Gesundheit:Wenn Krankenpflege an Grenzen stößt

Lesezeit: 1 min

Die Gemeinde und das Dorf Balderschwang im Landkreis Oberallgäu haben ein echtes Versorgungsproblem bei Pflegekräften. (Foto: Lisa und Wilfried Bahnmüller/Imago)

Das abgelegene Dorf Balderschwang in den Allgäuer Alpen will sich einen Pflegedienst sichern. Doch was im Tourismus einfach ist, scheint für die Gesundheitspolitik zu schwierig zu sein.

Von Nina von Hardenberg

Wer in Zeiten von Klimawandel den Winter sucht, der sollte in Balderschwang vorbeischauen. Bis zu acht Meter türmt sich der Neuschnee in dem Bergdorf der Allgäuer Alpen. Von Dezember an spuren sie hier 41 Loipenkilometer rüber bis nach Österreich. Das lockt Wintersportler an. Und im Sommer kommen naturträumende Städter in das, wie man liest, praktischerweise "nahezu nebelfreie und pollenarme" Hochtal. Sie bestaunen bizarre Felsformationen und Alpwiesen. Der 400-Einwohner Ort zählt mehr als tausend Gästebetten.

So gerne also Naturfreunde die kleine Straße über den Riedbergpass bis nach Balderschwang hochkurven - manchem Dienstleister ist sie trotzdem zu weit. Kein Pfleger und keine Pflegerin bequemen sich hinauf in Deutschlands höchstgelegene Kommune. Die Anfahrt etwa aus Sonthofen, wo es eine ambulante Pflegestation gäbe, würde über 30 Minuten dauern - und das auch nur, wenn kein Schnee den Weg versperrt, kein Stau und keine Straßensperrung einen aufhält. Sehr weit ist das - und damit sehr teuer.

In Jammer um das abgeschnittene Bergidyll, das nun zur Altersfalle werden könnte, muss trotzdem niemand ausbrechen. Denn Hilfe naht. Sie sitzt gleich hinter der Grenze. Nicht einmal 15 Minuten Fahrtzeit entfernt stünden Pfleger des österreichischen Krankenpflegevereins Hittisau bereit. Diese allerdings können bislang nicht mit deutschen Pflegekassen abrechnen. Ein Problem, das Bürgermeister und Ländräte dies- und jenseits der Grenze derart stört, dass es sogar auf einem grenzüberschreitenden Treffen der Landkreise Oberallgäu und Lindau sowie des österreichischen Bundeslandes Vorarlberg zur Sprache kam. Die Grenzregion soll in der Gesundheitsversorgung enger zusammenwachsen, war man sich einig. Bürokratisch gibt es da einige Hürden zu nehmen. Eine Pflegeversicherung etwa, wie Deutschland sie kennt, gibt es in Österreich nicht.

Die Balderschwanger haben sich nach Aussage ihrer Landrätin schon immer auch nach Österreich orientiert. Viele Dörfler sind dort geboren. In den Köpfen und Herzen spielt die Grenze überhaupt keine Rolle mehr. Die Loipen laufen lässig über sie hinweg und auch der Naturpark Nagelfluhkette streckt sich bis rüber zu den Nachbarn. Das Gesundheitssystem muss das nur nachmachen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPflegekräfte
:Ohne sie geht es nicht

Der Mangel an Fachkräften könnte für die Pflege zur Existenzfrage werden. Zu Besuch bei Pflegerinnen, die ihren Beruf lieben, und einem Heimleiter, der trotzdem bang in die Zukunft schaut.

Von Nina von Hardenberg und Timm Schamberger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: