Flüchtlingspolitik:Bayerische Bezahlkarte für Asylbewerber startet

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So sieht sie aus: die neue Bezahlkarte für Asylbewerber in Bayern. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

In vier Test-Kommunen wird das Konzept erprobt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will dadurch die Flüchtlingszahlen reduzieren. Wie die Karte funktioniert.

Von Christian Sebald

"Schneller", "konsequenter", "härter", das waren regelmäßig die Worte, wenn sich Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in den vergangenen Monaten zur Bezahlkarte mit Leistungsguthaben für Asylbewerber geäußert hat. Und das sind sie auch an diesem Mittwoch, als Söder in München mit Innenstaatssekretär Sandro Kirchner und dem Fürstenfeldbrucker Landrat und Vorsitzenden des Landkreistags, Thomas Karmasin (beide ebenfalls CSU), die neue bayerische Bezahlkarte präsentiert. Und damit das Startsignal für ihren Einsatz von diesem Donnerstag an in vier Pilot-Kommunen gibt.

Die Flüchtlingszahlen seien so hoch wie seit 2016 nicht mehr, sagt Söder, "die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, das gefährdet am Ende die demokratische Stabilität". Deshalb brauche es dringend eine "grundlegend andere, stärkere und konsequentere Anwendung der Gesetze". Die Bezahlkarte sei eine wichtige Maßnahme, auch wenn sie "nicht alle Probleme löst".

Söders Erwartungen an die Bezahlkarte sind offenkundig dennoch immens. "Wir setzen ein Nein zu Geldtransfers ins Ausland", sagt er. "Damit wird der Geldhahn für Schleuser und Schlepper deutlich reduziert." Denn mit der neuen Bezahlkarte können Asylbewerber nur Dinge des täglichen Bedarfs kaufen. Überweisungen ins Ausland und an Dritte sind mit ihr grundsätzlich nicht möglich. Zugleich würden die "sozialen Anreize" für Flüchtlinge gesenkt, nach Bayern zu kommen. Denn sie können mit der Bezahlkarte maximal 50 Euro Bargeld zur freien Verfügung abheben, andere Bundesländer wollen den Asylbewerbern 100 bis 200 Euro Bargeld zur Verfügung stellen.

Auch für Online-Käufe kann die Karte nicht genutzt werden. Und sie gilt nur in dem Landkreis, in dem der jeweilige Asylbewerber untergebracht ist - zumindest so lange er dort Residenzpflicht hat. Ende des zweiten Quartals sollen alle Asylbewerber ab 14 Jahren in Bayern, die Sozialleistungen bekommen, mit der Bezahlkarte ausgestattet sein. Söder beziffert ihre Zahl auf etwa 70 000.

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Die Bezahlkarte selbst ist eine blaue Mastercard und trägt auch deren Emblem. Auf sie buchen die Behörden monatlich den Betrag, der dem jeweiligen Asylbewerber gesetzlich zusteht. Der kann dann mit der Karte in allen Geschäften in der Region einkaufen, in der er untergebracht ist. Die vier Pilot-Kommunen, in denen die Bezahlkarte von Donnerstag an ausgegeben wird, sind die Landkreise Fürstenfeldbruck, Traunstein und Günzburg und die kreisfreie Stadt Straubing.

Der Fürstenfeldbrucker Landrat Karmasin bekennt sich ohne Wenn und Aber zu dem neuen System. Denn nach seiner "Überzeugung und jahrelanger Erfahrung" sind die bisherigen Bargeldauszahlungen an Asylbewerber sehr wohl ein Anreiz, nach Bayern und Deutschland zu kommen, auch wenn Wissenschaftler dies verneinen. Und natürlich bezahlten Asylbewerber mit dem Geld, das sie hier bekommen, Schlepper und überwiesen welches in die Heimat, sagt Karmasin. Deshalb sei er dankbar, dass Bayern das neue System deutlich schneller als der Bund einführt.

"Rekordverdächtig schnell" versus "Schluder-Variante"

Innenstaatssekretär Kirchner betont, dass Bayern mit dem neuen System "schneller sein wollte" als die anderen Bundesländer. Zwar hat das nicht ganz geklappt, in Hamburg gibt es die Bezahlkarte seit etwa fünf Wochen. Dennoch sei Bayern "rekordverdächtig schnell", sagt Kirchner. Zumal der Freistaat, anders als der Stadtstaat Hamburg, ein Flächenland ist und das neue System nicht nur wie dieser in einem Ankerzentrum einführe, sondern in allen Landkreisen und Kommunen. Außerdem weist Kirchner darauf hin, dass die Mitarbeiter in den Landratsämtern die Bezahlkarten individuell für die jeweiligen Inhaber anpassen könnten, sodass damit beispielsweise auch die Bezahlung von Rechtsanwaltskosten oder eines 49-Euro-Tickets möglich sei. Asylhelfer hatten immer wieder befürchtet, dass so etwas mit dem neuen System nicht möglich sei, und sprachen von Diskriminierung.

Ende Januar hatten sich 14 der 16 Bundesländer auf ein gemeinsames Vergabeverfahren für die Bezahlkarte geeinigt, es soll bis Ende Sommer abgeschlossen sein. Nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege. In der Berliner Ampelkoalition gab es zwischenzeitlich Streit um die Bezahlkarte. Aus Sicht von SPD und FDP braucht es eine bundesgesetzliche Regelung für sie. Die Grünen halten dies nicht für nötig. Söder nennt den Streit an diesem Mittwoch wenig hilfreich und ein weiteres Beispiel für "die Blockade der Ampel durch die Grünen". Zugleich erklärt er, aus bayerischer Sicht sei die Rechtsgrundlage ausreichend.

Von den Grünen kommt scharfe Kritik. "Die Söder-Regierung könnte eine Bezahlkarte einführen, die sauber ausgearbeitet und frei von Diskriminierung ist", sagt die integrationspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Gülseren Demirel. "Die CSU allerdings entscheidet sich wieder einmal für die Schluder-Variante. Gefangen im Stammtisch-Tunnel, vergisst sie die simpelsten Grundlagen. Nämlich Aspekte wie Rechtssicherheit und Datenschutz."

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