Krieg in der Ukraine:Wie die Flüchtlingshilfe digitalisiert wird

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Der Draht zu Informationen: Für Flüchtlinge aus der Ukraine ist das Smartphone nicht nur die Verbindung nach Hause, sondern es kann auch dabei helfen, Wissenswertes über Hilfsangebote etwa in Bayern zu erfahren. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Angebote wie die App Integreat helfen Geflüchteten bei der Orientierung in der fremden Stadt - und erleichtern Behörden die Arbeit.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Mehr als 800 Angebote über privaten Wohnraum für Geflüchtete sind in Augsburg seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine reingekommen. Mal ist es ein Zimmer, das für wenige Tage zur Verfügung steht. Mal bietet jemand eine Einliegerwohnung an, die langfristig von Geflüchteten bewohnt werden kann. Um die Vermittlung des Wohnraums zu erleichtern, setzt die Stadt auf die App "Integreat" als digitale Plattform. Privatleute können ihre Angebote selbst einstellen, Geflüchtete haben direkten Zugriff darauf, in ihrer Landessprache - und können selbst Kontakt zum Anbieter aufnehmen.

Digitale Angebote wie Integreat erleichtern Geflüchteten die Ankunft in einer fremden Umgebung und sparen Verwaltungen viel Aufwand. Integreat ist die in Bayern wohl am weitesten verbreitete digitale Hilfestellung für Geflüchtete, auch die Städte München und Nürnberg sowie viele andere Landkreise und Städte nutzen das Angebot. Dabei geht es nicht nur um Wohnraum, vor allem liefert die App - wie andere Angebote auch - Informationen für Geflüchtete. In derzeit 15 Sprachen hilft die App: Wo muss ich hin? Welche Formulare benötige ich? Wo ist der nächste Arzt, wie nutze ich den öffentlichen Nahverkehr? "Wir informieren über die Plattform zu allem", sagt Michael Hegele von der Koordinierungsgruppe Ukraine der Stadt Augsburg. Ukrainer, die nach Augsburg wollen, laden sich die App teilweise sogar schon in ihrer Heimat herunter - und kommen so gut vorbereitet in der schwäbischen Metropole an.

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"Unser Ziel ist, dass die Flüchtlingshilfe am Ende komplett digital unterstützt werden kann", sagt Laura Schmitz von Integreat, das in Augsburg entwickelt wurde. Kommunen informieren auch über soziale Netzwerke wie Instagram oder Facebook, datenschutzrechtlich ist das allerdings nicht unbedingt ratsam. Über die App sind alle Informationen gesichert richtig, sie kommen direkt von den lokalen Behörden vor Ort, und sie werden von professionellen Büros übersetzt. "Klar sind Behörden nun überlastet, es ist eine Ausnahmesituation", sagt Schmitz. Digitale Angebote helfen, die Arbeitslast für die Verwaltungen zu verringern, weil sie auch helfen, sinnlose Behördengänge zu vermeiden. Ein typisches Phänomen bei Geflüchteten ist, dass sie nicht wissen, für welchen Verwaltungsakt sie zu welchem Amt müssen. Also melden sie sich vorsichtshalber bei vielen Ämtern an, um wenigstens irgendwo eine richtige Antwort zu erhalten - und blockieren so die Termine.

Über eine App wie Integreat erhalten sie zielgenaue Informationen, die auch immer aktuell sind. Erst vergangene Woche hat das Innenministerium drei Schreiben zur Registrierung von Geflüchteten an die Kommunen herausgegeben. "Was wir am Montag auf einen Flyer gedruckt hätten, wäre am Mittwoch schon wieder veraltet gewesen." In der App werden die Informationen laufend aktualisiert und bei wichtigen Informationen per Push-Nachrichten versendet. In einer anonymen Erhebung unter Kommunen, die Integreat nutzen, hat ein Verwaltungsmitarbeiter mitgeteilt, dass er nun nach Einführung der App nur noch 100 statt wie bislang 270 Personen persönlich berät. " Ich würde sagen, dass die Erleichterungen für das gesamte Team, von den Ehrenamtlichen über die Sozialarbeiter bis hin zum Bürgermeister, spürbar sind."

Mehrere Apps informieren Flüchtlinge, aber auch Helfer

Ein anderes Entwicklerteam aus München hat gerade die Anwendung "Was Wohin" entwickelt, Spendenwillige sollen sich darin genau informieren können, welche Güter wo gebraucht werden. Die Bundesregierung arbeitet gerade an der Plattform "Germany for Ukraine", wo Geflüchtete auf einen Blick alle Hilfsmaßnahmen sehen können. Schmitz von Integreat sieht solche Angebote nicht als Konkurrenz, im Gegenteil. Sie würde sich aber mehr Effizienz wünschen: Integreat firmiert als NGO, den Quellcode der App macht das Team frei zugänglich, sodass jeder darauf aufbauen könnte, auch die Bundesregierung - so müsste man nicht mühsam parallel erarbeiten, was es eigentlich schon gibt. "Es geht uns nicht darum, dass da am Ende überall Integreat draufsteht", sagt Schmitz. Kommunen zahlen derzeit eine Servicegebühr, nur mit Spenden allein könnte sich das Entwicklerteam sonst nicht über Wasser halten. Zumal die App stetig weiterentwickelt wird, mit lokalen Jobbörsen etwa, mit Lernhilfen für Berufsvokabular und weiteren Informationen.

Dass die Flüchtlingsarbeit im Vergleich zu 2015, als Integreat entwickelt wurde, digitaler geworden ist, merkt Michael Hegele in Augsburg unter anderem daran, dass die städtischen Mitarbeiter die Geflüchteten oft gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. "Wir sehen viele gar nicht mehr, weil sie irgendwo privat untergebracht sind. Das ist ganz anders als früher." Das kann auch ein Nachteil sein, weil der Kommune der Überblick fehlt. Dafür gibt es vielfältigere Möglichkeiten als früher. So können Wohnungen in Augsburg nicht nur passgenau vermittelt werden, was die Anzahl der Zimmer anbelangt. Es gibt zahlreiche Filtermöglichkeiten: Wer etwa Hunde oder Katzen mitbringt, kann sich eine haustierfreundliche Unterkunft suchen.

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