Verkehr in Bayern:Langsam, aber pünktlicher? So rechnet die Bahn Verspätungen schön

Lesezeit: 2 min

Schon wieder ein Problem bei der Bahn? In Bayern gibt es gerade einige Schmerzpunkte im Schienennetz, zum Beispiel bei der Bayerischen Regiobahn in Oberbayern. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Auf der Strecke zwischen Weilheim und Schongau kommt es wegen baufälliger Infrastruktur zu chronischen Verzögerungen. Der Betreiber will nun die Pünktlichkeit erhöhen - zumindest auf dem Papier.

Von Thomas Balbierer

Wenn ein Bahnunternehmen ankündigt, die "Pünktlichkeit steigern" zu wollen, klingt das nach einer tollen Nachricht. Weniger Verspätungen - welcher Zugpassagier könnte da schon dagegen sein? Zuletzt sank die Pünktlichkeit der bayerischen Regional- und S-Bahnen auf einen Tiefstwert von 88 Prozent. Mehr Zuverlässigkeit ist unbedingt wünschenswert. Allerdings bedeutet das Versprechen von besserer Pünktlichkeit nicht automatisch, dass die Züge plötzlich schneller rollen. Ist doch klar, oder?

Die Bayerische Regiobahn (BRB) überrascht ihre Fahrgäste zwischen Weilheim und Schongau derzeit mit einem besonderen statistischen Kunststück: Am Mittwoch kündigte das Unternehmen an, "die Pünktlichkeit und Verlässlichkeit wieder zu erhöhen". Die Strecke ist sanierungsbedürftig und aus Sicherheitsgründen mit zahlreichen Langsamfahrstellen versehen, die ein Zug nur mit 20 Kilometern pro Stunde passieren darf. Es ist das ewige Problem mit der maroden Infrastruktur der Deutschen Bahn (DB). Doch nun soll alles besser werden - zumindest für die eigene Statistik.

Denn die BRB passt Ende Februar ihren Fahrplan an und verlängert die bisher geltenden Fahrzeiten um "Fahrzeitpuffer". Damit wird die Verspätung einfach in die offizielle Fahrzeit eingepreist und sorgt nicht mehr für Abzüge in der Pünktlichkeitswertung. Für die Fahrgäste verbessert sich erst mal: nichts. Das Vorgehen erinnert an eine Diät, bei der man zwar weiterhin jeden Tag ein Stück Schokokuchen verputzt, aber nur noch jede zweite Kalorie zählt. Dick wird man am Ende trotzdem. Immerhin: Vom 1. August an, so die BRB, soll "eine umfassende Modernisierung der Strecke" erfolgen, Details sind offen.

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Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert den Rechentrick. "Für uns zählt nicht, ob einzelne Züge als 'pünktlich' in die Statistik eingehen, sondern ob die Fahrgäste einigermaßen pünktlich ihr Ziel erreichen", teilt Sprecher Norbert Moy mit. "Geschönte Pünktlichkeitsstatistiken nützen dem Kunden wenig, wenn er am Bahnsteig eine Stunde auf den nächsten 'pünktlichen' Zug wartet." Besonders am Bahnhof Weilheim gebe es immer wieder das Problem, dass man beim Umstieg den Zug nach München knapp verpasse.

Für Bahnunternehmen wie die BRB ist die Pünktlichkeitsstatistik nicht nur aus Gründen der Kundenzufriedenheit und der Reputation von Bedeutung. Es geht auch ums Geld: Fallen die Betreiber unter einen bestimmten Pünktlichkeitswert, werden Geldstrafen fällig, heißt es bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, die den Schienenverkehr in Bayern finanziert und kontrolliert.

Auch auf der Strecke München-Nürnberg und im Allgäu gibt es Probleme

Zur Wahrheit gehört aber auch: Der häufigste Grund für Zugverspätungen und -ausfälle in Bayern ist die baufällige Infrastruktur mit kaputten Weichen, porösem Untergrund oder defekten Bahnübergängen. Auf das Netz haben private Bahnbetreiber wie die BRB wenig Einfluss, es wird von einer Tochter der DB verantwortet. Diese saniert derzeit Strecken in ganz Deutschland. Eine Mammutaufgabe, die lange dauert.

Nicht nur das Schienennetz bremst die Bahn in Bayern. Im Regionalverkehr zwischen den Großstädten München und Nürnberg gibt es seit Monaten immer wieder Störungen im Tagesgeschäft, auch diese Woche kam es zu Zugausfällen und Verspätungen. Der DB fehlen auf der wichtigen Verbindung schlicht Züge, seit wiederholt technische Mängel an den Regionalzügen des tschechischen Herstellers Škoda aufgetreten sind.

Im Allgäu sieht es derzeit nicht besser aus. Auf mehreren Verbindungen von und nach Kempten, Lindau, Oberstdorf und Buchloe gibt es Zugausfälle und Störungen - und das bis in den Juni hinein. Laut Bahn sind "längere Fahrzeugreparaturen und Personalengpässe in den Werkstätten" verantwortlich. Wo nicht mal mehr eine geschönte Statistik hilft, bleibt der Bahn nur eins: Abbitte leisten. "Bei entstehenden Reisezeitverlängerungen bedanken wir uns für Ihre Geduld", heißt es auf der Homepage.

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