auch "Landwirtschaft verbindet Bayern". "Unsere Demonstrationspläne werden wir nicht stoppen", sagte Vorstandsmitglied Christoph Huber.

Auch die bayerische Staatsregierung hat die Berliner Ampel-Koalition zum vollständigen Verzicht auf ihre Kürzungspläne aufgefordert. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und Finanzminister Albert Füracker (beide CSU) kritisierten das teilweise Zurückweichen der Koalition am Donnerstag als nicht ausreichend. Es dürfe keine faulen Kompromisse geben, sagte Kaniber. "Unsere Bauernschaft braucht dringend Entlastung." Füracker sagte: "Die Bundesregierung hat ihren schweren Fehler endlich erkannt, aber leider nur teilweise."

Erste Proteste am Montag

Erster Tag der geplanten Protestwoche ist der kommende Montag. In den Kommunen wird befürchtet, dass die Situation aus dem Ruder laufen und ein einigermaßen geregelter Verkehr unmöglich werden könnte. Ein Beispiel: Stadt und Landkreis Schweinfurt. "Da insbesondere neuralgische Verkehrsknotenpunkte mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen blockiert werden sollen, kann es zu spürbaren Verkehrsbeeinträchtigungen in der ganzen Region kommen", teilten die beiden Kommunen mit. "Es ist auch davon auszugehen, dass die Auffahrt auf Autobahnen (insbesondere die A70) stark eingeschränkt ist und teilweise nicht möglich sein wird."

Im Allgäu erließ die Stadt Memmingen vorbeugend eine Allgemeinverfügung: "Die Not- und Rettungswege sind zu jeder Zeit freizuhalten und gegebenenfalls auf Anweisung der Polizeibeamten freizuräumen", heißt es in der Anordnung. Verboten hat die schwäbische Kommune zudem Protestfahrten auf der Autobahn und deren Auf- und Abfahrten.

SPD: Polizei muss protestierende Bauern behandeln wie Klimaaktivisten

Besorgte Wortmeldungen und Appelle an die protestierenden Bauern gab es auch aus mehreren anderen Kommunen. Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn forderte konsequentes Vorgehen bei Straftaten und Rechtsverstößen. Er verstehe, dass die Bauern protestieren und damit ihr wichtiges Grundrecht wahrnehmen wollten, "aber es darf natürlich nicht mit zweierlei Maß bei protestierenden Bauern und der Letzten Generation gemessen werden", sagte von Brunn. Mit Blick auf die angekündigten Proteste und Streiks am 8. Januar erklärte von Brunn, ihm lägen "Hinweise darauf vor, dass die protestierenden Landwirte planen, Autobahnen zu blockieren".

In der Vergangenheit hatte die Polizei in Bayern Klimaaktivisten zur Verhinderung von Protesten in sogenanntes Präventivgewahrsam genommen, CSU-Politiker Alexander Dobrindt die Klimaaktivisten mit Terroristen verglichen. Nach dem Polizeiaufgabengesetz können Bürger nach einer richterlichen Entscheidung bis zu einem Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit - etwa die Blockade wichtiger Straßen - oder eine Straftat zu verhindern.

Der Chef der CSU-Landtagsfraktion, Klaus Holetschek, warf der SPD vor, die Landwirte schon vor Beginn der Protestwoche zu kriminalisieren. "Die CSU steht dagegen fest und mit großer Solidarität an der Seite unserer Landwirtschaft, die durch die Ampel-Politik teils um ihre Existenz kämpfen muss."

Der Hintergrund dieser Debatte und der SPD-Vorwürfe: Viele Bauern standen der CSU politisch über Jahrzehnte nahe. In den vergangenen Jahren kam es jedoch zu zunehmender Entfremdung zwischen Landwirten und der Partei, verstärkt unter anderem durch die Verschärfung von bürokratischen Vorgaben und Umweltvorschriften.

Unterstützung von Extremisten aus dem rechten Lager befürchtet

Im Bauernverband gibt es zudem Sorgen, dass Extremisten insbesondere aus dem rechten Lager auf die Proteste aufspringen könnten. Auch die Führungsetage des Bauernverbands ist in den vergangenen Jahren von Seiten der Mitgliedschaft unter Druck geraten, weil viele Landwirte die Verbandsspitzen in Berlin und Landeshauptstädten als zu nachgiebig empfinden.

Und innerhalb der Staatsregierung gibt es beständige Konflikte hinter den Kulissen, weil Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) versucht, sich zum Sprachrohr bäuerlicher Anliegen zu machen. Das löst immer wieder Ärger in der CSU aus, wie aus Partei und Staatsregierung zu hören ist.

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