Die AfD-Chats mit teils radikalen Inhalten werden im Januar definitiv ein Nachspiel im Bildungsausschuss des Landtags haben. Gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe war es dort bereits zu Auseinandersetzungen gekommen. Dem Gremium gehört die AfD-Abgeordnete Anne Cyron an, die in der Telegram-Gruppe durch Umsturzfantasien aufgefallen war ("Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden"). Vorsitzender ist Markus Bayerbach, es ist der einzige derartige Posten, den die AfD bekleidet; nach allem, was bekannt ist, bisher untadelig. Jetzt droht ihm die Abwahl, wie die anderen Fraktionen bekräftigen. Die AfD selbst sieht sich als Ziel eines "parteipolitischen Manövers".
Der Ausschuss hatte Bayerbach Anfang Dezember aufgefordert, sich von Cyron zu distanzieren und ihren Ausschluss aus dem Ausschuss zu veranlassen. Letzteres liegt nicht in dessen Macht, das müsste ihre Fraktion beschließen. Ins Schlingern geriet Bayerbach dann bei seiner eigenen Rolle in dem inzwischen gelöschten Chat. Zunächst sagte er, er sei kein Mitglied, danach, dass er keinen Einblick habe. Matthias Fischbach (FDP) konfrontierte Bayerbach damit, dass er laut Ursprungsrecherche des Bayerischen Rundfunks in vier Jahren Hunderte Beiträge getätigt habe. Der Ausschuss votierte dafür, die Abberufung des Vorsitzenden anzustreben - das Vertrauen sei "massiv erschüttert".
Inzwischen liegen dem Ausschuss schriftliche Erklärungen von Cyron und Bayerbach vor. Cyron argumentiert: Ihr Posting von Ende 2020 beinhalte bei nüchterner Betrachtung "keine geplante Aktion, sondern vielmehr die Warnung davor, was eintreten könnte, wenn Regierende nicht endlich aufhören, der Bevölkerung Lasten und Einschränkungen zuzumuten". Warum sie das damals im Chat nicht so formulierte, sondern sich vielmehr beim drohenden Bürgerkrieg noch selbst verortete (man werde "Polizei und Militär gegen uns in Stellung bringen")? Bleibt unbeantwortet.
Eine "vorsätzliche Lüge" habe er nicht beabsichtigt
Bayerbach schreibt, Cyrons Aussagen seien wegen Strafanzeigen ein schwebendes Verfahren, eine rechtliche Würdigung stehe ihm nicht zu. Gewalt als politisches Mittel lehne er vehement ab. Er räume aber ein, dass er auf die "Befragung" im Ausschuss "gänzlich unvorbereitet war", eine "vorsätzliche Lüge" habe er nicht beabsichtigt. Generell sei es so, dass man als AfD-Politiker "permanent ungefragt zu irgendwelchen Gruppen hinzugefügt" werde, "weshalb ich hier den Überblick verloren hatte". Im Chat waren fast alle Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Bayern-AfD gelistet, viele waren aber kaum aktiv. Bisherige Analysen der Chats durch die SZ - besonders jener Pandemie-Phasen, in denen die inkriminierten Postings stattfanden - zeigen Bayerbach tatsächlich nicht als Akteur der Debatten; jedoch auch nicht mit Widerspruch beim Revolutionsgerede.
FDP-Mann Fischbach hält Bayerbachs Erklärung für "nicht geeignet, Vertrauen wieder aufzubauen". Gerhard Waschler (CSU) rügte, die "dürre Stellungnahme" lasse "jegliche Distanzierung vermissen". Gabriele Triebel (Grüne) teilte mit: "Zu seiner eigenen Teilnahme im Chat versucht Herr Bayerbach sich wie ein beim Lügen ertapptes Kind weiter rauszureden." Auch Simone Strohmayr (SPD) fühlt sich "belogen". Tobias Gotthardt (FW), der als Vize-Chef des Ausschusses diesen interimistisch leiten würde, hält die Erklärung für "mangelhaft - in der Abgrenzung zu extremen Positionen, kruden Verschwörungstheorien und konkreten Gewaltaufrufen gibt es keinen Graubereich". Viele legen Cyron nahe, den Ausschuss von sich aus zu verlassen.
Voraussichtlich am 27. Januar will der Ausschuss Bayerbach in nicht-öffentlicher Sitzung abwählen. Der AfD stünde ein Ersatzvorschlag zu, das wäre bei derzeitiger Besetzung Cyron. Tauscht die AfD sie nicht aus und lässt ein neues Mitglied um Vertrauen werben, verzichtet sie de facto auf ihren einzigen, 2018 knapp gewählten Ausschuss-Chefposten. Die Fraktion hatte Cyron zuletzt den Rücken gestärkt, sprach von "Versuchen, die AfD zu diffamieren". Intern gibt es durchaus einzelne Stimmen, die statt Cyron etwa Ex-Fraktionschef Ingo Hahn in den Ausschuss schicken wollen; eine Mehrheit hat diese Idee nicht.
Vize-Fraktionschef Gerd Mannes sagte am Montag auf Anfrage: "Es gibt keine Gründe mit Substanz, warum Herr Bayerbach abgesetzt werden sollte." Es werde versucht, "die Arbeit eines erfolgreichen Ausschussvorsitzenden zu zerstören". Bayerbach habe im Ausschuss "lediglich etwas unklar formuliert, während Markus Söder die Bürger permanent belügt, man denke nur an das frühere Ausschließen der Impfpflicht". Mannes hält es "bei dieser Unfairness" für fraglich, ob der Ausschuss jemand anderen aus der AfD wählen würde.