Fast wie Meditieren:Bahnfahren mit dem richtigen Mindset

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Wer öfters mit dem Alex unterwegs ist, möchte oder muss danach, davor oder währenddessen emotional aufgefangen werden. (Foto: Wagner/Imago)

Ob man mit dem Zug am Ziel ankommt, ist keine Frage von Oberleitungen oder Wetter, sondern von Resilienz und Achtsamkeit. Gott sei Dank unterrichten Bahnunternehmen auch Psychologie.

Glosse von Deniz Aykanat

Seit der Herrgott oder Frau Holle neulich tonnenweise Schnee über Bayern auskippten, wird das Nervenkostüm von Bahnfahrern noch stärker als sonst beansprucht. Reisende wenden sich dann, so wird es ihnen geraten, an Infopoints oder Apps. Hat man das getan, möchte man danach aber unbedingt auch emotional abgeholt werden.

Richtig ist man dann bei der Länderbahn. Das private Bahnunternehmen, das unter anderem den legendär herausfordernden Alex anbietet, der (manchmal) bis nach Prag fährt, unterrichtet auch Psychologie. Auf Instagram und im Kundenmagazin kann man zum Beispiel etwas über Resilienz lernen. Das ist nett von denen. Nett gemeint, zumindest.

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Die Länderbahn erklärt interessierten Followern etwa, welche Faktoren einen Menschen resilient machen. Ganz wichtig ist eine Portion "optimistischer Realismus". In der Realität eines Fahrgastes könnte das so aussehen: Wenn man erwartet, dass gar kein Zug fährt und dann fährt doch einer und man sitzt die ganze Fahrt am Boden und kommt mit drei Stunden Verspätung an, dann ist das ja fast schon ein Erfolg. Man muss nur ein genügend optimistisch realistisches Mindset mitbringen, wenn man einen Bahnhof betritt.

Der Psychologie-Grundkurs der Länderbahn endet aber nicht bei der Resilienz. Wo sie ist, kann die Achtsamkeit natürlich nicht weit sein. "Wo immer du bist, sei ganz dort", diese Weisheit von Lebens-Guru und Spiritualitätsautor Eckhart Tolle bekommt man ebenfalls serviert. Also, das ist nun wirklich hilfreich! Denn wenn man sich in Bayern in einen Zug setzt, weiß man weder, wo man am Ende rauskommt, noch wann das sein wird. Da ist es essenziell, im Hier und Jetzt zu leben.

Die entsprechende Verspätungsentspannungstechnik könnte so ausschauen: Mir ist arschkalt. Ich spüre, wie der eisige Wind unten in die Hosenbeine pfeift, während ich auf Bahnsteig 1 auf einen Zug warte, und ich kann spüren, wie dieser Zug gerade auf Bahnsteig 4 abfährt.

Das ist fast schon eine Körperreise, wie man sie aus der Meditation kennt. Wenn man schon nicht tatsächlich mit dem echten Körper von A nach B reist, dann halt wenigstens innerhalb des eigenen Körpers. Bitte aber nicht dabei am Bahnsteig einschlafen!

Im Länderbahn-Magazin erfährt man dann auch noch etwas über den "Megatrend Konnektivität". Wer in seiner grenzenlosen Naivität glaubt, dass das etwas mit Anschlusszügen zu tun haben könnte, geht bitte noch mal in sich. Zeit ist sicher genug - beim nächsten Halt auf freier Strecke.

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