Artenschutz:Aiwanger soll im Fischotter-Streit übernehmen

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Ein Fischotter in Schnee: Nach dem Scheitern der beiden Verordnungen des Freistaats, die den Abschuss der streng geschützten Tiere erleichtern sollten, will Jagdminister Aiwanger nun einen erneuten Anlauf nehmen. (Foto: imago images/Nature Picture Libr)

Unlängst hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof die beiden Verordnungen des Freistaats kassiert, die einen Abschuss der streng geschützten Tiere erleichtern sollten. Nun wird der frische Jagdminister eine neue ausarbeiten lassen.

Von Christian Sebald

Nachdem der bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) unlängst die umstrittenen Fischotterverordnungen des Freistaats außer Kraft gesetzt hat, die einen Abschuss von 32 Exemplaren der streng geschützten Tierart in Niederbayern und der Oberpfalz ermöglichen sollten, fordert Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU), dass die Staatsregierung die Regelwerke zurückzieht. "Das würde den Zeitaufwand erheblich abkürzen und Ressourcen sparen", sagte Kaniber der SZ. Zugleich verlangt die Ministerin, dass Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) mit Umweltminister Thorsten Glauber (ebenfalls FW) ein neues Regelwerk erarbeitet, wie man die Teichwirte in Bayern am besten vor Fraßschäden durch die Raubtiere schützt.

Kanibers Begründung: Der Fischotter fällt ins Jagdrecht, als neuer Jagdminister sei deshalb nun Aiwanger für den Umgang mit der streng geschützten Tierart zuständig und nicht mehr ihr Haus.

Was beim ersten Hören wie eine etwas seltsame Rangelei anmutet, ist vor allem in Niederbayern und der Oberpfalz seit Jahren ein veritables Streitthema. Fischotter zählen - wie die Wölfe, deren Abschuss die Staatsregierung ebenfalls erleichtert hat - nach dem europäischen Naturschutzrecht zu den am strengsten geschützten Tieren. Sie dürfen eigentlich nur in absoluten Ausnahmefällen getötet werden und nach sorgfältiger Prüfung jedes Falls. Aber weil die Tiere den Teichwirten und Fischzüchtern zunehmend Ärger bereiten, streiten Naturschützer und Politiker seit Jahren um den richtigen Umgang mit ihnen. Denn ein Fischotter frisst bis zu 1,2 Kilo Fisch am Tag. Vor 30 Jahren war die Art bis auf wenige Exemplare im Bayerischen Wald praktisch verschwunden im Freistaat. Inzwischen haben sich vor allem in Niederbayern und der Oberpfalz die Bestände deutlich erholt. Schätzungen zufolge leben dort etwa 650 Fischotter.

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Bei den Teichwirten und Fischern sind die Tiere überhaupt nicht gerne gesehen. Denn sie können in Fischzuchten hohe Fraßschäden anrichten. Bayernweit betrugen die Fischotter-Fraßschäden 2022 laut Kaniber beinahe 2,7 Millionen Euro, im Vergleich zu 2016 eine annähernde Verzehnfachung. Deshalb drängen die Teichwirte und die Fischer im Verbund mit CSU und FW seit Jahren auf eine Lockerung des strengen Fischotter-Schutzes. Dieses Jahr wurden sie erhört. Auf Beschluss der Staatsregierung ließ Kaniber, die für die Teichwirtschaft in Bayern zuständig ist, zwei Verordnungen erarbeiten, die den Abschuss von Fischottern erleichterten und für dieses Jahr in Niederbayern und der Oberpfalz ein Abschuss-Kontingent von 32 Tieren freigaben.

Der Bund Naturschutz (BN) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reichten sofort Klage ein. Ihrer Überzeugung nach verstoßen die Verordnungen nicht nur gegen das Bundesnaturschutzgesetz und EU-Recht. Sondern sie halten den Abschuss von Fischottern außerdem für völlig untauglich für den Schutz von Fischteichen vor den Räubern. Der Grund: "Reviere, die durch das Töten eines Fischotters frei werden, werden über kurz oder lang von einem anderen nachbesetzt", lautet das Argument der Biologin und BN-Frau Christine Margraf. "Dann beginnt der Ärger von vorne." Der BN fordert deshalb den Bau von Schutzzäunen um gefährdete Teichanlagen, die die Fischotter abhalten sollen.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger im April auf einer Alm bei Oberaudorf. Damals war er noch nicht für die Jagd in Bayern zuständig. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

In seiner Eilentscheidung bestätigt der VGH die Sicht der Naturschützer und macht der Staatsregierung keine Hoffnungen, dass das im Hauptsacheverfahren anders sein wird. "Das Bundesnaturschutzgesetz sehe Ausnahmen vom Tötungsverbot nur durch Verordnung und durch Einzelausnahmen vor, nicht aber - wie vorliegend - durch allgemeine Informationen der Verwaltung über Kontingente", lautet die zentrale Passage in der Mitteilung des VGH über die Eilentscheidung. Mit der Entscheidung bestätigt der VGH nicht nur die bisherige Rechtsprechung. Sondern er entspricht außerdem der Erwartung der Expertenwelt bis weit in die Ministerien hinein, die die beiden bayerischen Verordnungen von Anbeginn für rechtlich unhaltbar ansahen.

Wirtschafts- und Jagdminister Aiwanger, der leidenschaftlicher Jäger ist, tritt seit Langem für Lockerungen des Fischotterschutzes ein. Den Erlass der nun höchstrichterlich kassierten Fischotter-Verordnung kommentierte er seinerzeit mit den Worten: "In vielen Regionen Bayerns hat sich der Fischotter so stark vermehrt, dass Teichwirte reihenweise ihre Betriebe aufgeben müssen und die Gewässer verlanden, was zu Verlust an Biodiversität führt. Deshalb muss sein Bestand zwingend reduziert werden." Am Freitag gab sich Aiwanger unbeirrt. "Es ist unsere Linie, die Kritikpunkte des Gerichts zu bewerten und einen neuen Anlauf für die Verordnung zu machen - mit dem Versuch einer höheren Rechtssicherheit", sagte er. "Es ist dringend nötig, dass wir die Möglichkeit schaffen, Fischotter dort zu entnehmen, wo sie Schäden in der Teichwirtschaft anrichten."

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