Asylbewerber in Bayern:Herbergssuche 2014

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Null freie Betten: Die Flüchtlingsunterkünfte in Bayern sind voll. Bis zu 30.000 Asylbewerber werden in diesem Jahr aber noch erwartet. Und täglich treffen mehr als 100 weitere Menschen ein.

Von Katja Auer, Zirndorf

Wieder einmal hat Erwin Bartsch die Kapelle Sankt Paulus leer geräumt. Kirchenbänke in die Ecke gestapelt, Matratzen hineingelegt. Den ökumenischen Gottesdienst, der auf einem Plakat in sechs Sprachen angekündigt war, hat er abgesagt. Weil man nicht drinnen Gottesdienst feiern kann, wenn draußen Menschen auf ein Bett warten, sagt er. In der Nacht zum Donnerstag war das Kirchlein dann voll. Flüchtlinge, für die im Erstaufnahmelager im mittelfränkischen Zirndorf kein anderes Bett frei war, haben darin übernachtet.

1300 Menschen leben zurzeit in der Einrichtung, viel mehr als vorgesehen. Eigentlich ist nur Platz für 950.

So könne es nicht weitergehen, sagt Bartsch, der evangelische Gemeindepädagoge, der schon mehr als 25 Jahre mit seiner Asylgruppe Flüchtlinge in Zirndorf betreut. Er hat das Lager schon oft überfüllt gesehen, er hat erlebt, wie sie Zelte aufgestellt haben und wie im vergangenen Jahr Container gebracht wurden, um mehr Menschen unterzubringen. Es hat alles nicht gereicht. "Es muss schnell eine andere Lösung gefunden werden", sagt er und diesen Appell richtet er an die Politiker.

München ist "aus der Verteilung raus"

Da passt es gut, dass gerade erst Ministerpräsident Horst Seehofer bei seinem Besuch im Vatikan dem Papst einen Scheck für ein Flüchtlingsprojekt überreichte und sich von ihm hat sagen lassen, dass er, der Papst, von ihm, dem Politiker, den Einsatz für die Schwachen erwarte. Für ihre Flüchtlingspolitik ist die Staatsregierung immer wieder kritisiert worden.

Ob aus Einsicht oder nicht: Sozialministerin Emilia Müller hat in einer ihrer ersten Amtshandlungen versprochen, in jedem Regierungsbezirk eine Erstaufnahmeeinrichtung zu eröffnen und so die beiden überfüllten Lager in Zirndorf und München zu entlasten. Indes, es tut sich wenig oder sogar das Gegenteil. München ist inzwischen "aus der Verteilung raus", wie es ein Sprecher des Ministeriums formuliert. 2200 Asylbewerber.

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Null freie Betten. Gerade wurde noch eine ehemalige Fahrzeughalle der Bundeswehr umfunktioniert, auch Hotelzimmer sind angemietet, aber jetzt geht nichts mehr. Also werden noch mehr Asylbewerber nach Zirndorf geschickt. Wo sie dann vielleicht in der Kapelle unterkommen. Oder in den beiden Busgaragen, die schon vor längerer Zeit zum Transitraum umfunktioniert worden sind.

Täglich mehr als 100 Asylbewerber

Bis zu 30 000 Asylbewerber erwartet Sozialministerin Müller in diesem Jahr in Bayern, täglich treffen mehr als 100 ein. Aus dem Bürgerkriegsland Syrien kommen sie und aus anderen Krisenländern des Nahen Ostens, ebenso wie aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Die Asylbewerber aus den Westbalkanländern würde die Staatsregierung am liebsten sofort zurückschicken, da die Anerkennungsquote sehr gering sei, sagt Müller. Sie setzt sich dafür ein, dass diese Staaten als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Dann kann schnell abgeschoben werden.

Untergebracht werden müssen die Menschen dennoch. Momentan erst einmal in Zirndorf. Auf die Frage, wie das gehen soll, bekommt man ausweichende Antworten. Es werde "weiterhin mit Hochdruck an einer verstärkten Weiterleitung der Asylbewerber an die anderen Regierungsbezirke gearbeitet", sagt eine Sprecherin der Regierung von Mittelfranken.

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Je schneller die Menschen in die Gemeinschafts- oder Privatunterkünfte in den Kommunen wechseln, desto schneller wird wieder Platz in der Zirndorfer Unterkunft frei. Aber auch viele kommunale Unterkünfte sind schon voll - oder gar nicht vorhanden. Die SPD-Sozialexpertin Angelika Weikert wirft der Staatsregierung vor, die Lage "sehenden Auges eskalieren zu lassen". Nur weitere Einrichtungen könnten die Situation entschärften.

Allein im niederbayerischen Deggendorf gibt es bereits konkrete Pläne, eine Gemeinschaftsunterkunft zum Erstaufnahmelager umzubauen. Allerdings werden dort erst zum Jahreswechsel die ersten Flüchtlinge aufgenommen werden können und es sollen nicht so viele sein wie in Zirndorf und München. Um die 500, sagt ein Ministeriumssprecher, damit es "sozialverträglich" bleibt.

In Regensburg hat sich die rot-grüne Stadtspitze zwar bereit erklärt, eine Unterkunft einzurichten, ein konkreter Ort ist aber noch nicht gefunden. In Würzburg dagegen sind die Pläne vom Tisch, die Gemeinschaftsunterkunft ebenfalls umzufunktionieren. Man sei auf der Suche, sagt ein Sprecher der Regierung von Unterfranken und räumt auch ein, dass sich die Kommunen nicht gerade vordrängten.

"Die Zustimmung ist verhalten", sagt er. Ähnlich in Oberfranken. Dort hat der Bayreuther Stadtrat gerade ein konkretes Gesuch der Regierung abgelehnt. Man sei nicht grundsätzlich gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung, heißt es. Nur eben nicht an dieser Stelle. Dort soll ein attraktives Wohngebiet entstehen.

© SZ vom 27.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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