Kriminalität in Bayern:Zahl antisemitischer Straftaten 2023 deutlich höher als angenommen

Lesezeit: 2 min

In Bayern passiert jeden Tag mindestens eine antisemitische Straftat: 589 Delikte, davon 15 Gewalttaten mit 26 registrierten Opfern. 15 Taten richteten sich gegen jüdische Einrichtungen und Synagogen. (Foto: David Inderlied/dpa)

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden 589 antisemitische Straftaten registriert. Mehr als die Hälfte der geklärten Delikte wurde rechtsextremen Tätern zugeordnet.

Die Zahl antisemitischer Straftaten in Bayern ist im vergangenen Jahr nochmals deutlich höher gestiegen als zuletzt angenommen: Insgesamt 589 Taten wurden im Jahr 2023 registriert - ein neuer Rekordwert. Das geht aus einer aktuellen Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Landtags-Grünen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Unter den 589 Taten waren 15 Gewalttaten mit 26 registrierten Opfern. 15 Taten richteten sich gegen jüdische Einrichtungen und Synagogen. Darunter war ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge in Oberfranken Anfang 2023. Anfang Februar war noch von einer Gesamtzahl von 538 registrierten antisemitischen Straftaten die Rede gewesen, 50 weniger.

Damals hatte der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) bereits mitgeteilt, seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober sei die Zahl deutlich nach oben geschnellt. Tatsächlich wurde nach den neuen Ministeriumszahlen ein Großteil der Taten (366) im letzten Quartal registriert.

Zum Vergleich: Im bisherigen Rekordjahr 2021 waren im Freistaat 510 antisemitische Straftaten gezählt worden, im Jahr 2022 waren es 358 gewesen. Von den 2023 registrierten 589 antisemitischen Straftaten konnten laut Innenministerium 369 Fälle polizeilich geklärt werden. Dabei seien 397 Tatverdächtige erfasst worden. Mehr als die Hälfte der Delikte wurde rechtsextremen Tätern zugeordnet.

"In Bayern passiert jeden Tag mindestens eine antisemitische Straftat", klagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und mahnte: "Es darf nicht sein, dass Jüdinnen und Juden sich nicht mehr sicher fühlen." Deshalb müsse mehr getan werden. "Wir müssen den Judenhass aus unserer Gesellschaft verbannen." Die Staatsregierung müsse ein detailliertes Lagebild vorlegen, und: Der Fahndungs- und Ermittlungsdruck müsse erhöht werden.

Der Sprecher der Grünen für Strategien gegen Rechtsextremismus, Cemal Bozoğlu, nannte die neuen Rekordwerte erschreckend. Man müsse "alle repressiven und präventiven Instrumente nutzen, um den wachsenden Antisemitismus in der Gesellschaft einzudämmen". Die Grünen beklagen auch, dass bei der strafrechtlichen Ahndung antisemitischer Straf- und Gewalttaten in Bayern viele Verfahren im Sande verliefen. Bei Urteilen bayerischer Gerichte nach antisemitischen Straftaten kam es 2023 zu 149 Geldstrafen, 23 Freiheits- oder Jugendstrafen und 36 Maßregeln nach dem Jugendstrafrecht sowie zu zwei Freisprüchen.

Darunter können aber auch Verfahren zu Straftaten vor Jahresbeginn 2023 sein. Die Zahlen gehen ebenfalls aus der Antwort der Staatsregierung auf die Grünen-Anfrage hervor. "Viele Verurteilungen fallen unter das Jugendstrafrecht", erklärte Schulze und forderte: "Es braucht mehr Investitionen in Bildung und Aufklärung in den Schulen und außerhalb." Antisemitisch motivierte Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsschwelle werden von der bayerischen Polizei nicht statistisch erfasst. Dazu werden voraussichtlich an diesem Montag Zahlen der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern erwartet.

Am Sonntag rief der Antisemitismusbeauftragte Spaenle Jüdinnen und Juden in Bayern dazu auf, Polizei oder Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen, wenn sie angegriffen oder verunglimpft werden. Er sprach von einer dramatischen Entwicklung und von einem "traurigen Höchststand von Judenhass".

Es müsse das gesamte Spektrum der Täter in den Blick genommen werden. Das reiche von rechtsextremen Gruppierungen über islamistische Täter bis zu Linksextremen, die das Existenzrecht Israels infrage stellten. Auch Spaenle forderte mehr Bildungs- und Präventionsmaßnahmen sowie ein hartes Durchgreifen der Behörden. Wer judenfeindliche Vorfälle erlebe, die strafrechtlich nicht verfolgt werden könnten, aber persönlich belastend seien, sollte diese an RIAS melden.

© SZ/DPA/epd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPolitik in Bayern
:"Ich wollte nie Abschiebeweltmeister sein"

Bezahlkarte, Rückführungen, Flüchtlingsunterkünfte - in der Migrationspolitik setzt die Staatsregierung auf Härte. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) spricht im Interview über Überforderung beim Thema Asyl, die AfD und Islamisten.

Interview von Katja Auer, Andreas Glas und Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: